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11. Juli 2023
The heat is on: Übernahmefieber unter Gewerbe- und Industriemaklern (Teil 1)
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The heat is on: Übernahmefieber unter Gewerbe- und Industriemaklern (Teil 1)

Eine mehrteilige Serie in AssCompact beleuchtet die Übernahmeaktivitäten im Bereich der Gewerbe- und Industriemakler. Sie beginnt mit einer Momentaufnahme der bisherigen Aktivitäten der Käufer- und Investorengruppen.

Ein Artikel von Klaus-Jürgen Baum, Geschäftsführer der VeDaTa VertriebsDatenServices GmbH, Anbieter der Anwendung MaklerRadar

In Expertenrunden und Beraterstudien war sie über viele Jahre ein Dauerbrenner: die Konsolidierung unter den deutschen Versicherungsmaklern. Die Triebfedern für die lange erwartete Veränderung der stark fragmentierten Marktstruktur lagen auf der Hand: Digitalisierung, Regulatorik, Beratungskomplexität und Maklerdemografie, um nur einige Aspekte zu nennen.

In der Realität fand Konsolidierung jedoch allenfalls auf Sparflamme statt. Die Zeitenwende läuteten dann auch nicht die nationalen Marktteilnehmer selbst ein. Es waren vor allem internationale Private-Equity-Häuser, die den deutschen Maklermarkt 2019/2020 als attraktive Investmentgelegenheit für sich entdeckten. Dabei fokussierten sie sich insbesondere auf das Segment der meist inhabergeführten größeren und großen Gewerbe- und Industriemakler: Erfolgreich geführte Häuser erzielen attraktive und stabile Renditen in einem aussichtsreichen Umfeld – ideale Voraussetzungen für Finanzinvestoren.

 

The heat is on: Übernahmefieber unter Gewerbe- und Industriemaklern

 

Grafik: Maklerbranche im Übernahmefieber: Seit 2020/2021 ist die Zahl der öffentlichkeitswirksamen Transaktionen sprunghaft angestiegen.

Seither scheint kaum ein Monat zu vergehen, in dem nicht eine oder gleich mehrere Transaktionen publik werden. Das Übernahmefieber ist hoch und dürfte nicht so bald abklingen.

Drei Gruppen krempeln den Markt um

Bei einer näheren Betrachtung des M&A-Geschehens stechen vor allem drei Gruppen heraus, alle gestützt auf internationales Beteiligungskapital. Sie verantworten den Löwenanteil aller Transaktionen seit 2020:

GLOBAL Gruppe

An der GLOBAL Gruppe beteiligte sich 2019 Summit Partners. Im Frühjahr 2023 trat als weiterer PE-Investor Castik Capital in den Gesellschafterkreis der GLOBAL Gruppe ein. Mit über 30 Übernahmen bis zum Frühjahr 2023 gehört die GLOBAL Gruppe klar zu den Top-Aufkäufern von mittelständischen Maklern – viele davon mit spezieller Branchenexpertise. Jüngste Akquisition ist die Hoesch & Partner GmbH, die als „Flaggschiff“ in das GLOBAL-Portfolio integriert werden soll.

GGW Group

Die GGW Group entstand als Resultat des Engagements von HG Capital – initial im Jahr 2020 über die Warweg Mittelstandsmakler GmbH. Sie ist nach gerade zweieinhalb Jahren die inzwischen wohl größte bislang überwiegend nationale Maklergruppe für den deutschen Mittelstand. In der GGW Group haben sich bisher mehr als 40 Versicherungsmakler und Assekuradeure zusammengeschlossen, die aktuell zusammen über 1.600 Mitarbeiter beschäftigen und mehr als 1,3 Mrd. Euro Versicherungsprämien verwalten. Jüngster Paukenschlag im Übernahmekonzert ist die Übernahme von Gayen & Berns - Homann, mit 230 Mitarbeitern einer der größten inhabergeführten Industriemakler (AssCompact berichtete). (Anm. d. Redaktion: Wurde nachträglich ergänzt.) Kürzlich wurden zudem mit der niederländischen NDB Gruppe sowie dem dänischen Assekuradeur balticfinance Danmark A/S die ersten aktiven Beteiligungen im benachbarten Ausland vollzogen.

HG Capital ist daneben seit 2020 in der Hyperion Group investiert, die hierzulande mit den Howden Tochtergesellschaften über eine substanzielle Präsenz verfügt. Howden hat jüngst seinen Wachstumskurs in Deutschland beschleunigt und die beiden spezialisierten Maklerhäuser Franz Gossler und Northern Lloyd erworben.

Erwähnenswert – wenngleich für das Gewerbe- und Industriemaklersegment nicht wirklich von Bedeutung – sind außerdem die Beteiligungen von HG Capital am größten deutschen Versicherungsmaklerpool Fonds Finanz Maklerservice GmbH, an der DEMV Deutscher Maklerverbund GmbH und dem Deckungskonzeptanbieter ConceptIF-Gruppe.

MRH Trowe

Die MRH Trowe Gruppe nahm Ende 2020 AnaCap Financial Partners an Bord und füllte damit die eigene Kriegskasse. Seither verfolgt MRH Trowe eine aggressive Buy-and-Build-Strategie und hat mehr als 20 Übernahmen und Beteiligungen vollzogen. Dass damit der Wachstumshunger nicht annähernd gestillt ist, machen der kürzliche Eintritt von TA Associates sowie die jüngsten Fremdkapitalrunden deutlich.

Ende März 2023 verkündete die Gruppe ein Umsatzziel von 300 Mio. Euro bis 2028. Das entspricht einer Verdopplung der Umsatzprognose von 150 Mio. Euro für 2023 und soll maßgeblich durch weitere Akquisitionen erreicht werden. Auffällig ist dabei die Verfolgung eines 360-Grad-Ansatzes in der Beratung der Zielkundschaft:

Im September 2022 wurde die Beteiligung an der afm-Gruppe bekannt gegeben. Neben der Stärkung der Marktpräsenz im Norden Deutschlands will MRH Trowe über das Beraternetzwerk von afm die Leistungen im gehobenen Privatkundensegment weiter ausbauen und auch die private Absicherung von Unternehmern abdecken. Kurz zuvor hatte MRH Trowe die bestehende Minderheitsbeteiligung an der H-W Financial Solutions GmbH aufgestockt.

Zum Jahreswechsel 2022/2023 übernahm MRH Trowe dann die Lurse AG und katapultierte sich damit unter die Top-drei-Benefits- and-Pensions-Broker in Deutschland.

MRH Trowe hat auch 2023 weiter zugekauft und dabei speziell seinen Bereich Wohnungswirtschaft gestärkt. Mit der Übernahme der Indutau Versicherungsmakler GmbH soll vor allem die Digitalkompetenz der Gruppe ausgebaut werden. Die Übernahme des Hamburger Immobilienversicherers Dede & Oppermann verbreitert die Präsenz in Norddeutschland bei. Zur Dede & Oppermann GmbH gehören die Bodo Erhorn Versicherungsmakler GmbH und die von Witzleben Versicherungsmakler GmbH. (Anm. d. Red.: Wurde nachträglich ergänzt.)

Hanseatic Broking Center

Wie ein U-Boot tauchte im Juni 2023 ein neuer/weiterer Akteur unter den Makler-Konsolidierern auf: die Hanseatic Broking Center GmbH (HBC), eine Mehrheitsbeteiligung des englischen Finanzinvestors Preservation Capital Partners Limited.

Die HBC-Gruppe bezeichnet sich selbst als Zusammenschluss hoch qualifizierter, inhabergeführter Versicherungsvermittler. Auf der brandneuen HBC-Webseite werden aktuell vier Maklerhäuser genannt: Hartmann Finanzdienstleistungen, Robert Schüler, Schuler Versicherungsmakler und Barg & Büttner mit ihren jeweiligen Tochtergesellschaften.

Zu den HBC-Partnern zählen außerdem die Gaede & Glaudert-Gruppe sowie die Sieveking-Gruppe. Deren Geschäftsführer (Martinsen, Wolter, von Janko) bilden auch den Kern des Managementteams der HBC-Gruppe. Mit 200 Mitarbeitern an zehn Standorten kommt sie nach eigenen Angaben auf ein betreutes Prämienvolumen von 200 Mio. Euro. Zielgruppen sind Gewerbe und Industrie, aber auch vermögende Privatkunden. Der Anschluss von weiteren Spezialmaklern soll das Wachstum der Gruppe befeuern. „Man kann sich in die Konsolidierungsbewegung einbringen und sie beeinflussen, oder man lässt sich konsolidieren. Wir finden die aktive Gestaltung deutlich reizvoller“, sagt Martinsen dazu. (Anm. d. Red.: Wurde nachträglich ergänzt.)

Nordic Capital

Jüngstes Beispiel in dieser Aufzählung ist die Beteiligung des schwedischen Private Equity-Investors Nordic Capital an der Helmsauer Gruppe (AssCompact berichtete). (Anm. d. Red.: Wurde nachträglich ergänzt.)

Weitere Investoren und Aufkäufer

Weitere finanzstarke Aufkäufer sind im Hintergrund bereits aktiv – erste Transaktionen sind noch im Jahr 2023 zu erwarten. Darunter finden sich unter anderem:

  • die Summitas Gruppe, ein Joint Venture von BainCapital, Canada Life und JDC Group. Mittlerweile hat die Summitas Gruppe Anfang Juli die erste Übernahme bekanntgegeben: Mit der Münchener Versicherungsmakler GmbH wurde ein etablierter Mittelstandsmakler mit 20 Mitarbeitern und gemischtem Geschäft gekauft. Angesichts der vermuteten/unterstellten „Financial Firepower“ sind gerade von Summitas in den nächsten Monaten weitere Transaktionen zu erwarten. (Anm. d. Red.: Wurde nachträglich ergänzt.)
  • Acrisure, ein US-amerikanischer Maklerriese, der in seinen Zielmärkten vor allem durch schnelle Übernahmen etablierter lokaler Maklerhäuser wächst. 2022 hatte Acrisure bereits eine strategische Kooperation mit der Leue & Nill-Gruppe im Bereich der internationalen Rückversicherung vereinbart.
  • Der schwedische Großmakler und Finanzdienstleister Söderberg & Partners, der von den Finanzinvestoren KKR und TA Associates unterstützt wird. In Deutschland bestehen enge Beziehungen zur Martens & Prahl Gruppe.
  • Benni Wess (BWPC), hinter dem angabegemäß die Family Offices verschiedener deutscher mittelständischer Unternehmer stehen.

Unter den inländischen Akteuren zeigten sich zuletzt insbesondere MLP, ATTIKON und Policen Direkt aktiv am Übernahmegeschehen beteiligt:

  • Die MLP-Gruppe übernahm 2021 die RVM als Brückenkopf für den Ausbau des Segments Gewerbe- und Industrieversicherungen. Mittelfristig will MLP eine Maklergruppe etablieren, die auf Augenhöhe mit den Top Ten in Deutschland agiert. Nach der Jahn Hamester Gruppe im Jahr 2021 war vor allem die Übernahme der Dr. Schmitt Gruppe 2022 ein wichtiger Zwischenschritt.
  • Die ATTIKON FINANZ AG ist eine junge Beteiligungsgruppe, die seit ihrer Gründung Mitte 2019 15 zumeist spezialisierte mittelständische Maklerhäuser übernommen hat.
  • Auch die vergleichsweise breit aufgestellte Policen Direkt Gruppe (Marktführer im Zweitmarkt für Lebensversicherungen und Venture Capitalist bei InsurTechs) weist signifikante Transaktionszahlen auf – ein gutes Dutzend in den letzten fünf Jahren. Sie greift auch bei kleineren Kaufgelegenheiten zu, die für die großen Konsolidierer bislang unattraktiv waren. Neben der Akquisition ganzer Maklerfirmen ist Policen Direkt besonders rege bei Bestandskäufen (Asset Deals ohne Firmenkäufe; in der Grafik nicht berücksichtigt). 2022 berichtete das Unternehmen 72 Übernahmen mit einem Bestandscourtagevolumen von knapp 4 Mio. Euro, eine Verdoppelung gegenüber den Zahlen für 2021.

Und was macht Deutschlands größte Versicherungsmaklergruppe, die Ecclesia? Sie tätigte hierzulande eher wenige Transaktionen, sondern war stärker im europäischen Ausland aktiv. Dafür war die Übernahme der SCHUNCK GROUP 2021, dem führenden Spezialmakler für die Logistikbranche mit über 35 Mio. Euro Umsatzerlösen, umso relevanter für das deutsche Marktgefüge.

(Anm. d. Red.: Der Artikel wurde aufgrund aktueller Ereignisse ergänzt.)

Fortsetzung in AssCompact 08/2023:

  • Beuteschema der Käufer
  • Motive auf der Käuferseite
  • Motive auf der Verkäuferseite

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2023, S. 90 f., und in unserem ePaper.

Grafik: © MaklerRadar

Bild: © kittyfly – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Klaus-Jürgen Baum