Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine Grundschuld auch zugunsten einer Person eingetragen werden kann, die noch nicht geboren oder sogar noch nicht gezeugt ist. Rechtsanwalt Alexander Sternbeck von der Kanzlei LKC Grünwald erläutert in einem Website-Beitrag die Hintergründe und die Bedeutung dieser Entscheidung für das Erbrecht.
Wie Sternbeck ausführt, war die Antragstellerin 1960 geboren und von ihrer Mutter als Vorerbin eingesetzt. Ihre potenziellen Kinder sollten Nacherben werden, ersatzweise ihre Geschwister. 2006 ließ sie auf einem eigenen Grundstück eine Grundschuld über 187.000 Euro zugunsten ihrer noch ungezeugten Kinder eintragen, um eine gerichtliche Auflage nach dem Verkauf eines Nachlassgrundstücks zu erfüllen.
Später wollte sie die Grundschuld löschen lassen und legte eine Löschungsbewilligung ihrer Geschwister vor. Sie versicherte zudem, keine Kinder zu haben. Grundbuchamt und das Oberlandesgericht Köln lehnten jedoch ab, da für die noch nicht gezeugten Nacherben ein Pfleger hätte bestellt werden müssen. Die Frau wandte sich daraufhin mit Rechtsbeschwerde an den BGH.
Grundbucheintragung zugunsten eines ungezeugten Menschen
Im Kern ging es um die Frage, ob eine Grundbucheintragung zugunsten eines „nondum conceptus“ (noch nicht gezeugten Menschen) überhaupt wirksam sein kann. Nach § 1 BGB beginnt die Rechtsfähigkeit erst mit der Geburt. Die Antragstellerin war daher der Meinung, dass die Eintragung nichtig sei und von Amts wegen gelöscht werden müsse (§ 53 Abs. 1 S. 2 GBO).
Gericht bestätigt Grundschuldeintragung
Der BGH wies die Rechtsbeschwerde zurück und bestätigte die Wirksamkeit der Grundschuldeintragung. Sternbeck hebt in seiner Urteilsbesprechung mehrere Kernpunkte hervor: Obwohl das BGB keine Regelung für den Rechtserwerb eines nondum conceptus enthält, erkennen Vorschriften wie § 2101 und § 2178 BGB an, dass auch noch nicht gezeugte Personen berücksichtigt werden können. Diese erhalten eine aufschiebend bedingte Rechtsposition. Der Gesetzgeber will, dass solche zukünftigen Rechte auch gesichert werden können. Daher ist die Eintragung einer Grundschuld zur Sicherung dieser Ansprüche zulässig, etwa um Rechte des noch nicht gezeugten Nacherben zu schützen.
Für den nondum conceptus können Willenserklärungen durch einen Pfleger (§ 1882 BGB) abgegeben werden, sodass eine dingliche Einigung möglich ist. Die Eintragung darf nur mit Zustimmung aller Berechtigten gelöscht werden. Da potenzielle Kinder noch nicht existieren, ist die Mitwirkung eines Pflegers notwendig, die hier fehlte. Der BGH konnte zudem nicht feststellen, dass die Antragstellerin keine Kinder mehr bekommen kann. Auch eine Adoption ist möglich, weshalb der Begriff „Kinder“ im Grundbuch auch angenommene Kinder umfasst, solange keine Einschränkung besteht.
Rechte ungezeugter Nacherben gestärkt
Laut Sternbeck stärkt der Beschluss den Schutz künftiger Generationen, führt aber auch zu erheblichen praktischen Konsequenzen: Vorerben können solche Grundschulden nur mit Zustimmung eines gerichtlich bestellten Pflegers löschen lassen und dieser könnte die Zustimmung verweigern, wenn er die Interessen der noch ungezeugten Nacherben gefährdet sieht. Das macht eine nachträgliche Entlastung des Grundstücks für den Vorerben schwierig. (bh)
BGH, Beschluss vom 26.06.2025 – Az. V ZB 48/24
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