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20. Oktober 2025
Vorstoß Bayern: Rechtsberatung vom Rechtsschutzversicherer
Vorstoß aus Bayern: Rechtsberatung vom Rechtsschutzversicherer

Vorstoß Bayern: Rechtsberatung vom Rechtsschutzversicherer

Rechtsschutzversicherer fordern seit langem eine Öffnung des deutschen Rechtsberatungssystems. Nun kommt Rückenwind aus Bayern: Versicherer sollen Kunden künftig auch außergerichtlich beraten und vertreten können. Anwaltsverbände reagieren harsch und warnen vor Interessenkonflikten.

Die deutschen Rechtsanwaltsverbände zeigen sich überrascht von einem Vorstoß des Freistaats Bayern, der auf der kommenden Justizministerkonferenz im November zur Diskussion stehen soll. Im Zentrum steht ein sensibles Thema: Bayern möchte Rechtsschutzversicherern ermöglichen, ihre Kunden künftig auch außergerichtlich zu beraten und zu vertreten.

Für manche Versicherer dürfte dieser Vorschlag durchaus attraktiv sein, schließlich fordert etwa die ARAG bereits seit Jahren eine grundlegende Reform des deutschen Rechtsberatungssystems.

Konkret hat Bayern dazu einen entsprechenden Beschlussvorschlag eingebracht. Bis daraus jedoch tatsächlich eine Reform würde, wäre es noch ein weiter Weg und ob dieser überhaupt eingeschlagen wird, ist derzeit völlig offen.

Die Reaktionen aus der Anwaltschaft lassen dennoch nicht auf sich warten: Die Aufregung bei Rechtsanwälten und ihren Verbänden ist schon jetzt beträchtlich. Viele sehen in dem bayerischen Vorstoß einen möglichen Dammbruch, der die Grenzen anwaltlicher Tätigkeit infrage stellen könnte.

Anwälte: Interessenkonflikte sind vorprogrammiert

So argumentiert etwa der Deutsche Anwaltverein (DAV), dass bei einer Rechtsberatung durch Versicherer Interessenkonflikte vorprogrammiert Versicherer hätten naturgemäß ein Interesse daran, Kosten zu sparen, und könnten daher nicht immer die für den Betroffenen beste Lösung anstreben. „Rechtsschutzversicherer dürfen nicht zu ‚Gatekeepern‘ der Gerichte gemacht werden. Ihre Aufgabe ist die Kostenübernahme, nicht die Rechtsberatung“, erklärt Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des DAV. Eine Vermischung von wirtschaftlichen Interessen der Versicherer mit den Rechtsinteressen der Versicherten gefährde die unabhängige Rechtsvertretung. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 20.02.1961 – Az: II ZR 139/59) habe bereits klargestellt, dass die Rolle des Versicherers nicht mit einer objektiven, ausschließlich am Mandanteninteresse orientierten Beratung vereinbar ist.

Versicherer argumentieren mit Kundenzufriedenheit

Dem hält die Gegenseite entgegen, dass Rechtsschutzversicherer auf langfristige Kundenzufriedenheit angewiesen seien und dass allein schon deshalb die Qualität ihrer Beratung gesichert sei. Diese Argumentation greift offenbar auch die Beschlussvorlage aus Bayern auf. Sie ähnele, so die Rechtsanwaltskammer Berlin und der Berliner Anwaltsverein in einer gemeinsamen Stellungnahme, auffallend einem Positionspapier des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vom November 2023.

Dennoch überzeugt dieses Argument aus Sicht der Anwaltschaft nicht: Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung von § 4 RDG (Rechtsdienstleistungsgesetz) ausdrücklich auch die Rechtsschutzversicherer im Blick, die Rechtsdienstleistungen erbringen wollten – und dabei unvermeidlich in Konflikt mit ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen, insbesondere dem Ziel der Kostenvermeidung, geraten könnten.

Andere Länder, andere Sitten

Auch wenn die jetzige Initiative aus Bayern überrascht, zeigt ein Blick ins europäische Ausland, dass die Praxis in manchen Ländern längst anders aussieht, zum Beispiel in der Schweiz oder in den Niederlanden. Angesichts dieser Entwicklungen könnte die bislang starre Regelung in Deutschland früher oder später sowieso auf den Prüfstand geraten. (bh)