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9. September 2016
„Der Rechtsrahmen muss für alle bAV-Anbieter gleich sein“

„Der Rechtsrahmen muss für alle bAV-Anbieter gleich sein“

Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender der Talanx Pensionsmanagement und verantwortlich für bAV bei HDI, erklärt, welche Folgen die Einführung des Sozialpartnermodells in der bAV für Versicherer und Makler hätte und warum er gegen ein Opting-out-Modell ist. Hinsichtlich der bAV-Produkte plädiert er für weniger Garantien.

Herr von Löbbecke, das Bundesarbeitsministerium hat nach Berlin zum bAV-Dialog eingeladen. Ist das ein Einlenken im Hinblick auf das vom Ministerium favorisierte Sozialpartnermodell?

Ich sehe kein Einlenken. Offenbar hält Frau Nahles immer noch an ihrem Vorhaben fest, ein zweites, tarifliches Zwangssystem neben die bewährte bAV zu setzen – mit eigenen Regeln und Vorschriften. Ein eigenes Rechtssystem für die Tarifrente führt jedoch zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Das ist nicht fair. Der Rechtsrahmen muss für alle bAV-Anbieter gleich sein. Anstatt ein Paralleluniversum zu schaffen, sollte die Politik lieber die bestehende bAV vereinfachen, Bürokratie abbauen und Anreize setzen, damit auch kleine und mittlere Bertriebe eine bAV einführen.

Sollte das Sozialpartnermodell doch kommen, was würde das für Versicherer und für Versicherungsmakler bedeuten?

Ein Parallelsystem würde die bAV noch komplexer machen und alle Beteiligten nur verunsichern. Die Frage ist auch, ob das Ganze überhaupt legal ist. Professor Schwintowski von der Humboldt-Universität hält es für europarechtswidrig, weil es massiv in die Wettbewerbsfreiheit eingreifen würde. Für Makler bedeutet es ebenfalls nichts Gutes, weil sie bei der neuen Lösung außen vor bleiben sollen. Eine Beratung sieht das Sozialpartnermodell nicht vor. Das heißt, man nimmt den Maklern und Versicherern ein Geschäftsfeld.

Und für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Arbeitgeber müssten künftig sechs verschiedene Durchführungswege verwalten. Und Arbeitnehmer könnten denken, dass sie mit der Tarifrente ausreichend vorgesorgt hätten, obwohl ihre Versorgungslücke noch weit klafft.

Lassen Sie uns andere Modelle ansehen. Welche Reformen würden Sie vorschlagen?

Wir haben als HDI Lebensversicherung einen 10-Punkte-Plan aufgestellt, wie man die bestehende bAV verbessern kann. Darin fordern wir unter anderem, die volle Beitragspflicht auf Betriebsrenten in der Kranken- und Pflegeversicherung abzuschaffen. Damit auch Geringverdiener eine bAV abschließen, sollten Betriebsrenten zudem nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden. Die steuerliche Förderung sollte vereinheitlicht und ausgebaut werden. Die Anhebung des Dotierungsrahmens auf bis zu 10% der Beitragsbemessungsgrenze innerhalb eines Durchführungsweges würde die bAV deutlich vereinfachen und verbessern. Und ganz wichtig: Die Beratung durch Experten sollte beibehalten werden.

Ein Freund von Opting-Out-Modellen sind Sie nicht?

Wohin Opting-out führen kann, sieht man am Beispiel der Mini-Jobber: Hier hat der Gesetzgeber festgeschrieben, dass diese automatisch gesetzlich rentenversichert sind – mit der Möglichkeit, sich daraus aktiv zu befreien. Das Ergebnis: Über 80% der Mini-Jobber wählten die Rentenversicherungspflicht ab. Opting-out-Modelle führen vielleicht zu einer höheren Verbreitung der bAV, aber nicht zu einer bedarfsgerechten Versorgung. Wichtig ist, dass der Gesetzgeber einen belastbaren Rechtsrahmen schafft, damit Betriebe, die ein Opting-out einführen wollen, nicht nachher von „zwangsbeglückten“ Arbeitnehmern verklagt werden.

Warum klappt es dann aber mit der Verbreitung der bAV heute nicht besser? Und warum gibt es so wenig arbeitgeberfinanzierte bAV?

Die größten Hemmnisse für eine weitere Verbreitung der bAV sind neben der Anrechnung auf die Grundsicherung und die volle Verbeitragung der Leistungen auch die Komplexität. Arbeitnehmern und Arbeitgebern fehlen Informationen und Anreize. Die Arbeitnehmer kennen ihr Recht auf Entgeltumwandlung oft nicht und die Arbeitgeber klären sie nicht auf. Viele wissen nicht, dass ein Zuschuss für sie aufwandsneutral wäre. Aktive Information und finanzielles Engagement der Arbeitgeber könnten viel bewirken. Unternehmen sollten Teile der Lohnnebenkosten, die sie durch eine bAV einsparen, als Zuschuss an ihre Mitarbeiter weitergeben.

Erste Pensionskassen, auch aus Ihrem Konzern, haben die Verzinsung für bestehende bAV-Verträge gesenkt. Wird das Schule machen und mit welchen Konsequenzen? Und ist die von Ihnen oft erwähnte „Systemrendite“ tatsächlich ein schlagendes Argument?

Eins ist klar: Die gesetzliche Rente wird in Zukunft nicht ausreichen, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Eine zusätzliche, kapitalgedeckte Vorsorge ist zwingend notwendig, sonst landen viele Bürger in der Altersarmut. Kritiker zweifeln an der Entgeltumwandlung. Sie irren. Professor Dommermuth vom Institut für Vorsorge und Finanzplanung hat diverse Szenarien durchgerechnet. Das Ergebnis: Die bAV lohnt sich allein schon wegen der staatlichen Förderung. Trotz nachgelagerter Besteuerung und Sozialversicherungspflicht im Alter ist die bAV anderen Vorsorgeformen häufig überlegen.

Vor demselben Hintergrund, also dem Niedrigzins, können Sie sich auch bAV-Produkte vorstellen, die nur 80 oder 90% Beitragsgarantie enthalten. Das widerspricht der bisherigen bAV-Idee. Wie könnten solche Produkte aussehen und wird sich das durchsetzen lassen?

Wir müssen weg von Zinsgarantien. Sie sind Renditekiller. Wir befinden uns in einer Zinseiszeit. Sichere Staatsanleihen haben inzwischen einen Nullzins erreicht. 100% Beitragsgarantie lassen sich im anhaltenden Niedrigzinsumfeld kaum noch darstellen. Die Politik sollte daher die Beitragsgarantie flexibilisieren. Wir unterstützen Vorstöße, Garantien abzusenken, wie es Dr. Arteaga in seinem Gutachten für das Bundesarbeitsministerium vorschlägt. Mir gefällt das niederländische Modell der „Defined Ambition“ ganz gut: Bei dem sog. Zielrentensystem gibt es eine feste Beitragszusage, die spätere Leistung wird jedoch nicht verbindlich festgelegt, sondern nur gewissenhaft geschätzt. Ich glaube, das ist ein guter Mittelweg zwischen den im Niedrigzinsumfeld schwer kalkulierbaren Beitragszusagen mit Mindestleistung einerseits und reinen Beitragszusagen andererseits. Außerdem zwingen hohe Garantien Versicherer zu einer restriktiven und damit chancenbegrenzten Kapitalanlage. Wenn der Gesetzgeber uns ließe, könnten wir kapitaleffizientere Produkte in der bAV anbieten, die eine höhere Rendite in Aussicht stellen.

Vor Kurzem sagten Sie auf einer Ihrer Veranstaltungen, dass HDI weiter in die bAV investieren werde. Sehen Sie, dass sich andere Anbieter aus dem Markt zurückziehen?

Das sehen wir zwar nicht, aber wir sehen, dass sie nicht mehr in das bAV-Geschäft investieren. Wir als HDI setzen jedenfalls weiterhin klar auf das bAV-Geschäft und wollen unsere Position als einer der führenden bAV-Anbieter in Deutschland ausbauen. Dabei werden wir weiter in digitale Services investieren, um Kunden und Vertriebspartner besser zu unterstützen. So haben wir mit dem „HDI bAVnet“ ein Online-Portal zur Verwaltung von bAV-Verträgen eingeführt. Damit sind wir Vorreiter am Markt und haben beim Wettbewerb „Digitaler Leuchtturm Versicherung“, der von der Süddeutschen Zeitung und Google ausgerichtet wird, den ersten Platz belegt. Außerdem wollen wir das Geschäft mit der Auslagerung von Pensionszusagen forcieren. Hier haben wir eine besondere Expertise, die in Zeiten steigender Pensionsrückstellungen von den Firmen dringend benötigt wird.

 
Ein Artikel von
Fabian von Löbbecke