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6. November 2018
Versicherungsprodukte der Zukunft – Der erste Schritt zu neuer Modularität

Versicherungsprodukte der Zukunft – Der erste Schritt zu neuer Modularität

Der Kundenwunsch soll im Zentrum von Versicherungsprodukten stehen. Doch wie gelingt es, die Brücke zwischen Kundenorientierung, aktuariellen und technischen Anforderungen zu schlagen? Auf der DKM wurde im Themenpark InsurTech darüber diskutiert. Eine Zusammenfassung von Mirko Theine und Gregor Morin, zeb.

Wenn über das Thema Produkte diskutiert wird, spricht die Versicherungswirtschaft zunehmend über Ökosysteme. Dabei endet die Produktgestaltung nicht beim Versicherungsprodukt. Neue oder bestehende Versicherungsprodukte werden um branchennahe und branchenübergreifende Services erweitert. „Wenn unsere Kunden Fragen zu den Risiken der gegenwärtigen und zukünftigen Megatrends Konnektivität, autonomes Fahren, Share Economy und Elektromobilität haben, dann ist es unsere Aufgabe, uns damit auseinanderzusetzen und Antworten zu liefern“, stellt Stefan Häfner aus dem Innovationslabor MO14 der R+V im Rahmen der DKM 2018 klar. Namhafte Versicherer haben in den letzten Monaten Initiativen gestartet und erste Ansätze zu möglichen Ökosystemen präsentiert. Doch die Erweiterung des Kernproduktes stellt hohe Anforderungen an Versicherer.

Die meisten Versicherer erfüllen nicht das Pflichtprogramm in der Produktgestaltung

Die Arbeit fängt bereits bei den bestehenden Produkten an. Aus Sicht des Kunden sind Versicherungen komplex und unverständlich – auch vermeintlich einfache Produkte. So gibt es im Bereich der Diebstahlversicherung für eine Hausratversicherung über 160 verschiedene Bedingungen bei knapp 200 Schadenversicherern. Hinzu kommen sperrige Begrifflichkeiten, die kaum ein Kunde versteht. „Es ist egal, was Versicherer wollen. Wichtig ist, was Kunden wollen. Und Kunden wollen einfache Produkte, die mehrere Probleme auf einmal lösen“, appelliert Sebastian Langrehr von Friendsurance auf dem InsurTech Themenpark der DKM.

Zusätzlich verhindern die aktuell langen organisatorischen und technischen Entwicklungszeiten von Versicherungen, dass die Erwartungen der Kunden erfüllt werden und neue Innovationen kurzfristig umgesetzt werden können. So liegt allein die Weiterentwicklungszeit von bestehenden Produkten in der Branche zwischen 12 und 18 Monaten. Zudem entwickeln Versicherer immer neue Versicherungsprodukte und erweitern stetig ihr Produktangebot ohne dabei konsequent alte Tarife und Produkte umzustellen. Das dabei über Jahrzehnte gewachsene Produktportfolio führt zu Grenzen der Administrierbarkeit bei Versicherern in der Bestandsverwaltung, der Schadenbearbeitung und in der IT. Der Aufwand für technische Anpassung der Systemlandschaft nimmt mittlerweile den Löwenanteil der Kosten für die Entwicklung von neuen Produkten ein. Diese Tendenz ist weiter steigend.

Modularität als wesentliches Designkriterium der Kundenzentrierung

Die Anforderungen an zukunftsfähige Produkte leiten sich aus internen und externen Faktoren ab. Grundlegende Ansprüche des Kunden sind leistungsstarke Produkte, transparente Bedingungen und die Wahl des präferierten Kontaktkanals bei Abschluss und Verwaltung. Ziel muss es sein, „den Kunden am richtigen Ort mit den richtigen Worten und der richtigen Lösung anzutreffen und ihn für Lösungen zu begeistern“, erläutert Natascha Lorenz als Kernziel kundenzentrierter Produktentwicklung bei der Zurich. Aus Sicht des Versicherers wird dies um die Anforderungen einer nachhaltigen Profitabilität sowie einfacher Administrierbarkeit ergänzt. Diese Anforderungen lassen sich in strategische Designkriterien überführen. Im Zuge einer kundenzentrierten Produktgestaltung lassen sich diese Kriterien in drei Kategorien einteilen:

  • Pflicht: „Erfüllung der Kernerwartungen des Kunden“
  • Kür: „Kunden in deren Lebensrealität erreichen“
  • Ökosysteme „Kundenbedürfnisse ganzheitlich als Anbieter abdecken“

Ein wesentlicher Bestandteil zur Erfüllung des Pflichtteils ist dabei die konsequente modulare Gestaltung von Produkten. Aber was steckt hinter diesem bereits seit Jahren immer wieder postulierten Paradigma zur Produktgestaltung? Hierzu erfordert es einen genaueren Blick.

Ein Bündelprodukt ist noch kein Modul

Das gängige Marktverständnis zum Thema Modularität stellt dabei eine Kombination von bestehenden Produkten zu Bündeln oder eine geringfügige Erweiterung bestehender Produkte dar. Über 90% der Abdeckung ist dabei durch das Kernprodukt vorgegeben, sodass der Mehrwert zusätzlicher Bausteine für den Kunden begrenzt ist. Oft sind die Produkte mit der klassischen „Basis-, Standard-, Komfort-Logik“ vorkonfiguriert. Ein darüber hinausgehendes individuelles Zuschneiden der Produkte ist kaum möglich. Hinzu kommt, dass selbst kleine Produkt-Updates dieser Bündel große Aufwände verursachen.

Auch ist zu erkennen, dass die meisten Versicherer diese Produkte nur im Vertrieb als modular „verpacken“. Hinter dem Vorhang ist jede mögliche Produktkombination nochmals als eigenständiges Gesamtprodukt abgebildet. Eine nachträgliche Änderung führt entsprechend zwangsläufig zu einer kompletten Umdeckung.

Modularität erlaubt einfache Produkte, die alle Wünsche der Kunden erfüllen

Die neue Modularität orientiert sich klar an dem Kunden und seinen Bedürfnissen. Damit unterscheiden sich diese neuen Produkte von herkömmlichen Tarifen mit einzelnen Modulen:

1. Spartendenken wird aufgelöst – Neue modulare Produkte vereinen mehrere Sparten.

2. Ein Modul ist kein Anhängsel – Die verschiedenen Module sind gleichwertig und bilden zusammen das Produkt.

3. Volle Flexibilität – Module können flexibel an- und abgewählt werden, der Vertrag bleibt bestehen.

Im Ergebnis erlaubt die Modularität den Schutz für eine komplette Lebenswelt, losgelöst von herkömmlichem Produkt- und Spartendenken. Eine Lebenswelt „Wohnen“ vereint beispielsweise Komponenten von Hausrat, Gebäude, Haftpflicht, Elektronik und Rechtsschutz. In einem weiteren Schritt können die Module problemlos um mehrwertstiftende Leistungen und Services erweitert werden, beispielsweise innerhalb der Lebenswelt „Wohnen“ um einen Reparaturservice oder Smart-Home-Komponenten.

Herstellung der Modularität mit bewährtem Produktmodell

Das zugrundeliegende Produktmodell basiert auf der BiPRO-Sicht. Die Entwicklung eines Bausteins beginnt auf Elementarproduktebene. Ein Elementarprodukt bildet dabei die kleinste Einheit, die in einen Vertrag ein- bzw. daraus ausgeschlossen werden kann. Auf Elementarproduktebene wird tarifiert und es werden Leistungen beschrieben. Mindestens ein oder mehrere Elementarprodukte, die die vertragliche Einheit auf juristischer Ebene darstellen, werden zu einem Produkt zusammengeschlossen. Im letzten Schritt werden ein oder mehrere Verkaufsprodukte zu einem Baustein oder einem Basisprodukt kombiniert.

Dies erlaubt eine Reduzierung der Aufwände und Fehlerquellen bei der Produktentwicklung, da sich Anpassungen im Elementarprodukt direkt auf Basisprodukt und Bausteine auswirken. Gleichzeitig können einfach neue Tarifvarianten durch Gestaltung und Integration eines neuen Elementarproduktes gebildet werden.

Welche Vorteile die neue Modularität bringt

Produktgestaltung erfolgt mit der Kundenbrille. Konsequent vom Kunden gedachte und auf Kundenbedürfnisse angepasste Produkte bieten für Versicherer neue Vertriebschancen und ein klares Differenzierungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern. Die Diskussionen auf der DKM zu Produkten der Zukunft und die Projekterfahrung von zeb zeigen ein eindeutiges Bild: Die Branche arbeitet intensiv an dem Thema. Erste Anläufe sind genommen und Anlaufschwierigkeiten überwunden. Noch wird in vielen Häusern am letzten Feinschliff gearbeitet. Man darf gespannt sein, welche Versicherer zuerst komplett neue Produktwelten präsentieren. Sie werden die Produktlandschaft grundlegend verändern und neue Kundenzugänge schaffen.

Die Diskussion „Kundenzentrierte Produktentwicklung – Altbekanntes neu verpackt?“ fand auf der DKM 2018 im Themenpark InsurTech, der von der Managementberatung zeb gestaltet wurde, statt.

Über die Autoren: Mirko Theine, Manager, und Gregor Morin, Senior Consultant, verantworten den Themenbereich „Produkte“ bei zeb.

 
Ein Artikel von
Mirko Theine
Gregor Morin