Deutsche Banken denken darüber nach, kostenlose Girokonten abzuschaffen und neue Gebühren einzuführen. Drei von vier Instituten gehen davon aus, dass Gratiskonten vor allem wegen der europäischen Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) ihre Ankerfunktion verlieren. Weil die Kunden ihren Kontozugang für die Dienste anderer Anbieter freigeben können, spiele es kaum noch eine Rolle, wer das Konto führt. Das geht aus dem „Branchenkompass Banking 2019“ von Sopra Steria Consulting und dem F.A.Z.-Institut hervor. Für die Studie wurden 101 Führungskräfte der Bankenbranche befragt.
Mehrere mögliche Preisschrauben
Der Studie zufolge schwinden die Hemmungen angesichts der angespannten Ertragslage höhere Preise durchzusetzen und auch für bislang kostenfreie Angebote Gebühren zu verlangen. Deutsche Verbraucher in Deutschland müssten sich darauf einstellen, dass ihre Bank sie bald zur Kasse bittet. Etwa 30% der Institute wollen Gebühren für ihre Girokonten einführen oder weiter an der Preisschraube drehen. Jede fünfte Bank will zudem mehr für Giro- und Kreditkarten verlangen. Auch Depots für Wertpapiere sollen teurer werden.
Strafzinsen kein Tabu mehr
Auch mit dem umstrittenen Thema Strafzinsen hat sich die Branchenumfrage beschäftigt. Negative Zinsen sind demnach kein Tabu mehr. Weil sie für jeden Euro zahlen müssen, den sie bei der Europäischen Zentralbank verwahren, geben immer mehr Institute diese Kosten an ihre Kunden weiter. 11% der Befragten planen, damit in nächster Zeit zu beginnen. „Der Widerstand gegen Minuszinsen für private Bankguthaben bröckelt“, sagt Tobias Keser, Business Unit Director Banking bei Sopra Steria Consulting. „Nach den institutionellen Anlegern und Unternehmenskunden kriegen jetzt auch die Privatkunden die Folgen negativer Zinsen zu spüren.“
Gewinne brechen weg
Wirklich kostenlose Konten gebe es aufgrund der schwachen Ertragslage ohnehin kaum noch. Der Überschuss ist branchenweit 2018 um fast 40% eingebrochen, bei Großbanken sogar um mehr als 60%. Immer mehr Anbieter haben daher damit begonnen, ihre Kontomodelle umzustellen und einzelne Dienste mit einer Gebühr zu belegen – zum Beispiel für Papierüberweisungen, Girocard oder Telefonservices. „Komplett kostenlos sind meist nur noch Girokonten, die Kunden vor allem online und ohne persönliche Betreuung in der Filiale nutzen“, erklärt Tobias Keser. (mh)
Bild: © Steidi – stock.adobe.com
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