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8. April 2020
InsurTechs und Corona: „Viele Start-ups könnten in Schieflage geraten“

InsurTechs und Corona: „Viele Start-ups könnten in Schieflage geraten“

InsurTechs werden von der Corona-Krise hart getroffen. Wer nicht ausreichend finanziert ist, kommt ins Schleudern, meint Christian Wiens, Gründer der Getsafe GmbH. Er gibt auch Auskunft darüber, ob sich InsurTech-Versicherte nun Sorgen machen müssen und wer gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. Für den Maklerberuf hat er keine gute Botschaft.

Herr Wiens, die Bundesregierung hat in der Corona-Krise Hilfsmaßnahmen für Start-ups gestartet. Wie beurteilen Sie diese und sind sie ein Thema für Getsafe?

Start-ups haben eine besondere Herausforderung: Ihnen sind traditionelle Finanzierungswege verschlossen. Das liegt daran, dass die Geschäftsmodelle als risikoreich gelten. Fast jedes Start-up schreibt in den ersten Jahren rote Zahlen. Die Anschubfinanzierung kommt daher von Wagniskapitalgebern, die jedoch derzeit vor Investitionen zurückschrecken. Viele Start-ups könnten dadurch in eine Schieflage geraten. Insofern ist es ein wichtiges Signal, dass die Bundesregierung auch Wirtschaftshilfen für Start-ups in Aussicht gestellt hat. Der Presse war zuletzt zu entnehmen, dass viele Start-ups die Voraussetzung für den Corona-Schutzschirm nicht erfüllen könnten. Insofern hoffe ich, dass hier nachgebessert wird.

Die Start-ups sind wichtige Treiber der Innovation in Deutschland, und natürlich auch ein wichtiger Arbeitgeber. Was Getsafe angeht, so sind wir in der glücklichen Lage, dass wir finanziell gut aufgestellt sind und starke Investoren als Partner haben. Der März war mit über 10.000 Neukunden der stärkste Monat unserer Firmengeschichte.

Welche Art von InsurTechs sehen Sie in Existenznöten?

Existentiell bedroht sehe ich vor allem unterfinanzierte InsurTechs, da die Finanzierung in den nächsten Monaten einbrechen wird. Einige von ihnen, vor allem Start-ups in einem sehr frühen Stadium, könnten scheitern, weil ihnen der Zugang zu Risikokapital fehlen wird. Wer jetzt kein nachhaltiges Geschäftsmodell vorweisen kann, wird aussortiert. Es steht zu hoffen, dass die Regierung hilft, das große Sterben der Start-ups zu vermeiden und sich auf den Vier-Stufen-Plan, den der Start-up-Verband vorgeschlagen hat, einlässt.

Was heißt das für die Versicherten, die auf Start-ups setzen bzw. gesetzt haben?

Kunden brauchen sich hier keine Sorgen zu machen. Auch Start-ups unterliegen der gleichen Regulatorik wie andere Versicherungsunternehmen mit einer eigenen BaFin-Lizenz. Die meisten InsurTechs sind auf der Risikoseite darüber hinaus durch Kooperationen mit namhaften Rückversicherern gut abgesichert.

Andererseits treibt das Coronavirus die Digitalisierung voran. Führt das etablierte Player des Versicherungsmarktes und InsurTechs näher zusammen? Synergien-Nutzungen und Übernahmen gibt es ja bereits. Oder treibt sie die Entwicklung auseinander?

Die Trennung wird nicht entlang der Linie „InsurTech” oder „traditioneller Versicherer” verlaufen. Es wird solche geben, die die neuen Kundenerwartungen verstehen und auf den Zug aufspringen werden, und es wird einige geben, die diesen Weckruf verschlafen. In einigen Jahren werden wir nicht mehr von InsurTechs und traditionellen Versicherern sprechen, sondern nur noch von technologiegetriebenen Versicherungsunternehmen. Ihnen wird die Zukunft gehören. Die anderen werden aussterben.

Und wo bleiben die Versicherungsmakler?

Ich glaube, dass das Maklergeschäft in fünf Jahren keinen Nachwuchs mehr finden wird. Für die kommenden Generationen ist das Berufsprofil des selbstständigen Versicherungsvermittlers nicht mehr attraktiv. Das wird jetzt schon spürbar. Und auch die Kundenerwartungen wandeln sich. Immer mehr Versicherungsnehmer wollen Verträge unkompliziert digital abschließen und bevorzugen es, sich über Versicherungsdetails selbst zu informieren. Zu diesen neuen Bedürfnissen passt das Maklerkonzept nicht mehr.

Ist Ihr Vorteil jetzt also, dass Sie insbesondere junge Menschen bedienen?

Unser Vorteil ist, dass wir 100% digital funktionieren und Versicherungsprodukte anbieten können, die ohne komplexes Vertrags- und Papierchaos auskommen. Die Getsafe-App macht Versicherung transparent, unmittelbar und bequem. Das haben sich vor Corona vor allem junge Leute zunutze gemacht. Aktuell zeigt sich, dass davon Versicherungsnehmer jeden Alters profitieren können.

Wie sieht dann konkret die Zukunft von Getsafe aus – auf Finanzierungsseite, aber auch vor allem im operativen Bereich?

Momentan erlebt Getsafe einen deutlichen Aufschwung – trotz Krise. Wir wollen natürlich, dass dieses Hoch anhält und das nächste Einhorn werden, also ein InsurTech mit einer Bewertung von über 1 Mrd. US-Dollar. N26 hat es als Neo-Bank vorgemacht, wir machen es als Neo-Versicherung nach. Im Januar haben wir nach UK expandiert, weitere europäische Länder sollen folgen. Um unseren Kunden ein noch besserer Begleiter zu sein, wollen wir unsere App um weitere Services und unser Angebot um neue Produkte erweitern.

Bilder: © HNFOTO – stock.adobe.com; Getsafe GmbH

 
Ein Artikel von
Christian Wiens