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4. Dezember 2023
Fallstricke beim Ausgleichsanspruch

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Wooden scale balancing on seesaw. Concept of harmony and balance in life and work

Fallstricke beim Ausgleichsanspruch

„Bruttodifferenzmethode“

Die erste Thematik betrifft die Ausgleichsberechnung auf Grundlage der sogenannten „Bruttodifferenzmethode“.

Der Gesetzgeber hat in § 89b HGB keine konkreten Berechnungsvorschriften für einen Ausgleichsanspruch geregelt. Er spricht nur von einem Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich. In der Folge wurden durch Branchenverbände die „Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs“ entwickelt, die vielfach für die Berechnung herangezogen und zu weiten Teilen auch agenturvertraglich vereinbart sind. In den Grundsätzen wurden Berechnungsweisen für die Ausgleichsansprüche in den fünf Bereichen Sach, Leben, Kranken, Bausparen und Finanzdienstleistung vereinbart.

Insbesondere im Bereich „Sach“ werden im Rahmen der Mitgliederberatung durch den Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK) jedoch regelmäßig Fehlberechnungen der Versicherer festgestellt, die umgehend beanstandet werden müssen, da sie sich teils drastisch auf die Ausgleichsergebnisse auswirken. Denn regelmäßig wenden Versicherer bei der Berechnung der Ausgleichsansprüche im Bereich „Sach“ immer noch die sogenannte „Bruttodifferenzmethode“ an, obwohl diese nach diverser untergerichtlicher und auch obergerichtlicher Rechtsprechung (siehe Urteile des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth vom 01.03.2013 – Az. 5 HKO 8765/12 und des Oberlandesgericht (OLG) Köln vom 23.10.2015 – Az. 19 U 43/15) unzulässig ist.

Die Problematik ergibt sich bei der Berücksichtigung von Beständen, die nicht selbst vermittelt sind, sondern den jeweiligen Vermittlern zur Betreuung übertragen wurden.

Im Bereich „Sach“ ist Grundlage der Berechnung die durchschnittliche Bestandspflegeprovision der letzten fünf Jahre aus dem selbst vermittelten Geschäft. Bestandsprovisionen aus übertragenem Geschäft werden nach mehr als zehn Jahren nach Übertragung mit 33,33%, nach mehr als 15 Jahren nach Übertragung mit 66,66% und nach mehr als 20 Jahren nach Übertragung mit 100% berücksichtigt. Im Kfz-Bereich erfolgt eine volle Berücksichtigung bereits zehn Jahre nach der Übertragung.

Für die Berechnung der Ausgleichsansprüche werden seitens der Versicherungsunternehmen in der Regel zunächst die Bestandsgrößen herangezogen, die dann mit dem vereinbarten Provisionssatz multipliziert werden. Dieses Verfahren ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Regelmäßig ziehen jedoch die Versicherer in den Ausgleichsberechnungen die nicht zu berücksichtigenden übertragenen Bestände in vollem Umfang, das heißt in der Höhe vom Gesamtbestand ab, in der sie einmal übertragen wurden. Hiermit wird quasi unterstellt, dass sämtliche seinerzeit übertragenen Bestände zum Zeitpunkt der Ausgleichsberechnung noch in voller Höhe vorhanden waren.

Eine derartige Annahme dürfte jedoch völlig realitätsfremd sein und in nahezu allen Fällen zu fehlerhaften Berechnungen von bis zu fünfstelligen, teilweise sogar sechsstelligen Beträgen führen. Denn gerade im Bereich „Sach“ dürfte, insbesondere im Kfz-­Bereich, eine große Fluktuation und ein damit verbundener Bestandsabrieb die Regel sein. Berechnet man den Ausgleichsanspruch nach der „Bruttodifferenzmethode“, würden Bestände und somit Provisionen in Abzug gebracht, die tatsächlich aber gar nicht mehr da sind bzw. geflossen sind. Dies kann jedoch, wie auch bereits mehrfach gerichtlich bestätigt, nicht richtig sein. Sind vom übertragenen Bestand Teilbestände vorher entfallen, fehlt es am Provisionszufluss aus den übertragenen Beständen. Daher kann natürlich nur noch auf den noch vorhandenen übertragenen Restbestand abgestellt werden.

Wie bereits oben erwähnt, hat das OLG Köln durch sein Urteil im Jahr 2015 die gängige Rechtsprechung der Landgerichte bestätigt und die „Bruttodifferenzmethode“ als unzulässig erachtet. Das OLG führte aus, dass es in der Praxis darauf ankomme, in welchem Umfang übertragene Bestände im Berechnungszeitraum noch vorhanden seien. Nur diese dürften nach den Quoten in den Grundsätzen abgezogen werden.

Hinzu kommt, dass nach dem Urteil des OLG Köln zwar grundsätzlich die Vertreter für alle anspruchsbegründenden Tatsachen und somit hinsichtlich der Ausgleichsanspruchsvoraussetzungen beweispflichtig sind, dem Vertreter jedoch regelmäßig die Beweisführung unzumutbar, wenn nicht unmöglich ist. Dies liegt auf der Hand, da dem Vertreter nach Vertragsende keinerlei Bestandslisten oder Geschäftsunterlagen mehr zur Verfügung stehen, aus denen er die Ermittlung der bereits weggefallenen oder noch vorhandenen Bestände nachvollziehen kann. Das OLG Köln hat in dem oben genannten Urteil in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass den Versicherungsunternehmen die Bestände bekannt sind und die Unternehmen daher eine sekundäre Beweislast trifft. Dies dürfte in der Konsequenz des Urteils regelmäßig dazu führen, dass das Versicherungsunternehmen O die notwendigen Informationen liefern muss. Sollte dies dem Unternehmen nicht möglich sein, geht dies zulasten des jeweiligen Versicherungsunternehmens.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Vielzahl von Versicherungsunternehmen trotz der eindeutigen Rechtsprechung an der unzulässigen „Bruttodifferenzmethode“ festhält und somit regelmäßig fehlerhafte Ausgleichsberechnungen zulasten der ausscheidenden Vermittler erstellen. Es ist daher zu empfehlen, Ausgleichsberechnungen unbedingt zu überprüfen und gegebenenfalls zu monieren.

 
Ein Artikel von
Stefan Schelcher