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17. Mai 2019
„BU-Vermittlung in 45 Minuten kann nicht qualitativ hochwertig funktionieren“

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„BU-Vermittlung in 45 Minuten kann nicht qualitativ hochwertig funktionieren“

Im Rahmen des BUV Fachforums haben Sie gemeinsam mit den Teilnehmern in Workshops alle Teilaspekte einer BU-Beratung beleuchtet. Ging es um knifflige Spezialfälle?

Guido Lehberg: In meinem Workshop ging es um die fiktive Kundin Susi Sorgenfrei, die in vier verschiedenen Lebenssituationen zu ihrem Versicherungsmakler kam (als Schülerin, als Azubi, als Studentin und im Beruf stehend). Die Teilnehmer hatten die Versicherungsbedingungen von jeweils zwei Anbietern zur Hand und sollten für die jeweilige Situation den passenden Tarif wählen. Also eigentlich eine alltägliche Situation.

Torsten Breitag: Gerade die Aufbereitung der Gesundheitshistorie ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Im dazugehörigen Workshop habe ich zunächst einfache, fiktive Modellfälle präsentiert, in Folge wurde mit realen, bereits abgeschlossenen und jeweils medizinisch glatt versicherten Fällen gearbeitet. Deutlich wird dabei, dass Interessent, Gesellschaft und Vermittler in einem Boot sitzen. Die Gesellschaft will das Geschäft, der Interessent eine vorteilhafte Annahme und der Vermittler den Lohn für seine Arbeit. Das ist per Definition knifflig.

Das Ziel war, die Risikoprüfer und die Vermittler ins Gespräch zu bringen. Zu beleuchten, unter welchen Voraussetzungen die besten Ergebnisse für alle Beteiligten erreicht werden können. Das hat wieder einmal ganz offen und auf Augenhöhe bestens funktioniert. Wer als Vermittler sauber und ergebnisorientiert arbeitet, braucht auch bei kniffligen Fällen keine Angst vor dem Ergebnis haben. Das dürfte bei allen Teilnehmern angekommen sein.

Können Sie uns ein Beispiel mit komplexer Gesundheitshistorie und die Besonderheiten schildern?

Torsten Breitag: Es beginnt bereits mit der Erhebung der Daten des potenziellen Kunden durch den Vermittler. Hier sind saubere Eingangsfragebögen das Alpha und Omega. Ein geübter Vermittler mit sauberen Gesundheitsfragebögen geht von Anfang an in einen strukturierten Beratungsprozess. Daher habe ich die Kollegen in meinen Fragebögen arbeiten lassen.

Danach lauert ein Grundproblem: Aktenlage (GKV / KAV) und Sichtweise des Kunden können beispielsweise deutlich voneinander abweichen. Hier muss der Vermittler erst beides zusammenzuführen und dann auch noch so sauber aufbereiten, dass der Risikoprüfer in die Lage versetzt wird, eine Entscheidung im Interesse unserer Kunden treffen zu können.

Beispielsweise hatten wir einen Übungsfall, wo eine nicht entdeckte chronische Blinddarmentzündung zu Jahren an Psychotherapie in Folge Erschöpfungserscheinungen geführt hat. Dann missglückte auch noch die vermeintlich einfache Blinddarm-OP, was in Folge mehrere Jahre Probleme im Magen-/Darm-Kontext verursachte. Da kommen schnell viele, viele Seiten Aktenlage zusammen. Trotzdem lassen sich solche Fälle sauber aufbereiten, mit Befunden und Berichten belegen. Am Ende war es eine glatte Annahme von zwei der sechs angefragten Gesellschaften. Diesen realen Fall haben die Teilnehmer unter anderem bearbeitet.

Guido Lehberg: Wie viel Potenzial in einer sauberen Aufbereitung der Gesundheitshistorie steckt, habe ich kürzlich erst wieder gesehen. Es ging um einen Geschäftsführer mit mehreren Vorerkrankungen (Bandscheibenvorfall, Fersensporn, Plantarfaszietitis, Neurodermitis, Knick-Senk-Spreizfuß), der zudem beruflich öfter im außereuropäischen Ausland unterwegs ist und gerne Tauchen geht. Neben einigen Ablehnungen konnte ich den Kunden letztendlich mit einem Ausschluss der Wirbelsäule mit einer BU versichern.

Ich bin mir sicher, dass zwei Gründe dafür ausschlaggebend gewesen sind: zum einen die detailliert zusammengestellte Voranfrage, zum anderen der direkte Draht zu Entscheidern bei den Versicherern, der auch im Rahmen unseres BUV Fachforums entstanden ist.

Wo lauern im Beratungsprozess in der Regel denn die meisten Fallstricke?

Guido Lehberg: Meiner Meinung nach liegt ein elementares Problem darin, dass zu schnell Empfehlungen ausgesprochen werden. Und das, bevor mit dem Kunden überhaupt über seinen individuellen Bedarf gesprochen wurde. Ich erlebe von Neukunden, die schon einmal mit einem anderen Makler Kontakt hatten, oft folgenden Ablauf: „Lieber Kunde, Du brauchst eine BU, ich schicke Dir mal ein Angebot“. Der Kunde bekommt ein Angebot, ohne vorher ausführlich nach seinem Gesundheitszustand oder nach seinem wirklichen Bedarf gefragt worden zu sein. Wenn ich aber die gesamte Story meines Kunden nicht kenne, dann ähnelt meine Empfehlung einem Glücksspiel.

Torsten Breitag: Die saubere, rechtssichere Versicherbarkeit ist für jeden weiteren Schritt die Voraussetzung. Hat man saubere Ergebnisse, ist die Auswahl der passenden Verträge meist vergleichsweise einfach. Effektiv wird ein versierter Vermittler im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung nur mit vier bis sechs Gesellschaften arbeiten. Mehr Gesellschaften mit vernünftiger Risikoprüfung und gleichzeitig individuell passenden Versicherungsbedingungen gibt es im Regelfall gar nicht.

Die größte Herausforderung besteht aus meiner Sicht aber darin, einen heute abgeschlossenen Vertrag über Jahrzehnte an Berufsleben bedarfsgerecht zu halten (technische Ausgestaltung). Hier ist beispielhaft zu nennen, dass die Nachversicherungsobergrenzen im Marktschnitt bereits im Jahr 2004 bei 2.500 Euro lagen, genau wie heute leider auch noch. Gerade hinsichtlich dieser Herausforderungen ist der Markt, sprich Versicherer und Vermittler, aus meiner persönlichen Sicht am schlechtesten aufgestellt.

Im Fokus der Veranstaltung standen ja die Workshops, in denen die Makler gemeinsam BU-Fälle bearbeiten. Nun muss man dabei mitunter auch Wissenslücken preisgeben. Wie erleben Sie hier denn den Umgang unter den Kollegen?

Torsten Breitag: Das ist überhaupt kein Problem. Niemand steht spontan früh morgens auf und ist ein Experte auf seinem Gebiet. Das ist und war allen Teilnehmern immer bewusst. Daher sind die Stichworte „auf Augenhöhe“ und „gemeinsam statt gegeneinander“ maßgebliche Faktoren, die unsere Veranstaltung von anderen unterscheidet. Kurzum: Niemandem wird der Kopf abgerissen und niemand ist bereits perfekt.

Guido Lehberg: Der Umgang untereinander verlief sehr gut. Das Schöne ist aber auch, dass es zum Beispiel bei der Auswahl des richtigen Tarifs anhand der Versicherungsbedingungen durchaus mehrere richtige Lösungen gibt. Niemand musste sich also für eine plausibel argumentierte Meinung schämen. Entscheidend ist eben, dass er sie dem Kunden begründen kann. Dann können sogar zwei unterschiedliche Tarife für denselben Kunden richtig sein.

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Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Harald Johanssen am 17. Mai 2019 - 14:27

Die IST-Situation ist durchaus positiv. . Es ist für viele Menschen möglich eine hochwertige BU-Absicherung zu bekommen.

Der Markt bietet eine ausreichende Zahl an vernünftigen Tarifen. Die Versicherer sollten nur den Kollektivgedanken einer Versicherung nicht aus den Augen verlieren. Die Entwicklung bei der Berufsgruppeneinstufung ist hier nicht förderlich.

Auch auf Vermittlerseite tut sich einiges. Das BUV Fachforum ist das hochwertigste Format, welches ich zum Thema BU jemals besucht habe. Es hebt sich deutlich von Veranstaltungen von Rating- oder Analysehäusern und Versicherungsunternehmen ab. Warum? Weil hier meine geschätzten Kollegen Thorsten Breitag und Guido Lehberg kein eigenes Produkt oder Dienstleistung verkaufen, sondern wirklich einen Mehrwert für alle Beteiligten und vor allem die Kunden bieten. Weiterbildung auf höchstem Niveau. Um das Image der Branche zu verbessern ist dies von elementarer Bedeutung.

Ohne ein Umdenken bei den Kunden wird es aber auch zukünftig immer einen Markt für schlechte Produkte und Vermittler geben. Das Verständnis für eine qualitativ hochwertige Beratung muss gegeben sein. Das beinhaltet die Akzeptanz, das eine gute Beratung entsprechend vergütet werden muss und die Bereitschaft eigene Zeit zu investieren.

Fazit: wenn alle Marktteilnehmer aktiv an guter Qualität mitarbeiten, kann diese weltweit einzigartige und wichtige Absicherung zukünftig weiter bestehen.

Gespeichert von Harald Johanssen am 17. Mai 2019 - 14:27

Die IST-Situation ist durchaus positiv. . Es ist für viele Menschen möglich eine hochwertige BU-Absicherung zu bekommen.

Der Markt bietet eine ausreichende Zahl an vernünftigen Tarifen. Die Versicherer sollten nur den Kollektivgedanken einer Versicherung nicht aus den Augen verlieren. Die Entwicklung bei der Berufsgruppeneinstufung ist hier nicht förderlich.

Auch auf Vermittlerseite tut sich einiges. Das BUV Fachforum ist das hochwertigste Format, welches ich zum Thema BU jemals besucht habe. Es hebt sich deutlich von Veranstaltungen von Rating- oder Analysehäusern und Versicherungsunternehmen ab. Warum? Weil hier meine geschätzten Kollegen Thorsten Breitag und Guido Lehberg kein eigenes Produkt oder Dienstleistung verkaufen, sondern wirklich einen Mehrwert für alle Beteiligten und vor allem die Kunden bieten. Weiterbildung auf höchstem Niveau. Um das Image der Branche zu verbessern ist dies von elementarer Bedeutung.

Ohne ein Umdenken bei den Kunden wird es aber auch zukünftig immer einen Markt für schlechte Produkte und Vermittler geben. Das Verständnis für eine qualitativ hochwertige Beratung muss gegeben sein. Das beinhaltet die Akzeptanz, das eine gute Beratung entsprechend vergütet werden muss und die Bereitschaft eigene Zeit zu investieren.

Fazit: wenn alle Marktteilnehmer aktiv an guter Qualität mitarbeiten, kann diese weltweit einzigartige und wichtige Absicherung zukünftig weiter bestehen.

Gespeichert von Panos Kalantzis am 17. Mai 2019 - 15:32

Im Alltag der BU-Vermittlung gibt es folgende Probleme zu bewältigen:

1. Versicherbarkeit des Kunden unter risikogerechten Bedingungen
2. Auswahl des zum Bedarf des Kunden passenden Bedingungswerks
3. Anpassungsfähige Ausgestaltung der Absicherung

Das BUV Fachforum ist aus meiner Sicht die beste Fachtagung rund um das Thema BU. Hier sprechen wir nicht nur darüber, WAS man tun muss/sollte, sondern auch WIE. Der aktive, respektvolle und konstruktive Austausch mit allen Beteiligten auf Augenhöhe bringt uns weiter. Ich freue mich schon auf die nächste Veranstaltung.

Gespeichert von Markus Lörch am 20. Mai 2019 - 19:24

Es ist ja schön, dass es ein Forum gibt für die BU. Immerhin besser als dies den Herstellern zu überlassen. Aber warum soll eine BU Beratung in 45 minuten nicht gehen ??? Das ist doch alles eine Sache der Organisation. Was erzähle ich dem Kunden, was gebe ich Ihm für Unterlagen an die Hand und was für eine Auffassungsgabe hat der Kunde/Kundin. Ich habe selbst ein Kurzbuch entwickelt, wo man alles gut nachlesen kann, was wichtig ist. Manche Kunden brauchen allerdings etwas länger und zwei oder drei Anläufe. Die medizinische Risikoprüfung hat in der Beratung auch wenig zu suchen, sie muss, wenn machbar im Besten Fall vorab erfolgen. Mit evotum z.B. ist das ohne Probleme machbar. Noch ein Satz zur Nürnberger: Dort hat man sicherlich vieles zum guten hin verändert, es wird aber noch dauern. Die Leistungsabteilung arbeitet besser, es ist aber noch lange nicht so flüssig, wie bei den Top Anbietern. Die Bayerische hat nachgebessert, auch bei den Bedingungen, könnte aber auch hier noch zulegen. Warum man genau diese beiden Gesellschaften zur Ausrichtung eines Fachforums nimmt erschließt sich mir leider nicht so ganz. Ich unterstütze aber diese Initiative ausdrücklich, besser als die Ratinggesellschaften zu hofieren, die sich seit 20 Jahren kaum bewegt haben.