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17. Mai 2019
„BU-Vermittlung in 45 Minuten kann nicht qualitativ hochwertig funktionieren“

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„BU-Vermittlung in 45 Minuten kann nicht qualitativ hochwertig funktionieren“

Anlässlich der zweiten Auflage des BUV Fachforums, das vor Kurzem stattfand, hat AssCompact bei den Veranstaltern Torsten Breitag und Guido Lehberg nachgefragt. Die Versicherungsmakler und BU-Spezialisten geben im Interview Auskunft über Herausforderungen und Qualitätsansprüche in der BU-Vermittlung.

Das Image der Versicherungsbranche ist nicht das Beste. Immer wieder gerät vor allem die Berufsunfähigkeitsversicherung ins Visier von Medien. Was läuft in Ihren Augen schief?

Torsten Breitag: Die Branche ist selbst schuld, über Jahrzehnte standen lediglich Vertrieb und Umsatz im Vordergrund, fachliche Qualifikation ist auch heute noch eine Randerscheinung. Das mag über Jahrzehnte so funktioniert haben. Heute haben wir zunehmend aufgeklärtere und anspruchsvollere Kunden am Markt. Vermittler und Gesellschaften müssen lernen, die Bedürfnisse dieser Kunden zu befriedigen, wenn sie in anspruchsvollen Zielgruppen mitspielen wollen.

Guido Lehberg: Die Branche hat es in den letzten zehn bis 20 Jahren verpasst, die Strategie anzupassen. Früher galt noch das Modell „Verkauf durch Vertrauen“. Heute ist das Interesse für die eigene Vorsorge bei den guten Kunden wesentlich ausgeprägter. Nur wenige Kunden kaufen noch eine Versicherung ohne diese zu hinterfragen. Als wissbegieriger Kunde suche ich allerdings auch einen Vermittler, der mehr Know-how hat, als ich mir selbst im Internet anlesen kann. Leider investieren viele Versicherungsmakler aktuell mehr Geld in Software und Büroausstattung als in Fachschulungen.

Versicherer sollten umdenken, fachlich fundierte Vermittlung stärker unterstützen und weniger Tische mit Gummibärchen auf Messen mieten. Hier hat beispielsweise die Nürnberger gezeigt, wie so etwas laufen kann. Im Rahmen der zweiten Auflage unserer Veranstaltung „BUV Fachforum“ (BUV II) stellte sie uns Räumlichkeiten und Unterstützung in der Organisation zur Verfügung. Und das ohne einen direkten monetären oder werblichen Vorteil davon zu haben.

Neben den Versicherern kommen auch die Makler mitunter nicht gut weg. Wie erleben Sie die Situation?

Guido Lehberg: Der Berufsstand der Versicherungsmakler hat sich in den vergangenen zehn Jahren aus meiner Sicht deutlich gewandelt. Zwar hat sich die Anzahl der Anbieter von Versicherungsprodukten eher reduziert, aber die Anzahl an verfügbaren Produkten ist deutlich gestiegen. Als Makler kann man hier sehr schnell den Überblick verlieren. Ich habe sogar den Eindruck, dass der „Bauchladen“ vieler Marktteilnehmer durch weitere Produkte wie Kapitalanlagen oder Finanzfremde Produkte (z.B. Strom, Gas, Mobilfunk) deutlich gewachsen ist. Da ist es die logische Konsequenz, dass die Qualität der Beratung schnell verwässert werden kann.

Torsten Breitag: Der Vermittlerstatus trifft keine Aussage über Beratungsqualität. Es liegt immer am Vermittler selbst, wie und mit welcher Zielsetzung dieser agiert. Makler haben ob ihrer Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit beste Voraussetzungen hochwertige Vermittlung darzustellen; es nutzen nur die wenigsten. Hier setzen wir mit unserer Arbeitsgemeinschaft BUV Fachforum im kleinen Maßstab an. Das Motto: Gemeinsam kommen wir weiter, als im Spiel gegeneinander. Das bedingt Kollegen, die von sich aus das Beste für ihre Kunden erreichen wollen. Ist diese elementare Voraussetzung gegeben, heißt es lernen, lernen, lernen, wie in jeder anderen anspruchsvollen Branche auch.

Aus Maklersicht ist die Qualität der Beratung ein elementarer Baustein, um einen Beitrag zum besseren Image der Branche zu leisten. An welchen Stellschrauben kann man denn am ehesten ansetzen, um die BU-Beratung zu optimieren?

Torsten Breitag: Das erlebe ich durchaus anders. Das durchschnittliche fachliche Niveau auch unter Maklerkollegen ist erschreckend niedrig. Die Bereitschaft, die Aussage „habe ich schon seit 20 Jahren so gemacht“ zu hinterfragen, geht oftmals gegen null. Genau das ist aber die Voraussetzung. Qualitative BU-Vermittlung bedingt saubere, strukturierte Prozesse. Im Grunde ist eine BU-Vermittlung prozessual betrachtet immer gleich: 1. Aufbereitung der Gesundheitshistorie, 2. Aufbau und Funktionsweise einer BU samt Auswahlkriterien, 3. technische Ausgestaltung. Nur in dieser Reihenfolge kann am Ende ein hochwertiges Ergebnis stehen. BU in 45 Minuten kann einfach nicht qualitativ hochwertig funktionieren.

Aus diesem Grund haben wir auf unserem Workshop in Nürnberg das Augenmerk auf den Beratungsprozess gelegt. Von der Versicherbarkeit bis zum Verständnis für den Leistungsfall.

Guido Lehberg: Die BU-Beratung sollte ein eigenständiger Beratungsprozess werden. Bevor ich Versicherungsmakler geworden bin habe ich mich einem anderen Makler angeschlossen, um von ihm zu lernen. Als wir gemeinsam einen Kunden besucht haben, wurde von diesem Makler eine „ganzheitliche Beratung“ innerhalb von 120 Minuten vorgenommen. PHV, Hausrat, Unfall, Altersvorsorge und BU. Ein für den Kunden gutes Resultat wäre hier ein absoluter Zufallstreffer.

Immerhin habe ich daraus gelernt, dass Beratung und Fokussierung einzelner Themen auch einzeln behandelt werden müssen. Gerade bei einer BU-Versicherung, die in sich ja schon durch mehrere Teile (Aufbereitung der Gesundheits- und Risikodaten, Auswahl des Anbieters, Gestaltung der Absicherung) unterteilt werden sollte.

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Harald Johanssen am 17. Mai 2019 - 14:27

Die IST-Situation ist durchaus positiv. . Es ist für viele Menschen möglich eine hochwertige BU-Absicherung zu bekommen.

Der Markt bietet eine ausreichende Zahl an vernünftigen Tarifen. Die Versicherer sollten nur den Kollektivgedanken einer Versicherung nicht aus den Augen verlieren. Die Entwicklung bei der Berufsgruppeneinstufung ist hier nicht förderlich.

Auch auf Vermittlerseite tut sich einiges. Das BUV Fachforum ist das hochwertigste Format, welches ich zum Thema BU jemals besucht habe. Es hebt sich deutlich von Veranstaltungen von Rating- oder Analysehäusern und Versicherungsunternehmen ab. Warum? Weil hier meine geschätzten Kollegen Thorsten Breitag und Guido Lehberg kein eigenes Produkt oder Dienstleistung verkaufen, sondern wirklich einen Mehrwert für alle Beteiligten und vor allem die Kunden bieten. Weiterbildung auf höchstem Niveau. Um das Image der Branche zu verbessern ist dies von elementarer Bedeutung.

Ohne ein Umdenken bei den Kunden wird es aber auch zukünftig immer einen Markt für schlechte Produkte und Vermittler geben. Das Verständnis für eine qualitativ hochwertige Beratung muss gegeben sein. Das beinhaltet die Akzeptanz, das eine gute Beratung entsprechend vergütet werden muss und die Bereitschaft eigene Zeit zu investieren.

Fazit: wenn alle Marktteilnehmer aktiv an guter Qualität mitarbeiten, kann diese weltweit einzigartige und wichtige Absicherung zukünftig weiter bestehen.

Gespeichert von Harald Johanssen am 17. Mai 2019 - 14:27

Die IST-Situation ist durchaus positiv. . Es ist für viele Menschen möglich eine hochwertige BU-Absicherung zu bekommen.

Der Markt bietet eine ausreichende Zahl an vernünftigen Tarifen. Die Versicherer sollten nur den Kollektivgedanken einer Versicherung nicht aus den Augen verlieren. Die Entwicklung bei der Berufsgruppeneinstufung ist hier nicht förderlich.

Auch auf Vermittlerseite tut sich einiges. Das BUV Fachforum ist das hochwertigste Format, welches ich zum Thema BU jemals besucht habe. Es hebt sich deutlich von Veranstaltungen von Rating- oder Analysehäusern und Versicherungsunternehmen ab. Warum? Weil hier meine geschätzten Kollegen Thorsten Breitag und Guido Lehberg kein eigenes Produkt oder Dienstleistung verkaufen, sondern wirklich einen Mehrwert für alle Beteiligten und vor allem die Kunden bieten. Weiterbildung auf höchstem Niveau. Um das Image der Branche zu verbessern ist dies von elementarer Bedeutung.

Ohne ein Umdenken bei den Kunden wird es aber auch zukünftig immer einen Markt für schlechte Produkte und Vermittler geben. Das Verständnis für eine qualitativ hochwertige Beratung muss gegeben sein. Das beinhaltet die Akzeptanz, das eine gute Beratung entsprechend vergütet werden muss und die Bereitschaft eigene Zeit zu investieren.

Fazit: wenn alle Marktteilnehmer aktiv an guter Qualität mitarbeiten, kann diese weltweit einzigartige und wichtige Absicherung zukünftig weiter bestehen.

Gespeichert von Panos Kalantzis am 17. Mai 2019 - 15:32

Im Alltag der BU-Vermittlung gibt es folgende Probleme zu bewältigen:

1. Versicherbarkeit des Kunden unter risikogerechten Bedingungen
2. Auswahl des zum Bedarf des Kunden passenden Bedingungswerks
3. Anpassungsfähige Ausgestaltung der Absicherung

Das BUV Fachforum ist aus meiner Sicht die beste Fachtagung rund um das Thema BU. Hier sprechen wir nicht nur darüber, WAS man tun muss/sollte, sondern auch WIE. Der aktive, respektvolle und konstruktive Austausch mit allen Beteiligten auf Augenhöhe bringt uns weiter. Ich freue mich schon auf die nächste Veranstaltung.

Gespeichert von Markus Lörch am 20. Mai 2019 - 19:24

Es ist ja schön, dass es ein Forum gibt für die BU. Immerhin besser als dies den Herstellern zu überlassen. Aber warum soll eine BU Beratung in 45 minuten nicht gehen ??? Das ist doch alles eine Sache der Organisation. Was erzähle ich dem Kunden, was gebe ich Ihm für Unterlagen an die Hand und was für eine Auffassungsgabe hat der Kunde/Kundin. Ich habe selbst ein Kurzbuch entwickelt, wo man alles gut nachlesen kann, was wichtig ist. Manche Kunden brauchen allerdings etwas länger und zwei oder drei Anläufe. Die medizinische Risikoprüfung hat in der Beratung auch wenig zu suchen, sie muss, wenn machbar im Besten Fall vorab erfolgen. Mit evotum z.B. ist das ohne Probleme machbar. Noch ein Satz zur Nürnberger: Dort hat man sicherlich vieles zum guten hin verändert, es wird aber noch dauern. Die Leistungsabteilung arbeitet besser, es ist aber noch lange nicht so flüssig, wie bei den Top Anbietern. Die Bayerische hat nachgebessert, auch bei den Bedingungen, könnte aber auch hier noch zulegen. Warum man genau diese beiden Gesellschaften zur Ausrichtung eines Fachforums nimmt erschließt sich mir leider nicht so ganz. Ich unterstütze aber diese Initiative ausdrücklich, besser als die Ratinggesellschaften zu hofieren, die sich seit 20 Jahren kaum bewegt haben.