Interview mit Prof. Dr. Christian Klein, Fachgebietsleiter Nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität Kassel
Lieber Herr Klein, was empfinden Sie spontan beim Begriff Greenwashing?
Der Begriff „Greenwashing“ ist ganz bestimmt das Buzzword der Stunde. Allerdings bekomme ich bei dem Begriff Bauchgrummeln, denn der Begriff Greenwashing ist überhaupt nicht definiert und wird gegenwärtig inflationär verwendet.
Was genau ist denn unter Greenwashing zu verstehen?
Aus Sicht der Wissenschaft bedeutet Greenwashing, das Geschäftsmodell entweder grüner darzustellen, als es wirklich ist, oder mit dem nachhaltigen Teil des Geschäftsmodells die nicht-nachhaltigen Anteile zu überdecken. Die entscheidende Frage ist: Wo fängt Greenwashing – also die Grenze zum Betrug – an und wo gilt das Geschäftsmodell gerade noch als nachhaltig? Viele der gegenwärtigen Diskussionen drehen sich eben genau um diese „hellgrünen“ Geschäftsmodelle, die aus dem streng nachhaltigen – „dunkelgrünen“ – Milieu angeprangert werden. Beim Blick auf die unterschiedlichen Ansichten bei „sustainable finance“ verwundert das allerdings nicht …
… dann lassen Sie uns doch über die Ansichten von „sustainable finance“ diskutieren.
Aus meiner Sicht existieren dazu zwei Definitionen, die zwar beide richtig, aber komplett unterschiedlich sind. Die erste: Ich richte mit meiner Investition keinen weiteren Schaden an, also ich investiere in Unternehmen, deren Geschäftsmodell zu meinen Nachhaltigkeitsvorstellungen passt. Die zweite: Ich erziele mit meiner Investition einen direkten Impact, also ich investiere nur in Aktivitäten, die beispielsweise der Atmosphäre nachweislich CO2 entziehen. Greenwashing-Vorwürfe entstehen nun dadurch, dass diese beiden Definitionen nicht konsequent auseinandergehalten werden. Denn aus Sicht der zweiten Definition ist ein Investment gemäß der ersten Definition natürlich immer Greenwashing, obwohl beide per se für „sustainable finance“ stehen können.
Warum überhaupt funktioniert Greenwashing?
Ich bin mir unsicher, ob Greenwashing funktioniert. Letztes Jahr ereigneten sich mehrere mediale Greenwashing-Vorfälle, darunter auch bei einem bekannten Vermögensverwalter. Allein durch das Auftauchen dieser Vorwürfe verlor der Asset-Manager innerhalb nur eines Tages 1 Mrd. Euro an Börsenwert, ohne dass der Vorfall die operative Geschäftstätigkeit des Fondsanbieters überhaupt geschädigt hat. Finanzmärkte strafen also Greenwashing bereits knallhart ab! Diese Gefahr ist den Investmentgesellschaften sehr bewusst, sodass bei dem Thema mittlerweile besonders vorsichtig agiert wird. Auch die mediale Aufmerksamkeit beim Thema Greenwashing signalisiert den Märkten: Das Thema wird beobachtet und diese Praxis gehört abgeschafft.
Seite 1 „Finanzmärkte strafen Greenwashing knallhart ab!“
Seite 2 Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, Erdgaskraftwerke als nachhaltige Form der Energieerzeugung zu klassifizieren. Betreibt die Kommission damit Greenwashing?
Seite 3 Gesetzgeber und Öffentlichkeit fordern eine zügige Umlenkung von Finanzströmen. Ist es nun die neue Hauptaufgabe der Branche, die Welt zu einem besseren und lebenswerteren Ort zu machen?
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