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19. August 2022
„Immobilien sind keine perfekte Absicherung“

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„Immobilien sind keine perfekte Absicherung“

Können Immobilieninvestments vor der Inflation schützen? Wie sind die Aussichten in den unterschiedlichen Segmenten? Und welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit für Investoren? AssCompact hat nachfragt bei José Pellicer, Head of Investment Strategy bei M&G Real Estate.

Herr Pellicer, die Inflation, die unsichere politische Lage und die Energiekrise – wie erleben Sie derzeit die Lage auf dem Immobilienmarkt?

Das ist nicht anders als bei anderen Anlageklassen. Der inflationsbedingte Anstieg der Zinssätze und der risikofreien Zinssätze bedeutet, dass ein Abschlag auf die Bewertung aller Vermögenswerte (einschließlich Immobilien) jetzt höher ist. Daher besteht ein Abwärtsdruck auf die Bewertungen. Eine Ausnahme bilden die Sektoren, die ausdrücklich an die Inflation gekoppelt sind, wie bestimmte Arten von Wohn- und Gewerbeimmobilien mit einer an die Inflation gekoppelten Mietstruktur.

Wie können Immobilieninvestments vor der aktuellen Inflation schützen?

Traditionell gelten Immobilien als Absicherung gegen die Inflation. In Wirklichkeit bieten sie zwar einen gewissen Schutz, sind aber keine perfekte Absicherung. In der Tat ist es selten, dass eine Bewertungsänderung perfekt an die Inflation gekoppelt ist. Um einige Beispiele zu nennen: Wenn wir ein Bürogebäude verwalten, das nur zu 80% vermietet ist, wäre dies keine Absicherung gegen die Inflation, da 20% des Gebäudes keine Erträge abwerfen. Und wenn wir mit einem gewerblichen Mieter über einen Mietvertrag verhandeln, können wir die Miete vielleicht nicht genau um die Inflationsrate erhöhen. Dies hängt vom Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Markt ab.

Betrachtet man jedoch die historischen Daten, so zeigt sich, dass das Einnahmenwachstum bei Immobilien langfristig leicht mit der Inflation korreliert. Ich möchte jedoch noch einmal betonen, dass ich von dem Anstieg der Einnahmen und nicht von einem Anstieg der Bewertung spreche.

Nun sind die Baukosten zuletzt explodiert, zudem herrschen Materialknappheit und Handwerkermangel. Rechnen Sie damit, dass sich die Situation weiter verschärft?

Nicht alles an den steigenden Baukosten ist schlecht. Höhere Kosten bedeuten, dass viele Projekte nicht mehr wirtschaftlich rentabel sein werden. Daher dürfte das Angebot in den nächsten drei bis vier Jahren geringer ausfallen. Dies wird dazu führen, dass neue, qualitativ hochwertige Flächen mit dem entsprechenden ESG-Standard knapper werden – und das ist eindeutig eine Chance. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Es gibt bereits einige Anzeichen dafür, dass sich die Lage etwas entspannt, auch wenn dies noch einige Zeit dauern wird. Der Anstieg der Zinssätze hat sich noch nicht wesentlich auf die Beschäftigung ausgewirkt.

Wie sind denn die Aussichten in den unterschiedlichen Segmenten? Und welche Bereiche haben nach wie vor zu kämpfen?

Wie viel Zeit haben Sie? Der Hotelsektor ist ein sehr interessanter und widerstandsfähiger Sektor, der während der Corona-Pandemie stark gelitten hat, sich jetzt aber erholt. Unterschätzen Sie aber dennoch nicht die Risiken, mit denen der Sektor im Falle einer Rezession konfrontiert werden würde.

Logistik ist nach wie vor ein beliebter Sektor für Investoren, aber – und das ist in vielen europäischen Ländern der Fall – wenn es vor zwei Jahren zehn Bieter für ein Geschäft gab, gibt es heute nur noch einen oder zwei Bieter. Die Kapitalisierungssätze sind so stark gesunken, dass eine Transaktion angesichts des derzeit erwarteten Zinsniveaus nur schwer zu realisieren ist. Dies ist ein Problem in Deutschland. Die Spitzenrenditen für Logistikimmobilien in den großen Städten Berlin, Hamburg, München und Frankfurt am Main lagen Ende des ersten Quartals in vielen Fällen unter 3%. Sie stehen jetzt unter Aufwärtsdruck.

Der Bürosektor befindet sich noch im Übergang zu der Ära des flexiblen Arbeitens. Wir sind jedoch der Meinung, dass flexible, gut gelegene, gut angebundene und energieeffiziente Spitzenbüroflächen in großen städtischen Zentren, die den heutigen Anforderungen an ein hybrides Arbeiten entsprechen, der steigenden Inflation am besten standhalten werden.

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