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22. Juni 2022
„MSCI World für Privatanleger kein passendes Investmentvehikel“

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„MSCI World für Privatanleger kein passendes Investmentvehikel“

Welche Vorteile bietet ihr Ansatz gegenüber einem simplen Portfolio aus 70% MSCI World und 30% MSCI Emerging Markets, wie es üblicherweise von Verbraucherschützern empfohlen wird?

Zum einen wird die bereits zuvor angesprochene Übergewichtung der USA vermieden. Zum anderen bleiben wir mit unserem Research in puncto Nachhaltigkeit immer am Ball und entlasten dadurch den Anleger. Wenn nachhaltigere Ansätze auf den Markt kommen, tauschen wir die ETFs aus. Und der dritte Vorteil ist der Schutzschirm, den wir in bestimmten Marktphasen für unsere Kunden aufspannen.

Worum handelt es sich dabei?

Ich sage immer: Wenn im Sommer dunkle Wolken aufziehen, sollte man für die Grillparty lieber noch einen Plan B haben. Und genau das haben wir für unsere Anleger. Wenn wir dunkle Wolken am Börsenhimmel aufziehen sehen, verkaufen wir die Aktien-ETFs und kaufen stattdessen Anleihen-ETFs. Gerade in den letzten Monaten hat sich das als ein Segen für unsere Kunden herausgestellt.

Wie stark haben Sie die Aktienquote gesenkt?

Das ist auch wieder von der Region abhängig. Wir haben uns in puncto Aktien-ETFs im November komplett aus den USA und Europa zurückgezogen. Seit Anfang März sind wir in den USA wieder investiert. In Europa greift der Schutzschirm aktuell jedoch noch. Da stehen wir an der Seitenlinie [Stand: 17.05.2022]. Unsere Kunden mussten deshalb weniger Wertschwankungen in ihren Depots in Kauf nehmen. Und auch die Rendite kann sich sehen lassen. Wir hatten am Ende des ersten Quartals nur Verluste von maximal –2% zu verbuchen. Je nach Marktvergleich entspricht das einem Alpha von vier bis sieben Prozentpunkten.

Trauen Sie sich zu, derart verlässlich kritische Börsenphasen aus­zumachen? Falls Sie eines Tages durch das Stehen an der Seitenlinie ein paar Aufschwünge verpassen, ist Ihre Performance doch im Nu wieder ruiniert.

Wenn ich das Gefühl nicht aushalten könnte, mich unter Umständen zu irren, dürfte ich den Job nicht machen. Meine Erfahrung aus über 20 Jahren Portfoliomanagement ist: Eigentlich ist unsere Situation mit der von Odysseus vergleichbar, der an den Sirenen vorbeisegelt. Im Prinzip wissen wir, wie die Dinge liegen und wie wir uns verhalten sollten. In Echtzeit ist es aber schwierig, entsprechend zu handeln. Manchmal gibt mir der von mir konzipierte Algorithmus Verhaltensweisen vor, die meinem eigenen Bauchgefühl und den Sirenengesängen der anderen Marktteilnehmer zuwiderlaufen. Zum Beispiel kurz nach dem Corona-Crash, als der Algorithmus einen starken Aufschwung prognostiziert hatte. Es hat sich nicht gut angefühlt, aber es war die richtige Entscheidung. Dazu sei aber gesagt: Auch wir haben natürlich nicht den perfekten Mechanismus gefunden – denn den gibt es nicht – und es wird Rückschläge geben. Aber vor den ganz großen Einbußen wollen wir unsere Kunden bewahren.

Wenn Ihr Sicherungsmechanismus greift, könnte die Aktienquote also auch bei Grüne Welt 100 auf null fallen?

Theoretisch möglich. Aber das gab es selbst in der Rückrechnung noch nie. Die ein oder andere Region zeigt doch immer wieder eine positive Tendenz.

Wie sieht es eigentlich mit Small Caps aus? Den Titeln kleinerer Unternehmen wird die sogenannte Size-Prämie zugeschrieben, wodurch sich langfristig mehr Ertrag generieren lassen sollte. Bilden Sie auch derartige Nebenwerte ab?

Das ist in der Tat ein Bereich, den wir momentan noch nicht abdecken können. Wir haben aber ETFs im Auge, die vor Kurzem aufgelegt wurden. Sie bilden solche Small Caps zumindest global ab – also als MSCI World. Wir überlegen derzeit, wie wir das in unseren Ansatz integrieren können. Eine höhere Small-Cap-Quote wäre uns auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten willkommen, weil die kleineren Unternehmen mehr neue Ideen und öfter nachhaltige Produkte auf den Markt bringen als größere Anbieter. Insofern wäre es uns sehr recht, wenn wir diesen Mosaikstein in puncto Nachhaltigkeit ebenfalls berücksichtigen können. Vielleicht wird das im kommenden Jahr schon möglich sein.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2022, S. 56 f., und in unserem ePaper.

Bild: © panthesja – stock.adobe.com

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Ein Interview mit
Dr. Stefan Klotz