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28. Juli 2022
Agrarversicherung: Schutz auf individuellen Betrieb abstimmen

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Agrarversicherung: Schutz auf individuellen Betrieb abstimmen

Vermehrt leisten manche Bundesländer staatliche Unterstützung beim Versicherungsschutz, insbesondere im Obst- und Weinbau. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Mittlerweile hat die Politik die Systemrelevanz der Landwirtschaft und die Notwendigkeit eines relevanten Selbstversorgungsgrades erkannt. Bereits seit einigen Jahren engagieren sich einige Bundesländer in der Mitfinanzierung des wetterbedingten Versicherungsschutzes. Dies gilt mittlerweile auch für den Gemüsebau. Ich halte diese Lösung für eine der besseren Optionen: Sie stellt auf den konkreten Betrieb ab, erstattet zum Beispiel 50% der für sein Risiko erforderlichen Versicherungsprämie. Mit diesem Modell werden sowohl Unternehmen als auch Versicherer in die Lage versetzt, regional bedarfsgerecht zu kalkulieren und die Kalkulation alle drei bis fünf Jahre am konkreten Bedarf zu orientieren.

Der Ukraine-Krieg hat rasch Einfluss auf den deutschen Agrarsektor genommen. Die Kriegsparteien gelten als große Weizenproduzenten, die Preise explodieren. Was bedeuten die Kriegsfolgen für den Versicherungsschutz bei Agrarbetrieben?

Es „explodieren“ sowohl Preise als auch Kosten. Das bedeutet, dass die Höhe der versicherten Positionen „auf dem Acker“ und im Betrieb überprüft werden müssen, um einerseits eine Unterversicherung zu vermeiden, andererseits bei Erstrisikopositionen aufgrund der steigenden Kosten und Erlöse nicht in teilweise erhebliche Deckungslücken zu geraten.

Auch durch Rückwirkungsrisiken wie Lieferverzögerungen oder Materialengpässe, zum Beispiel bei ausbleibendem Dünger, drohen den Agrarbetrieben schnell große Schäden. Wie ist hier die Lage der Dinge?

Diese Art der Rückwirkungsrisiken war bisher kein Thema in den Agrarbetrieben. Deckungen sind nicht verbreitet und würden häufig bereits am Grund der Rückwirkung scheitern. Bei unseren Rückfragen hinsichtlich Düngemittel sahen die Betriebe aktuell keine Probleme in der Menge, jedoch im Preis. Hier wird die Entwicklung in den nächsten Monaten abzuwarten sein, da ein komplettes Gas-Embargo ohne ausreichende Alternativen zum Aus für die Düngemittelproduktion führen würde. Alternativen wie Gründüngung oder Düngung mit Mist und Gülle führen nur begrenzt zu guten Lösungen und sind auch nicht in allen Regionen verfügbar bzw. werden zur Energieerzeugung eingesetzt. Bedrohlich sieht es teilweise auch bei der Ersatzbeschaffung dringend benötigter Maschinen aus, die die Hersteller aufgrund fehlender Bauteile nicht fertigstellen können.

Die Anpassung der Versicherungswerte an aktuelle Marktpreise verlangt auch angesichts der galoppierenden Inflation deutlich höhere Deckungssummen. Wie reagiert denn die Prämienentwicklung seitens der Versicherer darauf?

Die Versicherungsprämien erhöhen sich eins zu eins mit den Versicherungssummen. Mit irgendwelchen krisenbezogenen Nachlässen oder Rabatten auf die Prämie ist nicht zu rechnen, da die Versicherungswirtschaft im Bereich Agrar derzeit grundsätzlich mit Prämienerhöhungen im Markt unterwegs ist.

Können Sie auch eine Verschärfung bei den Vertragskonditionen seitens der Versicherer feststellen?

Diese Verschärfung begann bereits seit Ende 2020 – die Agrarversicherer argumentieren mit langjährig gestiegenen Kosten bei Schaden, die das Ergebnis erheblich belasten. Man arbeitet einerseits an der Erhöhung der Prämiensätze, andererseits an der Verteilung größerer Risiken auf mehrere „Schultern“ im Zuge von Beteiligung weiterer Versicherer an den Hauptsparten Gebäude, Inhalt usw. Ein weiterer Weg ist die Vereinbarung von Höchstentschädigungen bei Schaden, die bei kleineren Risiken kaum Relevanz haben, bei größeren Risiken jedoch zu erheblichen Deckungslücken führen können.

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Ein Interview mit
Peter J. O. Bartz