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16. Juli 2022
Aktive Fondsmanager werden nicht fürs Kuscheln bezahlt
Back view of thoughtful bearded young businessman sitting and woking with graph and charts on computer

Aktive Fondsmanager werden nicht fürs Kuscheln bezahlt

Erfolgreiches aktives Management und „Index-Hugging“ schließen sich gegenseitig aus, meint Florian Koch. Der Experte für den Vergleich von passiven und aktiven Anlagestrategien erläutert im Interview, wieso Fondsmanager etwas riskieren müssen, um ihre Vergütung zu rechtfertigen.

Interview mit Florian Koch, Senior Investment Analyst bei Scope Analysis
Herr Koch, 2021 haben nur knapp 30% der aktiv gemanagten Fonds ihren Vergleichsindex geschlagen. Das ist einer Studie aus Ihrem Haus zu entnehmen. Können Vermittler ihren Kunden überhaupt noch guten Gewissens aktive Fonds nahelegen?

Lassen Sie mich erst kurz darauf hinweisen, dass wir die aktiven Strategien nicht gegen ihre jeweilige Benchmark antreten lassen, sondern, wie Sie richtig sagten, gegen einen Vergleichsindex. Ein bedeutender Unterschied. Wir bei Scope nehmen uns für die Studie die Freiheit zu entscheiden, welcher Vergleichsindex für welche Fonds-Peergroups der passende ist.

Nun aber zu Ihrer Frage: Zwar schaffte es 2021 nur ein Drittel der Fondsmanager, den Markt zu schlagen, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Der Erfolg aktiver Anlagestrategien ist stark vom jeweiligen Markt abhängig, in dem die Fonds tätig sind. Es gibt Kategorien, in denen aktive Ansätze Sinn ergeben, und andere, in denen es kaum ein Fondsmanager schafft, den Vergleichsindex zu schlagen.

Sind die Benchmarks, die sich das Fondsmanagement wählt, größtenteils deckungsgleich mit Ihrem Vergleichsindex oder gibt es Abweichungen?

Es gibt schon deutliche Abweichungen. Manchmal kommt es sogar vor, dass man sich als Analyst fragt, ob das wirklich die passende Benchmark sein kann. Beispielsweise erinnere ich mich an einen Fonds, der sich mit einer Benchmark von 50% Cash und 50% MSCI World verglichen hat. Und da scheint es dann doch zumindest unwahrscheinlich, dass ein aktiver Fonds wirklich regelmäßig mit einer Cash-Quote von 50% arbeitet.

Grundsätzlich ist die Transparenz in der Fondsbranche in den letzten Jahren aber weiter gewachsen. Investoren sind heute bereit, über Vergleichsportale wie den Scope Explorer selbst zu recherchieren und nach einem guten Investment Ausschau zu halten. Damit helfen wir bei Scope, den Fondsmarkt durchsichtiger zu machen.

Wo lief es denn für aktive Fondsmanager gar nicht gut 2021?

Beispielsweise in den USA. Die Vereinigten Staaten weisen einen sehr effizienten Kapitalmarkt auf. Das macht die USA für aktive Fondsmanager zu einem schwierigen Pflaster – besonders bei längerfristigen Zeiträumen. In den letzten Jahren mussten Fondsmanager Technologietitel noch weiter übergewichten, um Benchmarks wie den ohnehin schon technologielastigen S&P 500 zu schlagen. Dazu gehört dann eine gehörige Portion Mut und Überzeugung; aber das ist ja auch der Grund, wofür Anleger einen aktiven Fondsmanager bezahlen. O

Oder sehen wir uns das Beispiel des MSCI World an. Hier kommen US-Titel auf ein Gewicht von fast 70%. Da die USA aber in den letzten Jahren bombastisch gelaufen sind, hätten global anlegende Fondsmanager die Quote an US-Aktien noch weiter erhöhen müssen, um den MSCI World zu schlagen. Mehr als 70% USA! Ein Risiko, das nur wenige Fondsmanager bereit waren einzugehen. Nur 13,6% der aktiven Anlagestrategien haben hier den Vergleichsindex geschlagen.

Sie haben die schlechte Performance der aktiven Fondsmanager gerade mit dem effizienten Kapitalmarkt der USA begründet. In Deutschland konnten aber immerhin 55% der aktiven Fonds den Vergleichsindex schlagen. Ist der deutsche Markt so ineffizient?

2021 war für den deutschen Kapitalmarkt ein außergewöhnliches Jahr. Im ersten Halbjahr schlugen sich aktive Fonds nicht besonders gut. Im zweiten Halbjahr hat sich das gedreht. Die Aussicht auf ein Ende der Corona-Pandemie hat gerade die im DAX stark vertretene Old Economy beflügelt. Genau die Titel, die im ersten Halbjahr noch schlecht abgeschnitten hatten. Im Gegensatz zu den Vorjahren sind auch Small Caps im letzten Jahr relativ zu Standardwerten nicht gut gelaufen.

Aktive Fondsmanager, die die Neuausrichtung zur Jahresmitte weg von Wachstumswerten hin zu Value-Titeln nicht verpasst und gleichzeitig tendenziell auf Large Caps gesetzt haben, hatten dementsprechend gute Chancen, den Vergleichsindex zu schlagen.

Grundsätzlich ist aber doch bekannt, dass Small Caps langfristig eine höhere Rendite erwarten lassen. Stichwort: Size-Faktor. Müssten aktive Manager nicht grundsätzlich dazu in der Lage sein, ihren Vergleichsindex zu schlagen, wenn sie Faktorprämien wie Size systematisch ausnutzen?

Langfristig laufen in Deutschland Werte aus der zweiten oder dritten Reihe tatsächlich besser als die DAX-Titel. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass gerade in Krisenzeiten kleine Unternehmen oftmals überproportional leiden, da sie meist in Nischen­bereichen tätig sind. Krisenresistenter sind Unternehmen, die ein breiteres Produktangebot aufweisen. Es gibt auch Strategien, die auf Small, Mid und Large Caps setzen und dann je nach wirtschaftlicher Gesamtsituation umschichten. Was da die bessere Strategie ist, lässt sich nicht pauschal beantworten.

Wie sieht es denn mit weniger effizienten Märkten wie Emerging oder Frontier Markets aus?

Diese Kapitalmärkte sind nicht so effizient und viele dort aktive Unternehmen sind weithin unbekannt. Aktive Manager, die auf der Suche nach Aktien sind, die zwar nicht im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, aber dennoch sehr gute Arbeit abliefern, können in den Schwellenländern fündig werden. Das spiegelt sich auch in unserer Studie wider. In der Ostasien-Pazifik-Region ohne das Industrieland Japan haben aktive Strategien besonders gut abgeschnitten.

Meine Beobachtung ist die, dass sich gerade in multinationalen Kategorien ein aktiver Ansatz besonders lohnen kann.

Weshalb ist das so?

In einer Kategorie wie Ostasien-Pazifik geht es nicht nur um die Selektion der Unternehmen, sondern auch um die Allokation in einzelnen Regionen dieser Kategorie. Die Königsdisziplin dabei ist abzuschätzen, in welchen Ländern voraussichtlich besonders starkes Wachstum stattfinden wird, und dann auf diese Märkte zu setzen. Ein Fondsmanager, der beispielsweise bullish für Taiwan ist, entscheidet, den Taiwan-Anteil in seinem Portfolio zu erhöhen. Erst im Anschluss macht er sich dann an die Unternehmensselektion.

Was wiegt im Hinblick auf die Rendite schwerer: Allokation oder Unternehmensselektion?

Die Performance wird über die Allokation gemacht. Im letzten Jahr war es beispielsweise von Vorteil, China nicht überzugewichten. Da China im Vergleichsindex für Ostasien-Pazifik ein enormes Gewicht hat, konnte man den Index mit einem geringeren China-Anteil recht zuverlässig schlagen.

Genau das sollten Anleger auch von einem aktiven Management erwarten. Es ist die Aufgabe des Fondsmanagers, sich eine Meinung über den Markt zu bilden und dementsprechend auch die Ländergewichtung anzupassen – und zwar nicht nur ein bisschen. Die sogenannten Index-Hugger, die im Vergleich zum Index ein bisschen über- oder untergewichten und sich dadurch eine Outperformance versprechen, können sich kaum Hoffnung auf Erfolg machen. Und das ist auch nicht das, wofür ein aktiver Manager bezahlt wird.

Wie sieht es mit noch weniger entwickelten Märkten aus – den sogenannten Frontier Markets?

In unserer Studie wurde nicht zwischen Schwellenländern und Frontier Markets unterschieden. Aber es ist tatsächlich so, dass Länder, zu deren Märkten und Unternehmen weniger Analysen vorliegen, sowohl deutlich höhere Risiken als auch deutlich höhere Chancen bieten. Genau in solchen Szenarien können aktive Strategien ihre Vorzüge ausspielen.

Macht es auf solchen Märkten einen Unterschied, ob es sich um einen großen Fonds oder eher das Nischenprodukt einer Fonds-Boutique handelt?

Da gibt es definitiv eine Volumenbegrenzung. Milliardenfonds tun sich in solchen Märkten schwer. Die ausgewählten Papiere müssen schließlich auch in großem Umfang handelbar sein. Weniger entwickelte Märkte lassen sich nicht mit Handelsplätzen wie Deutschland oder den USA vergleichen. Kleinere Fonds haben oftmals unter solchen Umständen bessere Karten.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2022 und in unserem ePaper.

Bild: © Drobot Dean – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Florian Koch