Die anhaltende Niedrigzinsphase belastet auch die betriebliche Altersversorgung. Experten zufolge dürfte sich angesichts der Corona-Krise so schnell nichts an der Zinssituation ändern. In den vergangenen Monaten wurde viel über die Finanzierbarkeit jahrzehntelang gewährter Garantien diskutiert. So fordern Aktuare weniger Garantien in der bAV. Mit dem Sozialpartnermodell wurde vor über drei Jahren ein Paradigmenwechsel in der bAV angestoßen und eine „neue“ bAV-Welt auf den Weg gebracht. Seit dem Ausrollen der „reinen Beitragszusage“ gibt es eine bAV-Gestaltung, mit der weder Arbeitgeber noch externe Versorgungsträger Begünstigten eine Garantie über die Höhe der Betriebsrente aussprechen dürfen.
Bislang konnte sich das Sozialpartnermodell allerdings nicht etablieren. Nach wie vor lässt das erste Sozialpartnermodell auf sich warten, auch wenn sich nun die Anzeichen verdichten, dass die ersten Modelle in den Startlöchern stehen sollen. Doch was bedeutet dies für die klassischen Ausgestaltungsformen der betrieblichen Altersversorgung, die „alte“ bAV-Welt? Und wie steht es allgemein um die künftige Relevanz der bAV?
Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung wird steigen
Im Rahmen der Studie „Betriebliche Altersversorgung in der Transformation“ hat Deloitte gemeinsam mit der V.E.R.S. Leipzig GmbH bei 21 Lebensversicherungen, Run-off-Plattformen und einer Pensionskasse um Einschätzungen zur Entwicklung der bAV gebeten. Die teilnehmenden Vorstände und Spezialisten der Unternehmen messen der bAV aktuell für den erweiterten Markt der Lebensversicherungen eine große bis sehr große Bedeutung bei. Die Mehrheit geht davon aus, dass die Bedeutung der bAV für das eigene Unternehmen in den nächsten fünf Jahren zunehmen wird.
bAV-Anteil am LV-Neugeschäft mittelfristig bei über 20%
Zwei Drittel derjenigen, die den bAV-Anteil ihrer Lebensversicherung am Neugeschäft beziffern, geben einen derzeitigen Anteil von mehr als 20% an. Für die kommenden fünf Jahre rechnen gut 90% mit einem bAV-Anteil von über 20% am Neugeschäft ihrer Lebensversicherung. Während die Befragten für den Pensionsfonds künftig einen höheren Anteil am Markt erwarten, bewerten sie die Zukunft der Pensionskassen eher verhalten.
Zurückhaltung beim Sozialpartnermodell
Mit Blick auf das Sozialpartnermodell zeigt sich den Studienautoren zufolge noch eine gewisse Zurückhaltung. Lediglich 29% der Befragten sprechen dem Modell in den nächsten fünf Jahren eine große Bedeutung für Lebensversicherungen zu. „Zwar wird die Relevanz von Sozialpartnermodellen zumindest auf kurze Sicht noch verhalten eingeschätzt. Dennoch sind viele der befragten Unternehmen überzeugt, dass auf die ersten Vereinbarungen weitere folgen werden – nicht zuletzt auch aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsperiode und der Diskussion um die Finanzierbarkeit über lange Zeiträume gewährter Garantien“, erklärt Dr. Klaus Friedrich, Director bei Deloitte und Mitglied der Deloitte Pension Experts (DPE).
Hat die alte bAV-Welt bald ausgedient?
Doch nehmen die Sozialpartnermodelle erst einmal Fahrt auf, was bedeutet dies für die alte bAV-Welt, die durch Garantien und Einstandspflichten geprägt ist? Die große Mehrheit (87%) der Befragten geht davon aus, dass die klassischen bAV-Gestaltungsmodelle auch mit der Einführung von Sozialpartnermodellen unverändert relevant bleiben oder sogar an Bedeutung zunehmen. Es sei zu erwarten, dass die Sozialpartnermodelle das Bewusstsein für die bAV allgemein stärken und die alte und neue bAV-Welt auf absehbare Zeit parallel bestehen werden. Die Befragten schließen jedoch nicht aus, dass es perspektivisch zu einer gewissen Verdrängung kommen könnte, und zwar dann, wenn eine ausreichende Zahl von großen Branchen ein Sozialpartnermodell einführt und andere folgen.
Künftige Produktgestaltung in der alten bAV-Welt
Doch auf welche Features setzen die Anbieter in der Produktgestaltung für die Lebensversicherung bei den klassischen Ausgestaltungsformen? Hier sehen die befragten Vorstände und Experten vier Ausprägungen auf den ersten drei Plätzen: Ganz vorne in der Rangliste Hybridkonstruktionen, dahinter gleichauf indexorientierte Produkte und eine nicht-konventionelle Rentenbezugsphase und auf Rang 3 die kapitaleffiziente Klassik. Die weitere Produktgestaltung wird wohl wesentlich von der künftigen Zinsentwicklung und den gesetzlichen Anforderungen an die Garantiegestaltung abhängen.
Weitere Informationen zur Studie, unter anderem mit weiteren Details zu den Sozialpartnermodellen, finden Sie hier. (tk)
Bild: © Sinuswelle – stock.adobe.com
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