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31. Dezember 2020
Altersvorsorge: Das Jahrzehnt der stochastischen Simulation

Altersvorsorge: Das Jahrzehnt der stochastischen Simulation

Die Hochrechnungen der Versicherer bei Lebensversicherungen stehen schon lange in der Kritik. Die gängigen 3, 6, 9% sollten eigentlich schon lange der Vergangenheit angehören und durch Chance-Risiko-Profile ersetzt werden. Das Institut für Vorsorge- und Finanzplanung sieht nun endgültig die Zeit für ein anderes Modell gekommen. Von Prof. Michael Hauer, Geschäftsführer der Institut für Vorsorge und Finanzplanung GmbH (IVFP).

Der Kunde steht im Zentrum jeder Beratung. Und er will natürlich wissen, welche Leistung er für seine Beiträge erhält. Diese Frage ist bei den meisten Versicherungsprodukten leicht zu beantworten, da feste Leistungsversprechen für den Versicherungsfall bestehen. Im Bereich der Altersvorsorge bestand diese Möglichkeit historisch auch, als der Markt noch hauptsächlich von klassischen Produkten geprägt war. Durch die Entwicklung kapitalmarktgestützter Altersvorsorgeprodukte wurde es zunehmend schwieriger, das Leistungsversprechen auf verständliche Art und Weise zu formulieren. Hochrechnungen mit festen Zinssätzen geben seither einen Anhaltspunkt, wie hoch die Leistung zum Ende der Ansparphase ausfällt. Doch ist das der richtige Weg?

Irrwege

Hochrechnungen begleiten die Branche seit den ersten fondsgebundenen Rentenversicherungstarifen. Die vielfältigen Produktinnovationen, die seither Einzug gehalten haben, änderten nichts an der generellen Vorgehensweise, die Beiträge mit festen Zinssätzen (üblich sind 3%, 6% und 9%) statisch hochzurechnen. Mangels fester Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung nehmen so manche Hochrechnungs­ergebnisse teils bizarre Züge an.

Vergleicht man die ausgewiesenen Ablaufleistungen desselben Tarifs mit und ohne Garantie, so kommt es nicht selten vor, dass die Ausgestaltung mit Garantie gleiche oder sogar bessere Ergebnisse erzielt als die Variante ohne Garantie. Eine Garantie zum Nulltarif – gibt es so was? Natürlich nicht! Der Grund für diese zum Teil unverständlichen Ergebnisse liegt in der Art und Weise der Modellrechnung. Oftmals wird angenommen, dass die Wertentwicklung der Fondsanlage und des Sicherungsvermögens identisch ist. Da jedoch die Verwaltungskosten der sicheren Anlage geringer sind als die der Fondsanlage, erscheinen Policen mit Garantien aus Renditegesichtspunkten fälschlicherweise vorteilhaft.

Weiterhin ist bei einem Vergleich von Tarifen unterschiedlicher Anbieter Vorsicht geboten, da insbesondere bei fondsgebundenen Produkten mit Garantien unterschiedliche Methoden der Hochrechnung verwendet werden. Während ein Teil der Anbieter die Wertentwicklung der Kapitalanlage einheitlich modelliert, verwendet wiederum der andere Part eine getrennte Betrachtungsweise der Anlagetöpfe. Dies kann dazu führen, dass Anbieter A bei einer Wertentwicklungsannahme von 6% besser abschneidet als Anbieter B. Wird jedoch eine Performance von 3% unterstellt, liegt plötzlich Anbieter B vor Anbieter A. Diese Beispiele zeigen, dass bei den aktuellen statischen Hochrechnungsmethoden in den Tarifrechnern der Ver­sicherer einiges im Argen liegt. Natürlich wird stets darauf hingewiesen, dass es sich lediglich um Modellrechnungen handelt, deren tatsächliche Ablaufleistung nach oben oder unten abweichen kann und nur die als harte Garantie ausgewiesenen Werte tatsächlich garantiert sind. Doch selbst hier ist Vorsicht geboten, da auch der Ausweis der garantierten Werte nicht branchenweit einheitlich geregelt ist. Wer sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchte, findet unter www.ivfp.de/modellrechnungen weiterführende Informationen.

Kostenlose stochastische Simulationen

Wir schreiben nun das Jahr 2020 und haben ungeahnte technische Möglichkeiten als Werkzeug zur Hand. Es erscheint logisch, über neue Arten des Ausweises des oben formulierten Leistungsversprechens einer privaten Rentenversicherung nachzudenken. Der neue Standard, der das kommende Jahrzehnt prägen wird, ist die stochastische Simulation. Darunter versteht man die Ermittlung Tausender zufälliger Szenarien, basierend auf einem Modell des Kapitalmarktes. Die dadurch entstehende Verteilung gibt Aufschluss darüber, welche Chancen und Risiken ein Tarif bietet (Synonym wird hierbei auch von einem Chance-Risiko-Profil gesprochen). Dieser Ansatz ist nicht neu. Mit der Einführung der Produkt- bzw. Basisinformationsblätter für geförderte und ungeförderte Altersvorsorgeprodukte wurde er sogar vom Gesetzgeber vorgeschrieben, allerdings ohne kundenindividuellen Bezug. Somit basieren die ausgewiesenen Werte wiederum lediglich auf Musterfallberechnungen.

Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) geht gemeinsam mit einem seiner Gesellschafter, der ROKOCO GmbH, einen Schritt weiter. Basierend auf dem Standard-Branchenmodell der Produktinformationsstelle Altersvorsorge (PIA) ist es nun möglich, unter fairgleichen.net kundenindividuelle Tarifsimulationen durchzuführen. Diese Möglichkeit besteht aktuell für den „Canada Life GENERATION private plus“-Tarif. Neben der Auswahl kundenindividueller Daten wie dem Geburtsdatum oder dem gewünschten Zahlbeitrag können auch tarifindividuelle Einstellungen getroffen werden. fairgleichen.net wird stetig weiter ausgebaut. So stehen bereits mit der Condor Lebensversicherungs-AG und Die Bayerische die nächsten beiden Anbieter fest, die eine stochastische Simulation ihrer Tarife über die Plattform ermöglichen.

Kundenindividuelle stochastische Simulationen in Echtzeit sind die Zukunft der Beratung, wenn es darum geht, das Leistungsversprechen einer Fondspolice transparent darzustellen. Konsequenterweise wird das IVFP in künftigen Ratings prüfen, ob Möglichkeiten zur stochastischen Simulation bestehen. Die bisherige Methode ist in vielen Fällen nicht nur falsch, sondern führt häufig wohl dazu, dass Kunden ihr Anlageziel im Alter nicht erreichen, weil sie von viel zu hohen Ablaufwerten ausgegangen sind. Hauptanliegen des IVFP war und ist es, Menschen eine bessere Versorgung im Alter zu ermöglichen. Die kostenfrei verfügbaren kundenindividuellen stochastischen Simulationen von fairgleichen.net sind ein wichtiger Baustein dazu. Alle Versicherer sind dazu aufgerufen, ihre Tarife in fairgleichen.net integrieren zu lassen und somit die immer noch vorherrschenden deterministischen Hochrechnungen in den Ruhestand zu senden!

Ausblick

Das Umdenken im Markt bezüglich der noch vorherrschenden Hochrechnungen hat begonnen. Immer mehr Vermittler erkennen, dass ein Vergleich auf Basis deterministischer Hochrech­nungen teilweise nicht nur unseriös, sondern sogar gefährlich für die Ruhestandsplanung des eigenen Kunden sein kann. Das IVFP steht mit der Plattform fairgleichen.net für faire Vergleiche und unterstützt eine hochwertige und qualifizierte Beratung.

Mit fairadvisor.net ist bereits der nächste Baustein geplant, der Berater von der Bedarfsermittlung bis zur Policierung unterstützen soll. Im Laufe des nächsten Jahres wird es eine erste Version geben. Diese wird – wie fairgleichen.net auch – den sehr erfolgreichen Ansatz des Minimum Viable Products (MVP) verfolgen. Das bedeutet, die erste Version wird sich auf die wichtigsten Grundfunk­tionalitäten beschränken und der weitere Ausbau orientiert sich am Feedback der Nutzer. Damit wird sichergestellt, dass die Entwicklung nicht am Bedarf der Nutzer vorbeigeht.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2020, Seite 40f., und in unserem ePaper.

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