„Die Taxonomie ist nicht der Weg zum Ziel.“ Eine Aussage, die man wohl eher den auf Regulierungsvorhaben generell skeptisch blickenden Marktteilnehmern wie Unternehmen oder Verbänden zutrauen würde. Tatsächlich aber äußerte sich so Mark Branson, der Chef der deutschen Finanz- und Versicherungsaufsicht BaFin – und damit eine Person, die eigentlich für die Überwachung der Einhaltung solcher Vorschriften in der Finanz- und Versicherungsindustrie zuständig ist. Umso bemerkenswerter sind diese deutlichen Worte, die Branson am vergangenen Montag auf der Branchenkonferenz Euro Finance Week in Frankfurt am Main vor Vertretern der Branche gewählt hat, wie zuletzt das Handelsblatt berichtete.
EU-Taxonomie definiert Maßstäbe von Nachhaltigkeit
Im Kern reguliert die Taxonomie als EU-weit geltendes Regelwerk, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als nachhaltig einzustufen sind und welche nicht (AssCompact berichtete). Sie definiert damit, ob es sich bei einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach EU-Maßstäben um eine umwelt- und klimafreundliche – ergo Taxonomie-konforme – Investition handelt. Regelwerke für die Bereiche Soziales und Unternehmensführung stehen bislang noch aus.
Und Fondsgesellschaften, Banken und auch Versicherer, die zu einem nicht-finanziellen Reporting verpflichtet sind, müssen gemäß EU-Taxonomie angeben, wie und in welchem Umfang ihre Tätigkeiten mit als nachhaltig einzustufenden Wirtschaftsaktivitäten verbunden sind. Das stieß in der Branche auf Kritik: zu komplex, zu wenig durchdacht, zu überreguliert.
AfW begrüßt BaFin-Kritik
Die EU-Taxonomie sollte also durch Mobilisierung von Privatkapital die grüne Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen. Doch sie „kreiert vielmehr Geld für Beratungsunternehmen in diesem Bereich“, monierte der BaFin-Chef auf der Veranstaltung weiter. Sein Fazit lautet daher: Die Verknüpfung von Umweltpolitik und Finanzmarktregulierung sei nicht gelungen.
Die Regulierung von Nachhaltigkeit, die in der Finanzwelt auch unter dem Kürzel ESG zusammengefasst wird, ist aber nur ein Bereich, der aus Sicht von Branson zu kompliziert geworden ist. „Ich bin generell der Meinung, dass die Komplexität unserer Regulierung insbesondere in Europa mit dieser sehr, sehr schweren Regulierungsmaschinerie seine Grenzen erreicht hat“, zitiert das Handelsblatt den BaFin-Chef.
Die Reaktionen auf diese Aussagen haben nicht lange auf sich warten lassen. So hat der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW (AfW) die BaFin-Kritik begrüßt. „Dass wir hier – leider! – klar ein Scheitern der regulatorischen Intention erleben, dürfte unstreitig sein. Es ist ein wichtiger Schritt, dass sich nun auch die BaFin deutlich für neues Denken und bessere Lösungen einsetzt“, kommentiert Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW.
Deregulierung bleibt laut BaFin-Chef Wunschdenken
Branson betonte auf der Euro Finance Week zwar auch die Bedeutung einer „richtig kalibrierten“ Regulierung, warnte aber – an die Adresse der Regulierer gewandt – davor, dass sie nicht unnötig komplexer werden sollte. Trotzdem hegt er keine allzu großen Erwartungen, dass sich in naher Zukunft etwas für die Finanzbranche ändern wird. Denn er erklärte: „Eine Regulierung, die einmal da ist, zu entschlacken ist verdammt schwierig, denn irgendjemand ist in jeden dieser Paragrafen verliebt.“
Das aber bedeute für den BaFin-Chef keineswegs, dass er eine weniger strenge Überwachung befürworte. Branson setzt sich vielmehr weiterhin für eine „vorausschauende, mutige und transparente“ Aufsicht ein (AssCompact berichtete). (as)
Bild: © Andrii Yalanskyi – stock.adobe.com
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