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27. Juli 2021
BaFin durfte Negativzinsen nicht untersagen

BaFin durfte Negativzinsen nicht untersagen

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil Ende Juni 2021 eine Untersagungsverfügung der BaFin aufgehoben. Die Finanzaufsicht hatte einer nun klagenden Bank untersagt, Negativzinsen auf „Cash-Konten“ bei ihren Bestandskunden zu erheben.

Bei der Klägerin im konkreten Fall, in dem das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt in einem Urteil Ende Juni eine Untersagungsverfügung der BaFin aufgehoben hat, handelt es sich um eine Bank, deren geschäftlicher Schwerpunkt auf der Vermittlung von Wertpapiergeschäften als „Online-Broker“ liegt. Die Geschäfte werden so abgewickelt, dass die Kunden zunächst auf für sie von der Klägerin eingerichteten sogenannten „Cash-Konten“ Gelder zum Zweck der Wertpapierkäufe einzahlen. Im Fall von Wertpapierverkäufen wird der Erlös durch die Klägerin auf das „Cash-Konto“ gebucht. Anderweitiger Zahlungsverkehr findet über diese Konten nicht statt.

BaFin: Verbraucherschutzrelevante Missstände beseitigen

Die Bank teilte ihren etwa 180.000 Bestandskunden im März 2017 mit, dass sie sich gezwungen sehe, ab dem 15.03.2017 Negativzinsen von derzeit 0,4% p.a. zu berechnen. Daraufhin erließ die BaFin die nun angefochtene Verfügung. Sie stützt diese auf die Vorschrift des § 4 Abs. 1 a S. 2 FinDAG. Danach wird sie ermächtigt, Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint.

Die gegen diese Verfügung erhobene Klage der Bank war vor dem VG Frankfurt erfolgreich. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2021 hat die für das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz zuständige 7. Kammer die angefochtenen Bescheide aufgehoben.

Gericht zweifelt zwingende gesetzliche Voraussetzung für aufsichtsbehördliches Einschreiten an

Das Gericht hat zu dem durch Art. 1 Nr. 1 des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 03.07.2015 ins Gesetz aufgenommenen § 4 Abs. 1 a FinDAG festgestellt, dass diese Norm der BaFin eine eigenständige Befugnis gebe, um Belange des Verbraucherschutzes aufsichtsrechtlich durchzusetzen.

Die Kammer hat jedoch die zwingende gesetzliche Voraussetzung für ein aufsichtsbehördliches Einschreiten, dass nämlich eine generelle Klärung durch sie im Sinne des Verbraucherschutzes geboten erscheinen muss, verneint. Die den Handlungsbereich der BaFin einschränkende Regelung des § 4 Abs. 1a S. 2 FinDAG werde nicht allein durch die Feststellung eines Missstandes erfüllt. Das Gericht geht davon aus, dass verbraucherschutzrelevante Fragen traditionsgemäß vorrangig vor den Zivilgerichten im ordentlichen Rechtsweg abgehandelt werden, und die BaFin nur dann aufsichtsrechtlich agieren darf, wenn gerade eine generelle Klärung durch sie geboten erscheine. Dies sei nur dann anzunehmen, wenn nicht schon im ordentlichen Rechtsweg den Belangen des Verbraucherschutzes in hinreichender Weise genüge getan werde.

Da im vorliegenden Fall bereits mehrere Verfahren im Hinblick auf die Erhebung von Negativzinsen und die Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Banken und Sparkassen vor den Obergerichten und dem Bundesgerichtshof anhängig waren und sich der Bundesgerichtshof darüber hinaus im April 2021 in mehreren Entscheidungen zur Wirksamkeit der Änderungen der AGB der Banken und Sparkassen geäußert hat, sei ein aufsichtsbehördliches Handeln der BaFin nicht mehr geboten gewesen.

Verbraucherschutzrelevante Umstände erst vor ordentlicher Gerichtsbarkeit abhandeln

Der Gesetzgeber habe in der Begründung zu § 4 Abs. 1 a FinDAG zum Ausdruck gebracht, dass verbraucherschutzrelevante Umstände zunächst vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit aufgrund ihrer Sachnähe abzuhandeln seien und ein Einschreiten der BaFin nur subsidiär sei. Erst dann, wenn aufgrund vorangegangener höchstrichterlicher Entscheidungen zur Frage der Wirksamkeit vertraglicher Änderungen bei der Festlegung von Negativzinsen auf der Grundlage der AGB der Banken und Sparkassen die einzelnen Banken den Handlungspflichten nicht nachkämen, könne darin ein Missstand im Sinne des § 4 Abs. 1 a S. 2, S. 3 FinDAG vorliegen, der eine generelle Klärung durch die BaFin geboten erscheinen lasse. Dies konnte im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen werden.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung in diesem Verfahren zugelassen.

VG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.06.2021, Az: 7 K 2237/20.F (ad)

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