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28. Januar 2020
BAG: Schwerbehinderte muss man zum Vorstellungsgespräch laden

BAG: Schwerbehinderte muss man zum Vorstellungsgespräch laden

Fachlich nicht offensichtlich ungeeignete Schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Personen müssen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Zumindest, wenn es sich um einen öffentlichen Arbeitgeber handelt. Dies geht aus einem aktuellen Urteil hervor, das vom BAG gesprochen wurde.

Entgegen einer in der Öffentlichkeit weit verbreiteten Meinung müssen schwerbehinderte Personen bei der Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle nicht bevorzugt werden. Auch ist der Hinweis, dass bei gleicher Eignung Schwerbehinderte bevorzugt werden, nicht gesetzlich vorgeschrieben. Was jedoch sehr wohl über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geregelt ist, ist die Vorgabe, dass jedwede öffentliche oder interne Stellenanzeige diskriminierungsfrei zu sein hat.

Öffentliche Arbeitgeber unterliegen zusätzlichen Anforderungen

Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber sind jedoch darüber hinaus noch zu weiteren Maßnahmen verpflichtet. Einer Behörde wurde das nun zum Verhängnis – wenngleich das Geschehene auch lediglich auf mangelhafte Organisation zurückzuführen sein könnte.

Bewerbung unter Hinweis auf Behinderung

Im konkreten Fall ging es um einen Mann, der sich auf eine Stelle als Gerichtsvollzieher beworben hatte. Die Stelle war vom Oberlandesgerichtsbezirk Köln für Quereinsteiger ausgeschrieben. Der Bewerber hatte in seinem Schreiben deutlich auf seinen Behinderungsgrad von 30 hingewiesen. Er galt als einem Schwerbehinderten gleichgestellt, wurde aber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl er fachlich nicht offensichtlich ungeeignet war.

NRW will Bewerber nicht benachteiligt haben

Der Bewerber hatte daraufhin gegen das Land Nordrhein-Westfalen geklagt und eine Entschädigung in Höhe von über 7.400 Euro verlangt. Das Land hingegen brachte zu seiner Verteidigung vor, dass der Kläger nicht aufgrund seiner Behinderung, sondern aufgrund von schlecht organisierten Abläufen im Gericht gar nicht erst in den Geschäftsgang des Bewerbungsprozesses gelangt war.

Organisationsprobleme

Die Mitarbeiter gaben an, dass ihre Outlook-Postfächer übergelaufen seien und die Absprachen zwischen den beteiligten Kollegen ungenau gewesen seien. Dies habe dazu geführt, dass der Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.

Prozessverlauf

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, da es keine Benachteiligung des Bewerbers erkannt hatte. Das Landesarbeitsgericht hatte ihr teilweise stattgegeben und dem Bewerber eine anteilige Entschädigung in Höhe von 3.700 Euro zugesprochen.

BAG stützt Anspruch auf Vorstellungsgespräch

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wiederum kam im Revisionsverfahren zu dem Ergebnis, dass der Urteilsspruch des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden sei. Der Kläger hatte einen Anspruch auf ein Vorstellungsgespräch. Das geht aus § 82 Satz 2 SGB IX aF eindeutig hervor. Dass dies unterblieben ist, beweist zwar noch keine Benachteiligung, aber legt diese nahe. Ab diesem Punkt liegt die Beweislast bei der Behörde. Sie muss darlegen, dass keine Benachteiligung stattgefunden hat. Dies ist dem Land Nordrhein-Westfalen nicht gelungen.

Es ist zwar denkbar, dass organisatorische Gründe die Bewerbung nicht in den Geschäftsgang kommen ließen, aber der Beweis hierfür konnte nicht erbracht werden. Auch die Entschädigungshöhe ist laut Ansicht des BAG nicht zu beanstanden. (tku)

BAG, Urteil vom 23.01.2020 – 8 AZR 484/18

Bild: © pict rider – stock.adobe.com

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