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11. November 2025
Baufinanzierung: Ist neue Realität strenger und selektiver?
Baufinanzierung: Ist neue Realität strenger und selektiver?

Baufinanzierung: Ist neue Realität strenger und selektiver?

Die Kreditvergabe in Deutschland scheint spürbar restriktiver geworden. Hinterfragen Banken Bonität, Eigenkapital und Objektbewertung intensiver? Und was bedeutet das für Immobilienkäufer? AssCompact hat nachgefragt bei Dr. Lucie Lotzkat, geschäftsführende Gesellschafterin bei VON POLL FINANCE.

Frau Dr. Lotzkat, beobachten Sie aktuell eine spürbare Zurückhaltung seitens der Banken bei der Vergabe von Privat- und Baukrediten?

Grundsätzlich ja – ich würde es aber nicht direkt Zurückhaltung nennen. Vielmehr werden Prüfungen und Abwägungen heute umfassender vorgenommen. Primär relevant ist die Haushaltsrechnung, die wiederum durch Einkommen, Eigenkapital und Sicherheiten beeinflusst wird. Hinzu kommt der Beleihungswert des Objekts – also die Frage, ob die bankeninterne Bewertung der Immobilie mit dem Kaufpreis beziehungsweise der gewünschten Finanzierungssumme zusammenpasst.

Wo zeigt sich diese neue Vorsicht in der Praxis zuerst – beim Einkommen, beim Eigenkapital oder bei der Bewertung der Immobilie?

Am deutlichsten bei der Haushaltsrechnung, die im Zentrum der Prüfung steht. Aber natürlich hängt alles miteinander zusammen: Wenn Einkommen, Eigenkapital oder der Beleihungswert nicht ausreichen, kann das die Tragfähigkeit der monatlichen Rate beeinträchtigen – selbst dann, wenn der Kunde auf den ersten Blick finanziell solide aufgestellt ist.

Sind bestimmte Kundengruppen stärker betroffen als andere?

Eine positive oder negative Kreditentscheidung lässt sich aus meiner Sicht nicht auf eine bestimmte Kundengruppe reduzieren. Entscheidend ist immer die individuelle Kombination aus finanziellen Rahmenbedingungen und dem jeweiligen Objekt. Wir stellen aber fest, dass zunehmend auch sehr solide Kundengruppen – etwa Beamte oder Angestellte mit hohem Einkommen – auf formale, bankeninterne Hürden stoßen, die es in dieser Form früher kaum gab.

Haben die jüngsten Stellenabbauankündigungen in Industrie oder auch bei Airlines Einfluss auf Kreditentscheidungen? Prüfen Banken die Zukunftssicherheit von Arbeitsplätzen heute stärker als früher?

Bisher haben wir keine Finanzierung erlebt, die ausdrücklich mit derartigen Begründungen abgelehnt wurde. Das schließt aber nicht aus, dass solche Überlegungen intern eine Rolle spielen können – vor allem in Regionen, die wirtschaftlich stark von einem oder wenigen Arbeitgebern abhängen. Interessant ist hier die grundsätzliche Frage: Wie lässt sich die Zukunftssicherheit eines Arbeitsplatzes überhaupt definieren? Der Arbeitsmarkt wird sich in den kommenden Jahren durch den Einsatz von KI tiefgreifend verändern. Diese Transformation wird eine der disruptivsten Entwicklungen der Arbeitswelt sein – und aus Bankensicht sind die langfristigen Folgen heute kaum seriös einzuschätzen.

Haben sich auch die Anforderungen an das Eigenkapital verändert? Gibt es inzwischen Mindestschwellen?

Offizielle Mindestschwellen beim Eigenkapital gibt es nicht. Entscheidend bleibt zunächst die Tragbarkeit der monatlichen Rate. Wir sehen aber eine klare Tendenz, dass Eigenkapital von Banken zunehmend als Vertrauenssignal gewertet wird. Selbst wenn die Haushaltsrechnung rechnerisch passt, kann fehlendes Eigenkapital zu einer Ablehnung führen.

Aus Bankensicht ist Eigenkapital aus drei Hauptgründen wichtig. Erstens: Je höher der Eigenkapitalanteil, desto niedriger die monatliche Rate – und desto positiver die Haushaltsrechnung. Zweitens: Eine niedrigere Finanzierungssumme verringert das Risiko, dass die Summe nicht mehr zum Beleihungswert der Bank passt. Und drittens: Ein höherer Eigenkapitalanteil wirkt sich meist günstig auf den Zinssatz aus. Für die Finanzierungsberatung bedeutet das, schon früh kreative Formen von Eigenkapital zu prüfen – etwa Schenkungen, zweckgebundene Darlehen oder Zusatzsicherheiten.

Haben Banken in Ihrer Wahrnehmung ihre internen Risikomodelle zuletzt nachgeschärft?

Ja, das sehen wir. Banken lassen heute weniger individuelle Gestaltungsmöglichkeiten zu und treffen bei identischen Fällen teilweise andere Entscheidungen als noch vor ein oder zwei Jahren. Das liegt weniger an der Bonität der Kunden, sondern vielmehr an internen Bewertungsparametern – etwa einer strengeren Wertermittlung der Immobilie oder an der Umsetzung von ESG-Kriterien. So fließen inzwischen auch Fragestellungen zu CO₂-Emissionen oder der Nutzung erneuerbarer Energien in die Kreditprüfung ein.

Bedeutet das auch, dass Banken selektiver werden, welche Finanzierungen sie überhaupt begleiten?

Genau. Wir sehen eine wachsende Selektivität – manche Banken fokussieren sich auf bestimmte Segmente oder Regionen. Umso wichtiger ist die Rolle des Finanzierungsberaters als Übersetzer zwischen Kunde, Bank und Makler. Er kennt die Logik der einzelnen Institute und kann Finanzierungsanträge so aufbereiten, dass sie in diese standardisierten Entscheidungsprozesse hineinpassen.

Wie hat sich in diesem Umfeld Ihre Beratung verändert?

Finanzierungsberatung bedeutet heute deutlich mehr als reine Kreditvermittlung. Wir begleiten Interessenten oft schon Monate vor der konkreten Immobilie. Das schafft Vertrauen, beschleunigt die Abläufe und sorgt dafür, dass Immobilienmakler mit wirklich finanzierungsbereiten Käufern zusammenarbeiten können.

Müssen Sie heute auch häufiger Erwartungen justieren?

Absolut. Das gehört inzwischen auch dazu. Wir nehmen uns mehr Zeit, um Hintergründe zu erklären, Optionen aufzuzeigen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die auch bankseitig tragfähig sind.

Welche Instrumente oder Finanzierungsmodelle helfen aktuell besonders, um Kreditvergaben möglich zu machen?

Eine erfolgreiche Finanzierung steht und fällt mit der Vorbereitung. Es gibt zahlreiche Stellschrauben, die eine Finanzierung realisierbar machen können. Die Reduktion der anfänglichen Tilgung ist sicher eine davon, ebenso die Nutzung von Förderprogrammen, etwa über die KfW oder regionale Zuschüsse. Hinzu kommen Optionen, die viele gar nicht auf dem Schirm haben – zum Beispiel bestehende Riester-Verträge, Lebensversicherungen oder Zusatzsicherheiten, etwa eine abbezahlte Immobilie der Eltern. Am Ende ist weniger das Produkt entscheidend, sondern die Strategie und das richtige Timing.

Gibt es aktuell Unterschiede zwischen Banken, die offensiver finanzieren, und solchen, die sich zurückziehen?

Ja, diese Spreizung nimmt spürbar zu. Während einige Institute fast nur noch Standardfälle finanzieren, setzen andere gezielt auf Nischenkompetenz – etwa bei energetischen Sanierungen, beim energieeffizienten Bauen oder bei Selbstständigen. Gründe dafür können die jeweilige Geschäftsstrategie, aber auch die regionale Aufstellung einer Bank sein.

Was raten Sie also Kaufinteressierten?

Die Kaufentscheidung sollte nicht an ein Jahr gebunden sein, sondern an die passende Immobilie. Wichtig ist, das eigene Budget realistisch zu kennen, die Bonität aktiv zu gestalten – etwa durch den Abbau kleiner Kredite oder die Optimierung der Ausgaben – und den Markt aufmerksam zu beobachten. Wer frühzeitig vorbereitet ist, kann handeln, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Weitere News rund um den Immobilienmarkt und den Bereich Baufinanzierung finden Sie in unserer Rubrik „Immobilien“.