Ein Gastbeitrag von Timm Großkurth, geschäftsführender Gesellschafter der HW BAUFI Finanzgruppe GmbH
Sie hat sich zu einem Thema entwickelt, das Millionen Menschen beschäftigt, die Wohneigentum besitzen oder den Schritt in die eigenen vier Wände planen: die Reform der Grundsteuer. Denn seit sich erste verfassungsrechtliche Zweifel am Bewertungsmodell kundtaten, wächst die Verunsicherung. Warum bestimmen ausgerechnet Bodenrichtwerte und pauschale Mietannahmen über eine der zentralen Abgaben im Immobilienbereich? Und was bedeutet die Debatte für jene, die ihre Finanzierung langfristig kalkulieren müssen?
Eigentlich sollte die Reform Klarheit bringen: ein modernes, gerechtes und transparentes System, das die jahrzehntelang überfälligen Neubewertungen ersetzt. Doch gerade die überholte Bewertungslogik führt vielerorts zu deutlichen Belastungsunterschieden. Die Steuerhöhe hängt nun stärker von Wertparametern ab, die sich regional extrem voneinander unterscheiden. Wo Bodenrichtwerte in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen sind, entstehen hohe Steueransätze; in ländlichen Räumen dagegen fällt die Belastung teils niedriger aus als zuvor. Das Grundproblem: Eine pauschale Modelllogik trifft auf einen sehr heterogenen Immobilienmarkt. Die Folge ist ein Flickenteppich aus Gewinnern und Verlierern – und genau hier setzen die verfassungsrechtlichen Zweifel an.
Unsicherheit als Belastungsfaktor
Für Eigentümerinnen und Eigentümer geht es dabei nicht nur um abstrakte Gerechtigkeitsfragen. Jede neue Steuerlogik verändert die laufende Kostenstruktur. Wer gerade eine Immobilie finanziert oder ein solches Projekt plant, ist auf stabile Rahmenbedingungen angewiesen. Selbst moderate Steuererhöhungen können die monatliche Belastung spürbar verschieben. Noch schwerer wiegt jedoch die Unsicherheit: Wenn Klagen Erfolg haben sollten und das Modell nachjustiert werden muss, bringt auch nur ein Präzedenzfall möglicherweise weitere Veränderungen ins Rollen. Ein System, das in kurzen Abständen angepasst wird, erschwert sichere Planung – und genau diese Verlässlichkeit bringt das Fundament jeder langfristigen Finanzierung.
Ein Baukredit wird eben nicht für das Hier und Jetzt abgeschlossen, sondern für einen Zeitraum, der oft mehrere Jahrzehnte umfasst. Banken beurteilen daher nicht nur Einkommen und Eigenkapital, sondern die gesamte Kostenstruktur des Objekts. Steigt die Grundsteuer, verändert sich die monatliche Gesamtbelastung – und damit der finanzielle Spielraum der Kreditnehmenden. Für manche bedeutet das, dass die anfänglich geplante Tilgung nicht mehr tragbar ist oder der Kreditrahmen an die neue Kostensituation angepasst werden muss. In angespannten Märkten kann eine zusätzliche Steuerlast sogar darüber entscheiden, ob die Bank eine Finanzierung überhaupt genehmigt.
Transparenz und Beratung gefragt
Steuerpolitische Signale wirken zudem bis direkt in den Markt hinein. Wenn Eigentümerinnen und Eigentümer höhere laufende Kosten tragen müssen, sinkt die Bereitschaft zu Modernisierungen oder energetischen Sanierungen – Maßnahmen, die sich ohnehin oftmals als kostenintensiv herausstellen. Auch potenzielle Käufer könnten sich aufgrund der unsicheren Steuerperspektive zurückhalten, was wiederum den Markt verlangsamt. Ein Steuerinstrument, das eigentlich Fairness schaffen soll, könnte so unbeabsichtigte ökonomische Effekte auslösen.
Besonders problematisch wäre die Kombination aus stark gestiegenen Baukosten, hohen Zinsen und einer weiteren finanziellen Zusatzbelastung. In solchen Spannungsfeldern verstärkt jede Unsicherheit die Zurückhaltung. Gerade weil Gerichte möglicherweise über das Modell entscheiden werden, kommt es nun auf Aufklärung an.
Steuerrecht und Baufinanzierung
Viele Menschen unterschätzen, wie eng Steuerrecht und Baufinanzierung miteinander verwoben sind. Wer die langfristige Tragfähigkeit eines Kredits prüfen möchte, sollte die Grundsteuer nicht als Nebensatz betrachten, sondern als festen Bestandteil der Kostenplanung. Finanzberaterinnen und Finanzberater stehen deshalb vor der Aufgabe, nicht nur Produkte zu erklären, sondern ein volatiles politisches Umfeld zu übersetzen. Sie müssen erläutern, wie mögliche Szenarien aussehen, welche Schwankungen abgefedert werden können und wo Puffer notwendig sind.
Blick nach vorn
Ob die Reform Bestand haben wird, ist noch offen. Sicher bleibt jedoch, dass jede Veränderung des Systems einen tiefen Einfluss auf die private Eigentumsbildung hat. Politik und Verwaltung sollten sich dessen bewusst sein: Ein stabiles, nachvollziehbares und rechtssicheres Modell ist nicht nur eine Frage der fiskalischen Gerechtigkeit, sondern auch eine Voraussetzung dafür, dass Menschen sich trauen, Eigentum zu schaffen. In Zeiten hoher Zinsen, komplexer Marktbedingungen und steigender Lebenshaltungskosten kommt es mehr denn je darauf an, Vertrauen zu vermitteln. Die neue Grundsteuer mag auf den ersten Blick unscheinbar wirken – doch für Millionen Haushalte kann sie zum entscheidenden Faktor werden, wenn es um die große finanzielle Lebensentscheidung geht.
Über den Autor
Timm Großkurth ist geschäftsführender Gesellschafter der HW BAUFI Finanzgruppe GmbH. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann und einem betriebswirtschaftlichen Grundstudium sammelte er umfassende Erfahrung in der Finanz- und Immobilienbranche. 2006 schloss er sich als selbstständiger Immobilienfinanzierungsberater der HW BAUFI Finanzgruppe unter der Marke HAUS & WOHNEN an. Rund 15 Jahre lang prägte er den strategischen Aufbau der Frankfurter Filiale des Unternehmens. Anschließend übernahm er die Geschäftsführung der HW BAUFI Finanzgruppe, die aus der Fusion der Marken BAUFI DIREKT und Haus & Wohnen entstand.
Weitere Informationen rund um Immobilien und Baufinanzierung finden Sie in unserer Rubrik „Immobilien“.
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