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26. September 2023
bAV: Flexible Arbeitszeiten – flexibler Rentenbeginn
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bAV: Flexible Arbeitszeiten – flexibler Rentenbeginn

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Home-Office und flexible Arbeitszeiten sind vielerorts mittlerweile selbstverständlich. Durch das 8. SGB-IV-Änderungsgesetz eröffnen sich nun auch bislang ungeahnte Möglichkeiten für Beschäftigte, flexibel in Rente zu gehen und Arbeitseinkommen, gesetzliche Altersrente sowie Altersleistungen aus der bAV zu kombinieren.

Ein Artikel von Markus Keller, Geschäftsführer der febs Consulting GmbH

Bislang konnten potenzielle Rentner die „Vollrente“ aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Regel­altersgrenze nur beziehen, wenn mit noch laufendem Arbeitseinkommen die „Hinzuverdienstgrenze“ von 6.300 Euro nicht überschritten wurde (Anm.: zwischenzeitlich höhere Grenze aufgrund Corona-Pandemie). Bei höherem Hinzuverdienst musste mit einem komplizierten Verfahren berechnet werden, wie viel gesetzliche „Teilrente“ („Flexi-Rente“) man aufgrund des Hinzuverdienstes maximal beziehen durfte. Je höher der Hinzuverdienst, desto niedriger die beziehbare Rente – bis hin zum Wegfall. Gleichzeitiger Bezug von Arbeitseinkommen und Rente vertrugen sich also oft nicht.

In Berlin hatte man ein Einsehen: Seit 2023 ist die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene gesetzliche Altersrenten entfallen. Man kann somit nebeneinander gesetzliche Rente und Arbeitseinkommen aus einer Voll- oder auch Teilzeittätigkeit – egal in welcher Höhe – beziehen.

Freie Auswahl bei der gesetzlichen Rente

Wer die Voraussetzungen für eine vorgezogene Altersrente erfüllt, muss nur den Antrag stellen und kann dann entweder eine Voll- oder auch eine Teilrente in Höhe von mindestens 10% bis hin zu 99% der Vollrente beziehen. Das Arbeitseinkommen wird von der Rentenversicherung nicht mehr abgefragt.

Aus steuerlichen Gründen dürfte es selten Sinn machen, Vollzeiteinkommen und die Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung parallel zu beziehen. Interessant sind aber Gestaltungen, in deren Rahmen man sich „gleitend“ in den Ruhestand verabschiedet – also z. B. ab Vollendung des 65. Lebensjahres Umstellung auf eine 50%-ige Teilzeittätigkeit und parallel dazu Bezug einer Teilrente in Höhe von z. B. 50%. Hinsichtlich möglicher Kombinationen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, zumal man die Höhe der Teilrente jederzeit für die Zukunft neu festlegen kann.

Der Vorteil einer Teilrente liegt außerdem darin, dass Abschläge für den vorzeitigen Bezug der Altersrente (0,3% pro Monat vorgezogener Altersrente; gilt nicht für „besonders langjährig Versicherte“) nur die Teilrente betreffen, sodass die Vollrente ab Erreichen der Regelaltersgrenze höher ausfällt.

Und was ist mit der bAV?

Nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 12.08.2021 (bzw. Vorgängerschreiben) ist es bei den externen Durchführungswegen Direkt­versicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds schon seit jeher steuerlich anerkannt, Altersleistungen nach Vollendung des 62. Lebensjahres (Mindestalter; bei Zusagen vor 2012: 60. Lebensjahr) bereits während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses zu beziehen.

Nur bei Unterstützungskassen und Pensionszusagen war dies steuerlich anerkannt nicht möglich. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 18.03.2022 jedoch geregelt, dass auch bei diesen Durchführungswegen Leistungen während eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses bezogen werden dürfen.

Allerdings sind das nur die steuerlichen Rahmenbedingungen. Arbeitsrechtlich gilt nach § 6 BetrAVG Betriebsrentengesetz: Arbeitnehmer haben einen gesetz­lichen Anspruch auf vorgezogene bAV-Leistungen, wenn sie den Bezug einer gesetzlichen Altersrente in Form einer Vollrente nachweisen und „alle sonstigen Leistungsvoraussetzungen“ der Versorgungszusage des Arbeit­gebers wie z. B. insbesondere das Ausscheiden aus dem Unternehmen erfüllt sind.

Was steht in der Versorgungsordnung des Arbeitgebers?

Ob also die bAV während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses verlangt und damit mit der gesetzlichen Rente und Arbeitseinkommen kombiniert werden kann, hängt in der Praxis vom Inhalt der Versorgungsordnung (z. B. in Form einer Betriebsvereinbarung oder auch Gesamtzusage) des Arbeitgebers ab. Wenngleich der jeweilige Einzelfall geprüft werden muss, dürften folgende Fälle typisch sein:

  • Direktversicherungen (Pensionskassen, Pensionsfonds): In vielen Versorgungsordnungen ist lediglich vorgesehen, dass das Mindestalter vollendet werden muss und dann die Leistungen aus der Direktversicherung flexibel vorzeitig abgerufen werden können. Auf den Nachweis des Bezugs einer Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 BetrAVG wird in der Regel verzichtet. In diesem Fall können Arbeitnehmer Arbeitseinkommen, gesetzliche Altersrente und die Altersleistung aus der bAV nahezu beliebig miteinander kombinieren. Zumal bei nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten Direktversicherungen auch zwischen lebenslanger Rente und einmaliger Kapitalzahlung gewählt werden kann.
  • Unterstützungskassen: Um den steuerlichen Anforderungen gerecht zu werden, beinhalten Versorgungsordnungen bzw. Leistungspläne von Unterstützungskassen, die vor 2022 erstellt wurden, in der Regel die Leistungs­voraussetzung, aus dem Unternehmen aus­geschieden zu sein. Wenn dies nicht erfüllt ist, dann bringt auch der Nachweis des Bezugs einer Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nichts, da die „sonstigen Leistungsvoraussetzungen“ im Sinne des § 6 BetrAVG nicht erfüllt sind. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall also nicht parallel zu Arbeitseinkommen und gesetzlicher Rente Leistungen aus der Unterstützungs­kasse beziehen. Mit Wirkung für die Zukunft bzw. für Neueintritte können Versorgungsordnung und Leistungsplan geändert und die Voraussetzung des Ausscheidens aus dem Unternehmen gestrichen werden, wenn der Arbeit­geber damit einverstanden ist. Ist er das nicht, bleibt es beim oben genannten. Ergebnis.
  • Pensionszusagen: Es gilt das zur Unterstützungskasse Gesagte analog – jedoch mit dem Unterschied, dass es nur zwei Parteien gibt: den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer. Es ist also vergleichsweise einfach, in beidersei­tigem Einvernehmen auf die Voraussetzung des Ausscheidens aus dem Unternehmen und ggf. auch den Nachweis einer Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu verzichten. Wie so oft bei bAV-Themen darf bei Pensionszusagen ein Warnhinweis für Gesellschafter-Geschäftsführer nicht fehlen: Ein gleichzeitiger Bezug von unver­ändertem Gehalt und bAV-Leistungen ist steuerlich nicht anerkannt – es muss eine Anrechnung erfolgen. Ansonsten droht eine verdeckte Gewinnausschüttung (vgl. BMF-Schreiben vom 18.09.2017 oder auch BFH vom 17.06.2020 – I R 56/17). Bei reduziertem Gehalt ist der Einzelfall zu prüfen (vgl. auch BFH vom 15.03.2023 – I R 41/19).

Diesen Artikel lesen Sie auch in der AssCompact Sonderedition Betriebliche Versorgung 09/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Nola V/peopleimages.com – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Markus Keller