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23. Januar 2017
Beratungspflichten bei der Vermittlung von Fondspolicen

Beratungspflichten bei der Vermittlung von Fondspolicen

Seit der Einführung einer gewerberechtlichen Erlaubnis für sogenannte Finanzanlagenvermittler wird in Vermittlerkreisen immer wieder diskutiert, ob Vermittler von Fondspolicen für ihre Vermittlungstätigkeit auch eine Erlaubnis nach § 34f GewO benötigen und ob sie die Wohlverhaltenspflichten der Finanzanlagenvermittlungsverordnung beachten müssen. Die richtige Antwort ist schnell gefunden.

Fondspolicen sind Versicherungsprodukte. Registrierte Versicherungsvermittler mit Erlaubnis nach § 34d Gewerbeordnung benötigen deshalb darüber hinaus keine besondere Zulassung. Und bei der Vermittlung von Fondspolicen sind die gesetzlichen Beratungspflichten des VVG zu beachten.

Gesetzliche Beratungspflichten

Gemäß § 61 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben und dies unter Berücksich­tigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren. Der Versicherungsmakler muss dabei seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zugrunde legen, sodass er nach fach­lichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen (§ 60 Abs. 1 S. 1 VVG). Die gesetzliche Beratungspflicht der Versicherungsvermittler ist auf den Abschluss eines konkreten Versicherungsvertrags zugeschnitten. Nach Abschluss eines Versicherungsvertrages treffen den Versicherungsvermittler grundsätzlich keine weiteren gesetzlichen Beratungspflichten. Das ist bei Versicherungsunternehmen anders. Die Beratungspflicht der Versicherungsunternehmen besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist (§ 6 Abs. 4 S. 1 VVG).

Vertragliche Pflichten – Maklervertrag

Neben den gesetzlichen Beratungspflichten treffen den Versicherungsmakler auch vertragliche Pflichten aus dem mit dem Kunden abgeschlossenen Maklervertrag. Nach dem sogenannten Sachwalterurteil des BGH von 1985 ist der Versicherungsmakler verpflichtet, einen individuellen, passenden Versicherungsschutz für seine Kunden zu besorgen. Die Pflichten des Versicherungsmaklers gelten auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsvertrages, soweit für den Makler ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist.

Zweck der Beratungspflichten

Sowohl bei den gesetzlichen wie bei den vertraglichen Beratungspflichten geht es letztlich darum, die Risikosituation des Kunden zu erfassen und für eine bedarfsgerechte Deckung zu sorgen. Bei Fondspolicen steht – je nach Ausgestaltung – die Absicherung von Todesfall-, Langlebigkeits- und Berufs-/Erwerbsunfähigkeitsrisiken im Vordergrund. Ob die Fondspolice „passt“, richtet sich also danach, ob die Risiken beim Kunden richtig identifiziert und bedarfsgerecht abgesichert worden sind.

Vertragliche Pflichten – Anlageberatungsvertrag

In der Praxis der Vermittlung von Fondspolicen steht aber häufig nicht die Absicherung von Risiken, sondern vielmehr die Kapitalbildung im Vordergrund. Es wird deshalb zu Recht die Frage aufgeworfen, ob Versicherungsvermittler bei der Vermittlung von Fondspolicen nicht auch die weitergehenden Pflichten aus der Anlageberatung beachten müssen. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt ein Anlageberatungsvertrag stillschweigend zustande, wenn ein Anlageinteressent an einen Berater herantritt und sein Beratungsbedürfnis zu erkennen gibt. Auch der Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung oder einer Fondspolice kann sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft darstellen, wenn die Versicherung des Todesfallrisikos gegenüber der Renditeerwartung von untergeordneter Bedeutung ist. In solchen Fällen kann auch zwischen dem Versicherungsvermittler und seinen Kunden ein Anlageberatungsvertrag entstehen. Aus dem Beratungsvertrag ergeben sich für den Vermittler vertragliche Verpflichtungen. Im Vordergrund steht die Verpflichtung des Anlageberaters zur anlegergerechten und anlage­gerechten Beratung. Der Vermittler muss den Kunden nach seinem Anlageziel befragen und Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden zu Kapitalanlagen einholen. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung der eingeholten Informationen auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein. Dabei trifft den Vermittler die Pflicht, den Kunden bereits bei den Vertragsverhandlungen verständlich, vollständig und richtig über alle wesentlichen Umstände aufzuklären, die mit der Anlageentscheidung im Zusammenhang stehen. Dies gilt insbesondere für die mit der an­gebotenen Kapitalanlage verbundenen Nachteile und Risiken.

In einer jüngeren Entscheidung ist das OLG Köln zu dem Ergebnis gekommen, dass der Abschluss einer fonds­gebundenen Lebensversicherung regelmäßig nicht als Kapitalanlagegeschäft zu werten sei. Das sei vielmehr nur ausnahmsweise der Fall, wenn nach den vertrag­lichen Regelungen die Absicherung des Todesfallrisikos gegenüber der Renditeerwartung von untergeordneter Bedeutung war. Im Grunde bestätigt das OLG die Ausführungen des BGH zur Anwendung von Kapitalanlagegrundsätzen bei Fondspolicen, wollte diese aber im konkreten Fall nicht anwenden (Monatsbeitrag 50 D-Mark bei einer Mindesttodesfallsumme von 15.000 Euro). Die Entscheidung mag für den konkreten Fall angemessen sein. Problematisch ist aber die verallgemeinernde Aussage, der Abschluss einer fondsgebundenen Le­bens­versicherung sei regelmäßig nicht als Kapitalanlagegeschäft zu werten. Sie lässt lediglich den Schluss zu, dass bei der Vermittlung von fondsgebundenen Lebensversicherungen nicht immer die Kapitalanlagegrundsätze zu beachten sind, sondern nur, wenn die Absicherung des Todesfallrisikos gegenüber der Rendite­erwartung von untergeordneter Bedeutung ist. Dies hängt vom Einzelfall ab und muss in jedem Fall geprüft werden.

Neue Pflichten für Versicherungsanlageprodukte im Referentenentwurf

Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zur Umsetzung der IDD sollen zukünftig für Versicherer und Versicherungsvermittler neue Pflichten bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten bestehen. Nach dem Referentenentwurf müssen Versicherer und Vermittler bei einer Beratung zu einem Versicherungsanlageprodukt Kenntnisse und Erfahrungen des Versicherungsnehmers im Anlagebereich in Bezug auf den speziellen Produkttyp oder den speziellen Typ der Dienstleistung, die finanziellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers einschließlich der Fähigkeit des Versicherungsnehmers, Verluste zu tragen, und die Anlageziele einschließlich der Risikotoleranz des Versicherungsnehmers erfragen. Die neuen Regeln verkehren die Verallgemeinerung des OLG Köln in ihr Gegenteil. Die neuen Vorschriften schreiben die Anwendung der Kapital­anlagegrundsätze bei der Vermittlung von fondsgebundenen Lebensversicherungen gesetzlich vor.

Fazit

Vermittlern von fondsgebundenen Lebensversicherungen kann nur empfohlen werden, in jedem Fall zu prüfen, ob die Renditeerwartungen oder die Risikoabsicherung im Vordergrund stehen. Im Zweifel sollte der Vermittlungsprozess grundsätzlich so ausgestaltet werden, dass die Kapitalanlagengrundsätze zur Anwendung kommen. Dies wird nach Umsetzung der IDD ohnehin verbindlich. Ob Vermittler auch während der Laufzeit der Verträge – etwa bei Änderungen persönlicher oder familiärer Verhältnisse – eine Beratung nach Anlageberatungsgrundsätzen erbringen müssen, hängt von den jeweiligen Umständen und den vertraglich getroffenen Verpflichtungen ab und ist deshalb eine Frage des Einzelfalls.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2017, Seite 70

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Heinrich Bockholt am 23. Januar 2017 - 09:09

Wenn der Maklerbetreuer oder andere Produktsachverständige das Fondsprodukt(80 Seiten Texte) des eigenen Hauses nicht beherrschen, warum muss dann der Makler/Berater die Produkthaftung übernehmen? Von Transparenz und Nachvollziehbarkeit ist oft wenig in den Unterlagen zu erkennen.
Prof. H. Bockholt, Koblenz

Gespeichert von Frank L. Braun am 23. Januar 2017 - 09:15

Altersvorsorge erfordert grds. einen höheren Anlagebetrag. Somit bei FLV immer IDD mit 10-Jahreshaftung und einen mehrstufigen Beratungsprozess von z.B. 3-4 Terminen und 5-10 Std Zeitaufwand. Wer sich diesen nicht mit einer Honorar-Option absichert, wird einen „Tsunami“ an Umsonst-Beratungen erleben. Warum, weshalb und wann Menschen dazu diese Option gerne nutzen, wird in eBooks bei mwsbraun beschrieben.

Gespeichert von Ditmar Gall am 25. Januar 2017 - 14:51

Sicherlich müssen Kriterien für eine "bedarfsgerechte Vermittlung" von fondsgebundenen Rentenversicherungen erfüllt werden. Stellen Sie mal 10 Maklerbetreuern von 10 Gesellschaften die Hausaufgabe für das von Ihnen vorgeschlagenen Beispiel die Kosten von einer Zielsumme X mit 5% Rendite auszurechnen und dann die Rente zu benennen...Ich warte derzeit bei einer Gesellschaft bereits 5 Wochen.
Schauen Sie sich 10 Versicherungsangebote an und versuchen die Kosten herauszuschreiben, mit welchen Begriffen und Benennungen zu rechnen haben, wissen Sie...hier haben die Verbraucherschützer bei der Einführung der PiB, aber auch der GdV völlig versagt.
Und das bei Kürzung der Courtage und des regelmäßigen Anfassens" wegen zeitgemäßen Fonds oder Strategien.
Letztendlich hat der Vermittler schuld, die Lesart nicht verstanden zu haben...
D. Gall