Ein Artikel von Olaf Czinna, Dipl.-Bankbetriebswirt (BA) und Prokurist der SEB
Bei der Nachfolgeplanung in Maklerunternehmen nimmt die vorgeschaltete Analyse weit mehr Zeit und Raum in Anspruch als der eigentliche Vertrag für die Geschäftsübergabe oder einen Verkauf der Bestände. Nachdem die persönlichen Planungen klar sind (siehe dazu Teil 1 aus der AssCompact Juni-Ausgabe), muss die betriebliche Situation gründlich durchleuchtet werden. Dafür genügt aber nicht der Blick in die betriebswirtschaftlichen Auswertungen und in die zurückliegenden Steuererklärungen, sondern es braucht viel mehr Daten. Aber kann jeder Makler diese Daten auch liefern? Im Vorteil sind jene Vermittler, die ihre Bestände bei einem Maklerpool konsolidiert haben und der Pool eine Bestandsverwaltung auch mit Analysewerkzeugen für Soft Facts anbietet.
Auf diese Kennzahlen kommt es an
- Ganz vorn steht bei diesen Auswertungen sicherlich die Neugeschäftsquote. Welchen Anteil macht das Neugeschäft an den Gesamterlösen aus? Das Neugeschäft sollte in einer guten Balance zur Bestandspflege stehen. Extreme sind weder in der einen noch in der anderen Richtung gut. Ein hoher Anteil von Abschlussprovisionen kann zu einer hohen Volatilität in den Erträgen führen. Bei sehr wenig Neugeschäft führt der Abrieb im Bestand unter Umständen zu einer mittelfristig rückläufigen Ertragsentwicklung.
- Ein kritischer Indikator ist die Stornoquote. Eine geringe Stornoquote spricht für Bestandsqualität und damit eine langfristig stabile Entwicklung der Bestandsprovisionen. Hohe Stornoquoten deuten dagegen auf instabile Kundenbeziehungen oder eine mangelnde Betreuung hin.
- Auf die Stabilität der Bestände und ihre künftige Entwicklung wirkt auch das Alter der Kunden ein. Die Kunden altern erfahrungsgemäß mit ihrem Makler. Wer mit Anfang 60 seinen Bestand verkaufen will, dürfte auch viele ältere Kunden haben, die wahrscheinlich in der Sachversicherung seit Längerem gut versorgt sind und in der Lebensversicherung eher nicht mehr als Kunde in Betracht kommen.
- Aber die Analyse der Kundenstruktur darf sich nicht nur auf das Alter beschränken. Weiteres wichtiges Kriterium: die Vertragsdichte pro Kunde. Auswertungen der einzelnen Vertriebskanäle haben ergeben, dass Vermittler in Strukturvertrieben die höchste Vertragsdichte nachweisen können. Dann folgen die Generalagenturen der Versicherer. An letzter Stelle rangieren bei der Vertragsdichte die Makler. Viele machen, so die Erfahrungen, noch zu wenig aus ihren Kunden. Neben der Vertragsdichte gibt auch der Durchschnittserlös pro Kunde eine Antwort auf die Frage, wie ein Makler sein Kundenpotenzial erschließt.
- Letzteres spiegelt übrigens auch die Aufstellung nach Sparten wider. Ist der Makler vielleicht überwiegend im margenschwachen Kfz-Geschäft unterwegs, das obendrein noch eine hohe Wechselwilligkeit unter den Versicherten aufweist? Die Kunden- und Spartenanalyse offenbart übrigens auch, ob sich im Bestand Klumpenrisiken verbergen. Ein Beispiel dafür: Ein Makler macht sehr viel Geschäft mit drei großen Hausverwaltungen. Endet mit einem oder zwei dieser Geschäftspartner die Zusammenarbeit, dann kann ihm ein erheblicher Teil seines Geschäftes wegbrechen.
Risiko unbetreute Bestände
Weitere wichtige Frage: Schlummern irgendwo Bestände, die nicht betreut werden? Irgendwann übernahm der Makler vielleicht mal einen fremden Kundenbestand, aus dem regelmäßig Bestandsprovisionen flossen, ohne dass er sich aktiv um diese Kunden bemühte. Mit der Zeit sind deren Verträge aber nicht mehr risikogerecht, weil zum Beispiel die Versicherungssummen nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Damit verschenkt der bisherige Besitzer nicht nur Umsatz, sondern es entstehen Haftungsrisiken. Diese würde ein Erwerber mit übernehmen. Unbetreute Bestände sind daher beim Verkauf ein echter Stopper.
Was auf die Kundenverträge zutrifft, gilt natürlich auch für die Aktualität der Makler- und Courtagevereinbarungen. Veraltete Verträge führen schnell zu Rechtsunsicherheit. Veralten können übrigens auch Maklerverwaltungsprogramme. Es ist schwer zu glauben, gibt es aber dennoch immer wieder: Makler arbeiten mit Software, deren Pflege vom Entwickler schon vor Jahren eingestellt worden ist. Daher schauen potenzielle Erwerber auch kritisch auf den Technologie- und Digitalisierungsgrad des Unternehmens, das sie kaufen wollen. Gibt es ein modernes CRM-System? Findet eine digitale Kundenkommunikation statt? Gibt es Sicherheit und automatische Routinen bei der Verarbeitung von eingehenden Informationen? All dies wirkt wertsteigernd, weil es Prozesse skalierbar und die aufgeführten Daten überhaupt erst zugänglich macht. Mit einer Hängeregistratur im Schrank ist das nicht zu machen.
Zahlen sind Schlüssel für fundierte Entscheidung
Für potenzielle Käufer oder Nachfolger sind nachvollziehbare und sauber aufbereitete Zahlen der Schlüssel zur fundierten Entscheidungsfindung. Finanzexperten sollten Makler dabei unterstützen, frühzeitig ein belastbares Reporting aufzubauen – inklusive Controlling-Strukturen, standardisierter Auswertungen und Plausibilitätsanalysen.
Last, but not least muss auch noch sichergestellt werden, dass die Kundenbindungen unter der Nachfolge oder unter dem Verkauf nicht leiden. Eine frühzeitige Kommunikation auch mit den Kunden, standardisierte Abläufe in der Beratung und Betreuung, die für gleichbleibende Qualität sorgen, und eine Datenschutz-Grundverordnung-konforme Übertragung der Kundendaten verhindern, dass es unter dem Nachfolger zu unliebsamen Abwanderungen von Kunden kommt.
Bei all diesen Zahlen und Fakten darf eines nicht unterschätzt werden: die emotionale Seite. Nicht zuletzt ist eine Unternehmensnachfolge immer auch ein sehr persönlicher Schritt. Der scheidende Makler muss bereit sein, Verantwortung abzugeben, und selbst in eine neue Rolle schlüpfen – sei es als Berater, Mentor oder ganz außerhalb des Unternehmens oder auch als Pensionär. Eine klare Kommunikation und realistische Erwartungen auf beiden Seiten sind oft der Schlüssel zu einer erfolgreichen Übergabe.
Lesen Sie auch: Vor dem Bestandsverkauf kommt die Analyse
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 07/2025 und in unserem ePaper.

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