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12. Oktober 2020
Betriebsschließungsversicherung: Wirtin geht leer aus

Betriebsschließungsversicherung: Wirtin geht leer aus

Das LG Bochum hat ein Urteil im Verfahrenskomplex Betriebsschließungsversicherung gefällt. Das Gericht sieht einen Versicherer als leistungsfrei, der den Umfang des gebotenen Schutzes eindeutig gehalten habe. Das Urteil gibt auch Vermittlern Orientierung, worauf es für ihre Kunden ankommt.

Die aktuellen rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Anbietern von Betriebsschließungsversicherungen und Unternehmen, die im Zuge der Corona-Krise ganz oder teilweise dicht machen mussten, bereiten nicht nur den direkt Betroffenen Kopfzerbrechen. Auch diejenigen, deren unternehmerische Existenz nicht auf dem Spiel steht, wie Aktionäre der Versicherer und auch hochrangige Politiker, blicken mit Spannung auf die zahlreichen anhängigen Verfahren vor deutschen Gerichten.

Präzise Formulierung entscheidend

Zuletzt hatte das Münchner Landgericht einen Versicherer zur Leistung von über 1 Mio. Euro verpflichtet (AssCompact berichtete). Der Versicherer hatte den Versicherungsschutz in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nicht präzise eingeschränkt. Ein weiterer aktueller Fall aus dem Verfahrenskomplex Betriebsschließungsversicherung beweist jedoch, dass es auch anders geht. In ihm hatte der Versicherer seine maßgebende Klausel eindeutig formuliert und muss nun laut Urteil des Landgerichts (LG) Bochum keine Versicherungsleistung erbringen.

Maximal sechs Wochen und 250.000 Euro

Bei der Klägerin in dem vorliegenden Fall, handelt es sich um die Betreiberin einer Gaststätte mit Biergarten. Die Betreiberin hatte mit ihrem Versicherer eine Betriebsschließungsversicherung vereinbart, die leisten sollte, falls die Gaststätte von den zuständigen Behörden ganz oder teilweise geschlossen würde. Der Versicherer verpflichtete sich gegenüber der Gaststättenbetreiberin, bis zu sechs Wochen zu leisten und das bis zu einer maximalen Versicherungssumme von 250.000 Euro.

Versicherer verweigert Leistung

Als es im Zuge der Corona-Krise schließlich tatsächlich dazu kam und Nordrhein-Westfalen Mitte März den Betrieb von Restaurants, Gaststätten, Kneipen und Cafés untersagte, forderte die Betreiberin die vermeintlich zugesicherten Leistungen ihres Versicherers ein, doch der weigerte sich.

Versicherungsschutz auf genannte Erreger begrenzt

Der Versicherer wehrte die Ansprüche unter Verweis darauf ab, dass lediglich gegen die im Versicherungsvertrag konkret aufgezählten Krankheiten und Erreger ein Versicherungsschutz bestünde. Die Betreiberin der Gaststätte klagte daraufhin gegen den Versicherer und forderte den fälligen Betrag per einstweiligem Rechtsschutz ein.

Bekannte Argumente

Vor dem Landgericht Bochum war es dann wieder das bekannte Argumentationsmuster. Während sich die Wirtin darauf berief, dass der Vertrag auf das Infektionsschutzgesetz abstellt und eine Schließung aufgrund von Corona deshalb versichert sei, hielt der Versicherer daran fest, dass die Versicherungsnehmer nur gegen die im Vertragswerk aufgezählten Erreger versichert seien und somit im konkreten Fall ein Versicherungsschutz ausgeschlossen sei.

Statische oder dynamische Verweisung?

Was sollte nun gelten? Der Verweis auf das Infektionsschutzgesetz oder die Aufzählung der Krankheiten und Erreger? Das Gericht hatte diesbezüglich zu entscheiden, ob es sich um eine statische Verweisung oder um eine dynamische Verweisung handele. Sollten die Bedingungen als statische Verweisung zu verstehen sein, stellt die Aufzählung eine abschließende Liste von Erregern dar, gegen die der Wirtin Versicherungsschutz zusteht. Müssten die Versicherungsbedingungen hingegen so verstanden werden, dass es sich um eine dynamische Verweisung handele, würde die Liste der Erreger, gegen die Versicherungsschutz besteht, automatisch anwachsen, sobald ein meldepflichtiger Erreger ins Infektionsschutzgesetz aufgenommen wird.

Wenn das Wörtchen „nur“ nicht wär

Das Landgericht Bochum entschied schließlich, dass der Wirtin keine Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung zustünden. Nach Überzeugung des Gerichts handele es sich um eine statische Verweisung. Die Klausel sei diesbezüglich klar formuliert: „Meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtige Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrages sind nur die im Folgenden aufgeführten Krankheiten und Krankheisterreger.“ Mit dem Zusatz „nur“ habe der Versicherer verdeutlicht, dass es sich nicht um eine beispielhafte, sondern vielmehr um eine abschließende Aufzählung handele.

Zweifel bei der Auslegung gegen zulasten des Versicherers

Das Urteil verdeutlicht, dass es bei der Frage, ob Betroffene auf Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung hoffen können, stark auf die konkrete Formulierung in den einzelnen Verträgen ankommt. Im Fall vor dem Landgericht München waren zwei Interpretationen des Vertragstextes möglich und Zweifel bei der Auslegung werden laut § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders ausgelegt. Demgegenüber hat der Versicherer im Fall vor dem Landgericht Bochum mit dem Wort „nur“ für Klarheit gesorgt.

Kunden haben Beratungsbedarf

Versicherungsnehmer wird mit dem Urteil auch vor Augen geführt, dass sie im Falle einer statischen Verweisung nicht gegenüber neuartigen Krankheitserregern abgesichert sind. Wenn die Aufzählung im Versicherungsvertrag abschließend ist, muss der Vertrag ergänzt werden, sollte der Versicherungsnehmer Absicherung gegenüber Erregern wünschen, die seit Vertragsschluss in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen wurden. Ein wichtiger Punkt, auf den Makler bei der Vermittlung von Betriebsschließungsversicherungen achten sollten, um auf die Bedürfnisse ihrer gewerblichen Kunden einzugehen. (tku)

LG Bochum, Urteil vom 15.07.2020, Az.: 4 O 215/20

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