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Steuern & Recht
6. April 2020
Betriebsvereinbarung unwirksam: Fahrtzeiten sind zu vergüten

Betriebsvereinbarung unwirksam: Fahrtzeiten sind zu vergüten

Eine Betriebsvereinbarung darf die Vergütung von Fahrtzeiten nicht einschränken, wenn der geltende Tarifvertrag keine Öffnungsklausel enthält. Dies zeigt ein aktuelles Urteil des BAG. Entscheidend sei laut BAG, ob der Tarifvertrag eine abschließende Regelung zur Vergütung von Fahrtzeiten enthält.

Während alle Welt nur noch über Home-Office redet, scheint das Thema Fahrtzeit bzw. Fahrtzeitvergütung fast aus der Zeit gefallen. Doch ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) macht deutlich, dass die Justiz auch in der derzeitigen Ausnahmesituation für das Arbeitsrecht relevante Urteile spricht – auch abseits von Home-Office. So geschehen im Fall eines Außendienstmitarbeiters aus Niedersachsen.

Betriebsvereinbarung schränkt Vergütung ein

Der Mann hatte von seinem Arbeitgeber die Vergütung seiner An- und Abfahrtszeiten bei Kundenterminen verlangt. Diese hatte ihm der Arbeitgeber bisher nicht in vollem Umfang gezahlt, da eine geltende Betriebsvereinbarung vorsah, dass die Fahrt zum ersten Kunden sowie vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zähle. Eine Ausnahme bestand nur dann, wenn die jeweilige Fahrt 20 Minuten Fahrtzeit überschritt.

Arbeitnehmer fordert Vergütung von An- und Abfahrt

Im Tarifvertrag des Groß- und Außenhandels Niedersachsen, an den der besagte Arbeitgeber gebunden ist, ist jedoch keine derartige Ausnahmeregelung vorgesehen. Deshalb sah der Kläger die Betriebsvereinbarung als unzulässig an und forderte auch die Vergütung seiner An- und Abfahrtszeiten.

Klage scheitert in erster und zweiter Instanz

Sowohl das erstinstanzliche Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht hatten die Klage des Mannes abgewiesen. Im Revisionsverfahren vor dem BAG sah es nun jedoch anders aus.

BAG gibt Klage statt und hebt Urteil auf

Das BAG hielt die Revision des Klägers für zulässig und begründet. Das Gericht hob daraufhin das bisher geltende Urteil auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück an das zuständige Landesarbeitsgericht.

Fahrtzeiten müssen voll entlohnt werden

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die An- und Abfahrten Tätigkeiten seien, die der Kläger im Rahmen seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten erbringe. Dementsprechend seien sie mit der tariflichen Grundvergütung zu entlohnen.

Betriebsvereinbarung verstößt gegen Tarifsperre

Von dieser Regelung durch eine Betriebsvereinbarung abzuweichen, sei laut BAG nicht zulässig. Die Betriebsparteien seien nicht befugt, die tariflichen Vorgaben zulasten des Arbeitnehmers zu ändern. Es finde sich im Tarifvertrag nämlich keine Öffnungsklausel, die eine abweichende Betriebsvereinbarung zulasse. Die Betriebsparteien hätten dementsprechend die Grenzen ihrer Regelungsbefugnis überschritten, da für sie die sogenannte Tarifsperre (§ 77 Abs. 3 BetrVG) gilt.

Abschließendes Urteil vom Landesarbeitsgericht erwartet

Der Fall wird nun vor dem Landesarbeitsgericht wieder neu verhandelt werden. Dieses hat nun zu entscheiden, ob und inwieweit die An- und Abfahrtzeiten die vertraglich geregelte, regelmäßige Arbeitszeit überschritten haben, die der Kläger zu leisten hatte. (tku)

BAG, Urteil vom 18.03.2020, Az.: 5 AZR 36/19

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