AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
3. Februar 2020
BGH: Anlageberater haftet für unbeabsichtigte Beratung

BGH: Anlageberater haftet für unbeabsichtigte Beratung

Ein Anlageberater oder -vermittler kann auch dann für eine fehlerhafte Beratung haftbar gemacht werden, wenn er diese selbst nur als persönlichen Hinweis interpretiert hat. Und auch für spätere Entscheidungen, die sich aus der Beratung ergeben, muss er eventuell einstehen. So zumindest lautet ein Urteil des BGH.

Wann ist eine Anlage wirklich sicher? Eigentlich nie, würden vorsichtige und ehrliche Anlageberater vermutlich antworten. Doch nicht alle Vertreter dieser Zunft sind so zurückhaltend, wie es dieses sensible Thema verlangt. Gerade wenn es über Jahrzehnte hinweg zu einem sehr persönlichen Austausch zwischen Berater und Kunden gekommen ist, können die Grenzen zwischen freundschaftlichem Kontakt und professioneller Beratung gefährlich verschwimmen. Geschehen so in einem Fall, bei dem letztendlich der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil sprechen musste.

Hohe Rendite bei kurzer Laufzeit

Der Kläger war Ende 2005 auf der Suche nach einer Altersvorsorge. Sein Anlageberater stellte ihm daraufhin diverse Renten- und Lebensversicherungsprodukte vor. Der Kläger wollte jedoch eine hohe Rendite bei einer kurzen Laufzeit erzielen. Nachdem er dies deutlich gemacht hatte, verwies der Anlageberater auf eine Anlagemöglichkeit bei einem Rechtsanwalt, der neben seiner Tätigkeit als Jurist auch kurzfristige Kapitalanlagen zu Festzinsen anbieten würde.

Berater empfiehlt Anlage

Der Berater gab an, dass er und seine Kollegen dieses Angebot auch in Anspruch nehmen würden. Um was es sich im Einzelnen bei dieser Anlage handelte, wurde von dem Berater nicht thematisiert. Jedoch beschrieb er die Anlagemöglichkeit als absolut sicher, für die Bedürfnisse des Klägers geeignet, vertrauenswürdig und seriös – und dies bei einer Renditeaussicht von 8%.

Anlagevolumen von über 200.000 Euro

Im Weiteren legte der Kläger zuerst 10.000 Euro bei dem Rechtsanwalt an, was die Mindestanlage darstellte. In den folgenden sieben Jahren erhöhte er sein Anlagevolumen um weitere 200.000 Euro.

8 Mio. Euro Schulden

2014 starb der Rechtsanwalt schließlich und über seinen Nachlass wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Dabei stellte sich heraus, dass der Insolvenzmasse von 400.000 Euro Forderungen von über 8 Mio. Euro gegenüberstanden.

Schadensersatzforderung

Der Kläger wandte sich gegen den Arbeitgeber seines Anlageberaters und verlangte Schadensersatz für alle Verluste, die ihm bei der Anlage entstanden waren. Der Mitarbeiter des Unternehmens habe seine Pflichten verletzt, die sich aus dem Beratungsvertrag zur Alterssicherung ergäben.

Prozessverlauf

Das Landgericht hatte der Klage entsprochen und festgestellt, dass das angeklagte Unternehmen die Schäden zu ersetzen habe. Das zweitinstanzlich angerufene Oberlandesgericht hatte die Klage hingegen abgewiesen. Über die Revision des Klägers sollte nun der BGH urteilen.

Zurückverweisung an Oberlandesgericht

Dieser hob schließlich das Urteil des Oberlandesgerichts Celle wieder auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück. Der BGH war der Ansicht, dass sehr wohl ein Beratungsvertrag zustande gekommen war.

BGH sieht Beratungsvertrag als gegeben

Laut Ansicht des Gerichts, sei es unerheblich, dass der Berater davon gesprochen habe, dass er selbst auch sein Geld bei dem Anwalt anlege. Dies spreche nicht zwangsläufig dafür, dass der Berater nicht professionell sondern als Privatmann agieren würde. Auch sei das fehlende Beratungsgespräch vor der Empfehlung kein Hinweis, dass es sich um keine Anlageberatung gehandelt habe. Schließlich hatte ein derartiges Gespräch bereits zuvor bei der Auslotung von Renten- und Lebensversicherungsprodukten stattgefunden.

Anlageberatung kam stillschweigend zustande

Ob es sich im konkreten Fall um eine stillschweigend zustande gekommene Anlageberatung oder lediglich um eine Anlagevermittlung handelte, sieht der BGH als unerheblich an. Das beklagte Unternehmen wäre verpflichtet gewesen, über die Risiken und Umstände der Anlage aufzuklären. Das Unternehmen hat jedoch das Vorgehen des Rechtsanwalts nicht geprüft und den Kläger auch nicht darauf hingewiesen, dass eine Prüfung nicht stattgefunden hat.

Haftung für folgende Anlageentscheidungen ist möglich

Zumindest die 10.000 Euro Mindestinvestition stehen somit als möglicher Schadensersatz im Raum. Ob das Unternehmen auch für die weiteren 200.000 Euro des Klägers geradestehen muss, wird erneut das OLG Celle zu entscheiden haben. Grundsätzlich ist es laut BGH jedoch denkbar, dass das Unternehmen auch für eine folgende Anlageentscheidung haftet. Hierfür müsste jedoch ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Beratungsgespräch und der späteren Anlageentscheidung nachgewiesen werden. (tku)

BGH, Urteil vom 21.11.2019, Az.: III ZR 244/18

Bild: © vchalup – stock.adobe.com