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Steuern & Recht
26. Juni 2023
BGH-Entscheidung zu Betretungsrecht des Vermieters

BGH-Entscheidung zu Betretungsrecht des Vermieters

Will ein Vermieter eine Wohnung verkaufen oder neu vermieten, muss der Mieter dem Vermieter, Kaufinteressenten und Maklern Zutritt zur Wohnung gewähren. Doch gilt dieser Grundsatz auch bei einer psychisch schwer erkrankten Mieterin? Damit hat sich der BGH befasst.

Der Schutz des Eigentums sowie der Schutz auf Ungestörtheit in der gemieteten Wohnung sind grundgesetzlich garantiert. Doch in manchen Fällen stehen die Artikel mit Verfassungsrang in einem Normenkonflikt. So auch in einem dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe vorgelegten Sachverhalt, in dem die Richter über das Ausmaß des Betretungsrechts eines Vermieters zu entscheiden hatten.

Mieterin wehrt sich zwei Jahre lang gegen Besichtigungstermin

Konkret wehrte sich eine Mieterin gegen eine Besichtigung ihrer Wohnung durch Kaufinteressenten bzw. Immobilienmakler. In ihrem Formularmietvertrag war ausdrücklich ein Besichtigungsrecht bei besonderen Anlässen, so im Rahmen eines geplanten Verkaufs, enthalten. Zwei Jahre forderten die Vermieter sie daher auf, Besichtigungen der Räumlichkeiten durch Makler und Interessenten zuzulassen.

Gutachten bescheinigt schwere psychische Erkrankung

Doch dies lehnte die Bewohnerin unter Verweis auf ihre schwerwiegende psychische Erkrankung ab. Das Amtsgericht Hersbruck (AG) gab den Eigentümern weitestgehend Recht. Das Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) hingegen widmete sich der Sache eingehender und holte ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ein.

Demzufolge litt die Frau seit mehr als 20 Jahren an einer komplexen psychischen Störung. Sie habe mehrere Selbstmordversuche unternommen und sei teils in stationärer Behandlung gewesen, schilderte das Gutachten. Sie sehe daher die Wohnung als ihren einzigen Rückzugs- und Schutzraum an. Nach den Ausführungen des Sachverständigen könne das Risiko auch durch weitere medikamentöse oder therapeutische Maßnahmen nicht weiter gesenkt werden. Der Gutachter befürchtete daher bei einem Erfolg der Klage eine Verschlechterung des Gesundheitszustands bis hin zum Suizid.

Gewährung des Zutritts ist vertragliche Nebenpflicht

Die Karlsruher Richter waren prinzipiell mit dem Vorgehen des LG einverstanden. Denn im Grundsatz habe die Mieterin aus § 242 BGB eine vertragliche Nebenpflicht, nach Vorankündigung bei besonderen Anlässen Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Diese sei im vorliegenden Sachverhalt zusätzlich im Mietvertrag verankert worden. Bei schwerwiegenden Gefahren für Leib oder Leben des Mieters könne es aber sein, dass die Interessen des Vermieters zurückstehen müssten. So befürworteten die BGH-Richter, dass das LG mit der Einholung des Gutachtens seine Interessenabwägung auf eine tragfähige Grundlage gestellt habe.

Mieterin könnte sich von Vertrauensperson vertreten lassen

Nichtsdestotrotz übte das Gericht Kritik am Urteil des LG. Denn es habe sich nicht mit den Ausführungen des Gutachtens auseinandergesetzt, wonach sich das Risiko für gesundheitliche Komplikationen verringern könnte, wenn sich die Mieterin bei einem Betreten der Wohnung durch den Vermieter, Kaufinteressenten oder Makler von einer Vertrauensperson vertreten lasse. Der Sachverständige habe darin nämlich ausgeführt, dass sich die Gesundheitsgefahren verringern lassen könnten, wenn statt der Mieterin eine Vertrauensperson bzw. ein Rechtsanwalt für sie an der Besichtigung teilnehme. Diesen Aspekt muss das LG nun laut BGH-Richter näher prüfen. (as)

BGH, Urteil vom 26.04.2023 – Az. VIII ZR 420/21

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