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Steuern & Recht
16. Oktober 2023
BGH verschärft Aufklärungspflicht beim Immobilienverkauf

BGH verschärft Aufklärungspflicht beim Immobilienverkauf

Immobilienverkäufer nutzen virtuelle Datenräume, um Käufern relevante Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Doch wie rechtzeitig sind diese Dokumente zu hinterlegen? Im Falle einer Gewerbeimmobilie hat darüber nun der Bundesgerichtshof entschieden.

Die Informations- und Aufklärungspflichten des Verkäufers im Vorfeld eines Immobilienverkaufs sind von den Richtern am Bundesgerichtshof (BGH) deutlich verschärft worden. Dem Urteil zufolge müssen Verkäufer künftig nämlich beachten, dass eine übermäßige und bisweilen auch kurzfristige Offenlegung von Unterlagen in einem virtuellen Datenraum wie einem cloudbasierten Speicherplatz allein nicht ausreicht, um dem Käufer im Kaufvertrag die Kenntnis dieser Dokumente zu unterstellen und jegliche eigene Haftung auszuschließen.

Protokoll stand erst drei Tage vor dem Notartermin zur Verfügung

Im konkreten Fall ging es um den Kauf mehrerer Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex für mehr als 1,5 Mio. Euro. Die Käuferin – eine Firma – fühlte sich arglistig getäuscht, weil sie zu spät davon erfahren habe, dass hohe Kosten für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums auf sie zukommen könnten. Das Protokoll zu einer wichtigen Eigentümerversammlung stellte der Verkäufer nämlich erst drei Tage vor Vertragsabschluss in den Datenraum. Aus Sicht der Käuferin geschah das damit „klammheimlich“; das Dokument wurde ihr somit regelrecht „untergeschoben“, argumentierte sie und focht den Kaufvertrag an.

Ein Datenraum allein sichert nicht die Kenntnisnahme der Dokumente

Die BGH-Richter stellten zunächst grundsätzlich klar, dass die Einrichtung eines Datenraums und die Ermöglichung des Zugriffs auf die Daten für den Kaufinteressenten nicht zwangsläufig darauf schließen lasse, dass der Käufer die Dokumente auch zur Kenntnis nehmen werde. Der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewährt, erfüllt daher hierdurch seine Aufklärungspflicht nur, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von den Dokumenten erlangen wird.

Ob dies aus Verkäufersicht der Fall ist, so das Urteil, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab, etwa davon, ob und in welchem Umfang der Käufer – wozu er von Gesetzes wegen nicht verpflichtet ist – eine sogenannte Ankaufsuntersuchung (Due Diligence) durchführt, wie der Datenraum und der Zugriff hierauf strukturiert und organisiert sind, welche Vereinbarungen hierzu getroffen wurden, wie wichtig die Information ist, um deren Offenbarung es geht, und wie leicht sie im Datenraum aufzufinden ist.

BGH: Es hätte eines gesonderten Hinweises bedurft

Im vorgelegten Fall konnte der Verkäufer hingegen nicht die berechtigte Erwartung haben, dass die Käuferin die in dem Protokoll enthaltenen Informationen noch vor Vertragsschluss zur Kenntnis nehme. Denn der Verkäufer habe das Protokoll der wichtigen Eigentümerversammlung erst kurz vor Abschluss des Kaufvertrages in den Datenraum eingestellt – und das ohne die klagende Käuferin hierüber in Kenntnis zu setzen. Die Käuferin, so die BGH-Richter, hatte ohne gesonderten Hinweis auf das neu eingestellte Dokument keinen Anlass, in dem Zeitfenster zwischen dem Einstellen des Protokolls am Freitag, den 22.03.2019, und dem Notartermin am Montag, den 25.03.2019, noch einmal Einsicht in den Datenraum zu nehmen.

Der BGH hat den Sachverhalt zur endgültigen Klärung an das Berufungsgericht (Oberlandesgericht Celle) zurückverwiesen. (as)

BGH, Urteil vom 15.09.2023 – Az. V ZR 77/22

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