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Steuern & Recht
29. Mai 2020
BSG kippt gängige Fristregelung für Krankenkassen

BSG kippt gängige Fristregelung für Krankenkassen

Die verspätete Antwort einer Krankenkasse auf den Antrag eines Patienten hat die gängige Rechtsprechung in Deutschland geändert. Ein Antrag gilt nun nicht mehr automatisch als angenommen, wenn die maßgebliche Frist zur Antwort versäumt wurde. Ein Freibrief zum Verzug ist das Urteil des BSG jedoch nicht.

Ein Leistungsantrag bei einer Krankenkasse, der längere Zeit unbeantwortet bleibt, gilt als genehmigt. So war das zumindest bisher. Diese sogenannte Genehmigungsfiktion galt dann, wenn innerhalb einer kurzen Frist vonseiten der Krankenkasse nicht über den Antrag entschieden wurde. Doch dieser bisherigen Rechtspraxis hat nun das Bundessozialgericht (BSG) ein Ende gemacht – zumindest größtenteils.

Medikament zeigt Wirkung

Im konkreten Fall ging es um einen Mann, der an einer Gangstörung leidet. Zur Linderung seines Leidens hatte sein behandelnder Arzt ihm ein Medikament verordnet, das jedoch nur zur Behandlung von Gangstörungen bei multipler Sklerose zugelassen ist. Da das Medikament sein Gangbild maßgeblich verbesserte, beantragte der Patient die Kostenübernahme durch seine Krankenkasse. Die Krankenkasse blieb eine Antwort zunächst schuldig.

Krankenkasse versäumt Frist

Weit nach Ablauf der maßgeblichen Frist lehnte die Krankenversicherung schließlich den Antrag ab. Zu spät, meinte der Patient und klagte gegen die Krankenkasse. Nach Ablauf der Frist gelte der Antrag als bewilligt, sofern zuvor keine Ablehnung erfolgt sei.

BSG korrigiert eigene Rechtsprechung

Sowohl das Sozialgericht als auch das zuständige Berufungsgericht gaben dem Kläger recht und stützten sich dabei auf die gängige Rechtsprechung des BSG zur Genehmigungsfiktion. Im Revisionsverfahren vor dem BSG selbst hingegen kam es zur Überraschung. Das BSG korrigierte sein Haltung zur Genehmigungsfiktion.

Selbstbeschaffungsrecht bis zur abschließenden Entscheidung ...

Laut Entscheidung des obersten deutschen Sozialgerichts beende der Ablauf der maßgeblichen Frist nicht das Antragsverfahren. Der Antrag sei deshalb nicht angenommen. Vielmehr habe der Versicherte lediglich das Anrecht auf Selbstbeschaffung unter Kostenübernahme, bis eine abschließende Entscheidung durch die Krankenkasse getroffen wird.

... beinhaltet auch das Gerichtsverfahren

Die Genehmigungsfiktion bedeute folglich nur, so das BSG, dass der Patient davon ausgehen könne, nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben, die im Zuge der Selbstbeschaffung des Medikaments entstünden. Die Genehmigungsfiktion gelte auch noch für den Zeitraum von etwaigen Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren.

Verfahren zurückverwiesen

Da das Landessozialgericht in seinem Urteil lediglich auf die Genehmigungsfiktion abgezielt hatte und weitere Möglichkeiten zum sogenannten Off-Label-Einsatz außer Acht gelassen wurden, hat das BSG das Verfahren erneut an die Vorinstanz zurückverwiesen. Unter Off-Label-Einsatz wird die Verwendung von Medikamenten außerhalb ihrer Zulassung verstanden. (tku)

BSG, Urteil vom 26.05.2020, Az.: B 1 KR 9/18 R

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