AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
24. Februar 2020
BU-Versicherung: Was passiert bei Unkenntnis über Arztdiagnose?

BU-Versicherung: Was passiert bei Unkenntnis über Arztdiagnose?

Ein aktuelles BGH-Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die BU-Vermittlung. Dabei geht es auch um den leider nicht seltenen Fall, dass Ärzte Diagnosen stellen von denen der Betroffene gar nichts weiß. Was in einem solchen Fall zu unternehmen ist, klärt Kathrin Pagel, Rechtsanwältin der Kanzlei Michaelis in ihrem Urteilskommentar.

In einem Versicherungsanrtrag werden vor Vertragsschluss die für den Versicherer relevanten Risikofragen aufgeklärt. Dazu werden Risikofragen anhand eines Fragenkataloges gestellt, die der Versicherungsnehmer vollständig und richtig beantworten muss. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung sind das die Gesundheitsfragen. Das ist einer der wichtigsten Schritte für beide Vertragsparteien bei der Antragstellung. Macht der Versicherungsnehmer Fehler bei der Beantwortung bestimmter Versichererfragen besteht die Gefahr, dass der Versicherer später im Leistungsfall nicht leistet, der Versicherungsnehmer die Prämien aber dennoch zu zahlen hat.

BGH-Urteil klärt Anzeigepflicht

Die Frage, ob und inwieweit der Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss weitergehende Ermittlungen zu seinem Gesundheitszustand durchführen muss, beschäftigt die Versicherungsvermittler und ihre Kunden bei jedem Abschluss eines Versicherungsvertrages. Auf die Frage nach Erkrankungen, Beschwerden und Behandlungen der letzten 5 Jahre und stationärer Aufenthalte in den letzten 10 Jahren kommt so mancher Versicherungsnehmer ins Grübeln. Sehr aufschlussreich war zu dieser Frage ein Beschluss des BGH (Urteil vom 25.09.19; Az.: IV ZR 247/18) aus dem letzten Jahr (AssCompact berichtete).

Gelenkbeteiligung bei Brüchen?

Auf die Frage nach Unfällen mit dem Klammerzusatz „(unerheblich sind einfache, folgenlos verheilte Knochenbrüche ohne Gelenkbeteilung)“ hatte der Versicherungsnehmer mit „nein“ geantwortet. Tatsächlich hatte der Versicherungsnehmer innerhalb des fraglichen Zeitraums einen Wadenbeinbruch erlitten, der auch stationär behandelt worden war. Darüber hatte er seinen Versicherungsvertreter auch informiert und mitgeteilt, dass der Wadenbeinbruch jedoch ohne Gelenksbeteiligung gewesen war. Der Versicherungsvertreter hat bestätigt, dass ein anzeigepflichtiger Umstand nicht vorliegen würde.

Patient erfährt über Versicherer von der Diagnose

Daraufhin kam der Vertrag zu Stande und im Rahmen einer späteren Leistungsprüfung, die damit nicht im Zusammenhang stand, wurden unter Anderem ärztliche Dokumentationen angefordert. So erhielt der Versicherer Kenntnis davon, dass offenbar eine Beteiligung des Sprunggelenks diagnostiziert worden war. Eine spätere Beweisaufnahme konnte nicht bestätigen, dass der Versicherungsnehmer von dieser Gelenksbeteiligung Kenntnis erlangt hatte.

Beweislast der Kenntnis liegt beim Versicherer

Der BGH hat in seinem Beschluss ausdrücklich klargemacht, dass der Versicherer hinsichtlich der Kenntnis des Versicherungsnehmers in der Beweislast ist. Erforderlich ist positive Kenntnis von einem anzeigepflichtigen Umstand. Es genügt somit nicht, so der BGH, wenn der Versicherungsnehmer nur fahrlässige Unkenntnis hat. 

Für Vermittler: Wann liegt eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung vor?

Hätte der Versicherungsnehmer also gegebenenfalls wissen können oder sich darüber informieren können, dass eine erfragte Vorerkrankung vorlag, dies aber nicht getan, kann er eine vorvertragliche Anzeigepflicht nicht verletzen. Dies ist eine sehr wichtige Informationen für die Praxis der Beratung von Versicherungsnehmern. Fordert ein Versicherungsnehmer bei Antragstellung Informationen von seinem behandelnden Arzt an und waren ihm diese Informationen zuvor nicht bekannt, wandelt sich die zuvor bestehende fahrlässige Unkenntnis unter Umständen in positive Kenntnis um. Damit können unter Umständen bisher von dem Versicherungsnehmer noch nicht erkannte Umstände zu Ausschlüssen im Versicherungsvertrag führen.

Andererseits muss der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss auch gründlich überlegen, welche konkreten Umstände bereits bekannt sind und die Fragen im Versicherungsantrag auf dieser Grundlage beantworten. Dem Vorwurf des Versicherers hinsichtlich einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung lässt sich in den weit überwiegenden Fällen in meiner Praxis gut begegnen.

Bild: © pathdoc – stock.adobe.com

Lesen Sie auch: BU: Rückwirkende Vertragsänderungen sind unrechtmäßig

 
Ein Artikel von
Kathrin Pagel

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Markus Lörch am 25. Februar 2020 - 09:28

Es stellt sich mir nach diesem Beschluss die Frage, inwiefern die Versicherung in der Zukunft überhaupt noch in der Lage sein soll eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung in Gänze durchzusetzen, wenn der VN sich jeder Zeit darauf berufen kann, dass er von der in der Krankenakte vermerkten Diagnosen nichts gewusst habe. Da die Beweislast, laut Beschluss wohl beim Versicherer liegen soll, wird es diesem schwer fallen beweisen zu könne, dass der VN Kenntnis von der niedergeschriebenen Diagnose hatte. Das ist insofern problematisch , als dies zu höheren Schadenzahlen und damit auch zu höheren Kosten für die Versicherungen führen wird. Hier wird dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, was im Ergebnis auch keiner wollen kann.