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11. November 2021
Cyberversicherung: „Gute Beratung gibt es nicht überall“

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Cyberversicherung: „Gute Beratung gibt es nicht überall“

Mit zunehmenden Cyberschäden wächst das Risikobewusstsein der Firmen. Die Nachfrage nach bezahlbarem Versicherungsschutz steigt, die Prämien aber auch. Wie eine zeitgemäße Absicherung aussieht und wo Vermittler im Vertrieb ansetzen können, dazu hat AssCompact nachgefragt bei der ERGO.

Interview mit Dr. Christian Gründl, Mitglied des Vorstands der ERGO Versicherung AG, und Alexander Schudra, Leiter Cyber-Versicherung bei der ERGO Versicherung AG
Herr Dr. Gründl, Cyberschäden allein in Deutschland haben laut einer aktuellen Bitkom-Studie die Marke von 200 Mrd. Euro bereits überschritten. Mit Blick auf den Cyberversicherungsmarkt sind das keine guten Nachrichten, oder?

Dr. Christian Gründl: Die Zahl kommt mir sehr hoch vor. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland schätzungsweise 160 Mio. Euro an Prämien im Cyberbereich eingenommen, der Schaden ist wohl mindestens 20 Mal so hoch, möglicherweise sogar 50 Mal so hoch. Ein Großteil der Schäden ist nicht versichert. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Cyberattacken in den kommenden Jahren zunehmen wird. Daher müssen wir uns gemeinsam mit unseren Kunden verstärkt auf Prävention und Risikomanagement konzentrieren, um die Gefahren möglichst klein und die Prämien bezahlbar zu halten.

Versicherungsmakler und Kunden beklagen hohe Prämien und eine zurückhaltende Zeichnungspolitik der Versicherer. Sie sind offensichtlich genervt. Wie kann sich die Lage entspannen?

Dr. Christian Gründl: Da habe ich vollstes Verständnis. Der Markt kommt aus einer Phase mit wenig Nachfrage, das Risiko war schwer greifbar und die Produkte weitestgehend zu sehr günstigen Prämien verfügbar. Das alles hat sich in weniger als zwei Jahren komplett verändert: Die Attacken und damit die Schadenaufwände steigen rapide, entsprechend agieren die Versicherer viel vorsichtiger, fragen mehr nach, erhöhen die Prämien oder ziehen sich ganz zurück. Gleichzeitig steigt das Risikobewusstsein durch die mediale Präsenz rasant an und führt zu einer enormen Nachfrage nach Versicherungsschutz. Wenn Beides, wie aktuell zu beobachten, aufeinandertrifft, ist Unmut gewissermaßen vorprogrammiert.

Die gute Nachricht ist, dass die Versicherungsbranche der Veränderungsgeschwindigkeit gewachsen ist. Kunden, Makler und Versicherer finden in vielen Fällen Lösungen, denn am Ende haben wir alle ja dasselbe Interesse: Unsere Kunden abzusichern gegen Cybergefahren. Die Versicherer professionalisieren ihr Pricing und Wording sowie die Risikoaudits. Gleichzeitig schlüpfen Makler inzwischen sehr professionell in die Rolle des Risikoberaters hinsichtlich Informationssicherheit. Das ist aktuell auch eine gute Strategie, um neue Mandate zu gewinnen und bestehende zu festigen – gute Beratung gibt es in diesem Bereich nicht überall und sie ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Und die Kunden bemerken, dass mit teilweise sehr einfachen Mitteln viel Sicherheit gewonnen werden kann, was sich wiederum positiv auf das Wording und die Prämie auswirkt.

Herr Schudra, während sich die einen der Risiken bewusst sind und nach Schutz suchen, hängt es – zumindest teilweise noch – beim Mittelstand. Oder machen Sie da andere Erfahrungen?

Alexander Schudra: Das Risiko durch Cyberattacken war vielen Unternehmen kaum bewusst. Nur 28% der kleinen und mittleren Unternehmer sehen in digitaler Kriminalität eine Gefahr für ihren eigenen Betrieb, ergab eine Studie des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft im vergangenen Jahr. Die eigenen Daten seien zu uninteressant, die Server gut abgesichert – eine Cyberversicherung hielt die große Mehrheit der Befragten aus diesen Gründen nicht für nötig. Dabei sieht die Realität anders aus: Die Zahl der Cyberattacken auf Unternehmen ist allein im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2019 um fast 70% gestiegen. Betroffen sind alle Branchen und Betriebe jeder Größe. Es lohnt sich für jeden Betrieb, eine Cyberversicherung abzuschließen. Sie schützt vor einer Gefahr, die alle Branchen betrifft und der sich jedes Unternehmen bewusst sein muss.

Inzwischen ist das Risikobewusstsein durchaus auch im Mittelstand angekommen. Man kann zwar nach wie vor zwischen Kleinstgewerbetreibenden und zum Beispiel etwas größeren Firmen eine Diskrepanz hinsichtlich der Bewertung erkennen. Alles in allem spüren wir in allen Bereichen aber eine enorm gestiegene Nachfrage. Der aktuellen Bitkom-Studie zufolge waren von über 1.000 befragten Unternehmern 88% von einem Cybervorfall betroffen. Die übrigen 12% vermuten es, sind sich aber nicht sicher. Insofern kann man konstatieren: Grundsätzlich verstanden haben sollte es jeder. Die wichtige Frage im Anschluss ist aber: Was kann ich tun, um das Risiko in den Griff zu bekommen?

 
Interview mit
Dr. Christian Gründl
Alexander Schudra