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28. November 2021
Datengestützte Customer Experience

Datengestützte Customer Experience

Versicherer wollen mehr über ihre Kunden wissen, um mit ihnen zu kommunizieren und um Angebote zu entwickeln, die zur Lebenssituation passen. Ziel ist es, einprägsame Kundenerlebnisse zu kreieren. Der Software­hersteller BSI sieht Nachholbedarf in der Umsetzung.

Von Oliver Hechler, Geschäftsführer der BSI Business Systems Integration Deutschland GmbH

Nach einer längeren Anlaufphase ist Big Data auch für Versicherer zum Motor für Innovationen und damit für Zukunftssicherung geworden. Speziell für eine bessere Customer Experience eröffnen die wachsenden Kundendaten in den Unternehmen in Kombination mit modernen Technologien für Analyse und Beziehungsmanagement ganz neue Perspektiven. Die Umsetzung verläuft jedoch zögerlich – und nicht wenigen Versicherern fehlen noch zentrale Grundlagen für eine datengestützte Customer Experience. Das zeigt eine Umfrage unter Entscheiderinnen und Entscheidern aus der Versicherungsbranche, die der Softwarehersteller BSI in Kooperation mit dem AMC Assekuranz Marketing Circle im Zeitraum 23.03. bis 16.04.2021 durchgeführt hat.

Versicherer wollen mehr über ihre Kunden wissen

Eines macht die Untersuchung jedoch deutlich: Für eine Mehrheit der Befragten (72%) ist eine datengestützte Customer Experience wichtig oder sehr wichtig. „Kundenverhalten besser kennenlernen“ (84%) und „Die Arbeit von Vertrieb und Marketing unterstützen“ (80%) haben für die meisten Befragten dabei Priorität, aber auch effizientere Prozesse durch Automatisierung (72%) spielen eine wichtige Rolle. Konsequenterweise kommen Kunden­daten bislang hauptsächlich im operativen Marketing und Vertrieb zum Einsatz: Bei 80% der Befragten werden sie für Cross- und Upselling-Empfehlungen genutzt, gefolgt von einer personalisierten Ansprache (68%), der Segmentierung beziehungsweise Definition von Audiences (60%) und der Planung von Customer Journeys (56%). Bei den konkreten Use Cases standen die proaktive Kundenansprache bei Änderung persönlicher Daten (68%) und personalisierte Kampagnen (56%) im Vordergrund. Eine kombinierte Beratung durch Chatbots und persönliche Ansprechpartner hat sich demgegenüber noch nicht durchgesetzt (16%), würde jedoch viel Potenzial für eine effiziente und gleichzeitig hochindividuelle Kundenbetreuung bieten.

Häufig fehlen Grundlagen

Gute Ansätze für eine daten­basierte Customer Experience sind demnach schon sichtbar, vielfach fehlt es aber noch an technologischen, organisatorischen und kulturellen Grundlagen. So gaben nur 24% der Befragten an, dass es in ihrem Unternehmen bereits eine Datenstrategie gibt; nur 32% verfügen über Daten zu Lebensereignissen von Kunden wie Heirat oder Umzug und 28% zum Verhalten im Web. Gerade ein vertieftes Kundenwissen wäre jedoch die Voraussetzung für eine personalisierte Kommunikation und für Angebote, die wirklich zur aktuellen Lebenssituation der Versicherten passen.

Bedarf im Hinblick auf die Umsetzung erfolgreicher Customer Journeys sahen die Befragten vor allem an einer guten konsolidierten Datenbasis (72%), dem richtigen Mindset und mehr Kundenorientierung (64%), einer gezielten Strategie sowie definierten Prozessen für Customer Journeys und einem modernen CRM-System (jeweils 52%).

Acht Handlungsempfehlungen für erfolgreiche Customer Experience

Bei der datengestützten Customer Experience von Versicherern ist demnach eindeutig noch Luft nach oben. Die folgenden acht Handlungsempfehlungen geben Hinweise, wo Versicherer Prioritäten setzen sollten:

  • Abteilungsübergreifendes Datenmanagement umsetzen: Ein stringentes Datenmanagement über die gesamte Organisation hinweg umzusetzen, ist der erste Schritt: Für eine 360-Grad-Datensicht müssen Versicherer ihre Kundendaten bereinigen, in Plattformen konsolidieren und für verschiedene Anwendungen aufbereiten.
  • Touchpoints schaffen: Um möglichst viele Erkenntnisse zum Kundenverhalten zu generieren, sollten Versicherer möglichst viele (sinnvolle!) Kontaktpunkte für die Kunden­interaktion schaffen.
  • Personalisierte Services und Angebote entwickeln: Ob es um den bevorzugten Kontakt­kanal, passende Produktempfehlungen oder ein generell personalisiertes Online-Erlebnis geht: Versicherer sind gut beraten, sich in Service, Marketing und Vertrieb an Bedarf und Präferenzen der Kunden zu orientieren. Informationen dazu liefern Daten aus den Kundeninteraktionen.
  • Nahtlose Mensch-Maschine-Kooperation umsetzen: KI-­gestützte Technologien für ein modernes Kundenbeziehungsmanagement erlauben eine nahtlose Zusammenarbeit von Mensch und Maschine bei der Kundenberatung. So eignen sich beispielsweise Chatbots für die Bearbeitung einfacher Kundenanfragen. Wo sie an ihre Grenzen stoßen, müssen jedoch ausreichend Kapazitäten für persönliche Beratung bereitstehen. Essenziell dafür ist eine einheitliche Datenbasis, auf die Mensch und Maschine zurückgreifen – siehe Handlungsempfehlung #1.
  • Kundenfeedback aktiv nutzen: Kundenfeedback ist extrem wertvoll für eine Verbesserung der Customer Experience: Versicherer sollten die Rückmeldungen und Wünsche von Kunden ebenso wie Hinweise aus dem Service-Team aktiv aufnehmen und in entsprechende Maßnahmen übersetzen.
  • Lebenswelt der Kunden kennenlernen: Eine 360-Grad-Sicht auf die unternehmensweiten Daten und deren Analyse in Echtzeit bietet Versicherern viele Möglichkeiten, ihre Kunden und deren Verhalten besser kennenzulernen. Auf dieser Grundlage entdecken Versicherer bislang vernachlässigte Kundenbedürfnisse und können Customer-Journey-Modelle für definierte Personas erarbeiten. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen anschließend in die Produktentwicklung, Neukundenakquise und Kampagnen­planung ein.
  • Vorteile der Nutzung von Kundendaten an Kunden und Vermittler kommunizieren: Die Bereitschaft zum Teilen von Daten steigt, wenn die Vorteile daraus ersichtlich werden. Das gilt für Vermittler ebenso wie für Verbraucher: Vermittler profitieren im Zweifelsfall von wertvollen Informationen oder effizienteren Prozessen, die ihnen die Arbeit erleichtern. Kunden erhalten im Gegenzug zur Preisgabe bestimmter Daten individuelle Angebote oder können die Interaktion mit ihrem Ver­sicherer stärker nach ihren Wünschen gestalten.
  • Agile und digitale Unternehmenskultur entwickeln: Die digitale Transformation im Versicherungssektor erfordert nicht nur geeignete Technologien, sondern auch Agilität, die Bereitschaft, Neues auszuprobieren, und die Einbindung der Belegschaft in den Transformationsprozess. Eine datengestützte Customer Experience kann nur gelingen, wenn Versicherer unternehmensinterne Silos abbauen, eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit fördern und damit die Kunden wirklich ins Zentrum ihrer Aktivitäten stellen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 11/2021, Seite 98 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Hurca! – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Oliver Hechler