AssCompact suche
Home
Management & Wissen
16. November 2020
Die Bereitschaft zum Jobwechsel ist geringer als in den Jahren zuvor

Die Bereitschaft zum Jobwechsel ist geringer als in den Jahren zuvor

Versicherern und Maklerunternehmen fällt es zunehmend schwerer, geeignete Mitarbeiter zu finden. Vielfach holen sich Firmen Unterstützung von einem Spezialisten wie Jan Hauke Krüger. Er ist Personalberater in der Versicherungsbranche und gibt Einblicke, wie sich die Personalsuche im „Corona-Jahr“ gestaltet.

Herr Krüger, wie steht es um die Personalsuche zum Ende eines sehr besonderen Jahres 2020? Welches Fazit ziehen Sie?

Es mag jeder seine abweichende Erfahrung machen, tendenziell – bestätigt im Austausch mit Dritten – nehme ich folgendes Szenario wahr: Die Wechselbereitschaft der Mit­arbeiter, also das Interesse zu wechseln, ohne Not zu haben, ist geringer als in den Jahren zuvor. Bei Vertriebspositionen erleben wir mehr oder weniger kompromissbereite Arbeitgeber, was auch einer unterschiedlichen Interpretation der Aufgabe geschuldet ist.

Wie gestaltet sich die Lage denn für die jeweiligen Altersgruppen? Wie schwer ist es, ab 50 noch den Job zu wechseln?

Mitarbeiter ab Mitte 20 erleben goldene Zeiten, wobei Entwicklungen vom Sachbearbeiter zum Senior-Underwriter innerhalb von drei Jahren schon stutzig machen. In der Altersgruppe bis Ende 30 spürt man – auch weil der Markt es fördert – einen starken Drang zur Gehaltsoptimierung. Einige Gehaltspakete sind bei objektiver Betrachtung ungesund, bei zunehmender Transparenz innerhalb der Unternehmen kann das zum Problem werden. Für die Gruppe Ü50 ist es schwer, sich neu zu platzieren. Meist gelingt es mit einem Sidestep und/oder regionaler Flexibilität, die nach wie vor entscheidend ist und meines Erachtens an Bedeutung zunimmt – ganz unabhängig von Home-Office-Lösungen. Tiefe Fachkenntnis erhöht die Chancen. Dafür treffen sie dann aber auch auf Arbeitgeber, die vieljährige Erfahrung wertschätzen.

Welche Anforderungen stellen denn die Unternehmen an künftige Mitarbeiter?

Die Qualitätserwartungen variieren. Manche Unternehmen wären froh, die Vakanzen halbwegs passend zu besetzen, andere Arbeitgeber erwarten besondere konzeptionelle und kommunikative Fähigkeiten als auch Kreativität, Anpassungs­fähigkeit und emotionale Intelligenz.

Und wie sieht es auf Bewerberseite aus?

Aufseiten der Bewerber finden wir eine ähnliche Situation. Während manche einfach dankbar für einen guten Job und nette Kollegen sind, fordern andere modernste IT-Systeme, flexible Struk­turen und agile Führung, viel Freiraum und Perspektiven.

Worauf kommt es an, wenn beide sich passend begegnen wollen?

Entscheidend für erfolgreiches Recruiting sind neben einem modernen und zügigen Ablauf unter anderem die Mentalität des Managements, das wahrgenommene Image, ein attraktives Gehaltspaket, flexible Arbeitsbedingungen und individualisierte Benefits. Mitarbeiter werden mehr Eigenschaften brauchen, die zu einem Freelancer passen. Dazu gehören Flexibilität, Motivation, Selbstführung, Reflexions- und Kritikfähigkeit, immer auf einer fachlich aktuellen Basis bei permanenter Weiterqualifizierung.

Gehen der Versicherungswirtschaft bald die Fachkräfte aus?

Welche Jobs tendenziell wegfallen, welche Art von Jobs neu entsteht, das ist von einzelnen Geschäftsmodellen und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung abhängig. Der Umbruch der Generationen ist real, siehe Themen wie New Pay und die Vier-Tage-Woche. Erste Marktteilnehmer reduzieren ihr Qualitätsniveau, weil ihnen die Mit­arbeiter fehlen. Zeitgleich werben andere Branchen Versicherungsfachkräfte ab.

Viele unterschiedliche, engagierte Köpfe gewinnt man am besten zusammen mit einem Profi. Insbesondere erfolgreiche Unternehmen investieren in externe Unterstützung und reduzieren so auch personelle Fehlentscheidungen.

Bild oben: © fitzkes – stock.adobe.com

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 11/2020 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Jan Hauke Krüger