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3. September 2020
Die Kfz-Versicherung der Zukunft – eine Annäherung

Die Kfz-Versicherung der Zukunft – eine Annäherung

Nur zeitgemäße Produkte sind am Markt gefragt. Die Mobilitätswende krempelt auch den Markt für Kfz-Versicherungen um. Wohin die Reise gehen könnte und wie Versicherer die Weichen stellen sollten, erklärt der Digitalberater für die Versicherungswirtschaft und passionierte Podcaster Jonas Piela in einem Gastbeitrag.

Im Jahr 2018 lag das Gesamtvolumen der Beiträge an Kfz-Versicherer im GDV bei knapp 28 Mrd. Euro. In den Jahren zuvor kannte der Markt nur Zuwächse. Doch wie sieht die Kfz-Versicherung der Zukunft aus? Themen wie die Mobilitätswende oder die Digitalisierung könnten dafür sorgen, dass die Trends in der Versicherungsbranche in Zukunft weniger linear verlaufen. Welche Veränderungen wahrscheinlich sind, lässt sich erst ergründen, wenn eine entscheidende Frage vorab geklärt ist: die nach unserer mobilen Zukunft. Werden schon bald selbstfahrende Autos die Straßen säumen oder geht die Entwicklung in Richtung von Mobilitätsunternehmen, die ihren Kunden für jede Gelegenheit die passende Lösung bieten?

Kfz-Versicherung zwischen Flottentarifen und Produkthaftung

Schon heute sprechen große Player wie Volkswagen, die Deutsche Bahn und andere von sich als Mobility-Unternehmen. Es scheint, als hätte die Zukunft längst begonnen. Autos von Tesla können seit Jahren unabhängig von Insassen die Spur halten und auch der Fahrdienst Uber denkt darüber nach, künftig autonom fahrende Autos einzusetzen. Für die Kfz-Versicherung der Zukunft bedeuten diese bevorstehenden Veränderungen tiefe Einschnitte.

Wenn künftig Fahrzeugflotten dominieren und sich Kunden statt eines Autos Mobilität einkaufen, dürften individuelle Kfz-Tarife, wie wir sie heute kennen, der Vergangenheit angehören. Stattdessen werden sich Flottentarife durchsetzen. Sensoren und vernetzte Automobile sorgen dafür, dass solche Einheitsverträge gar auf Basis von Echtzeitdaten optimiert werden können. Bei selbstfahrenden Autos bliebe gar die Frage, ob Versicherungen für Flottenbetreiber oder einzelne Besitzer überhaupt noch notwendig sind – schließlich könnte im Falle eines Unglücks die Produkthaftung greifen. Die Kfz-Versicherung würde in diesem Fall mit dem Autohersteller geschlossen.

Kfz-Versicherung wird zum B2B-Produkt

Für Selbstlenker stellt sich die Frage, ob Tarife künftig nicht noch stärker individualisiert werden, als heute. Der Bonus für wenige Jahreskilometer oder für die eigene Garage ist bekannt. Dank moderner Technik könnten auch sicherere und regelkonforme Fahrer mit günstigeren Tarifen belohnt werden – vorausgesetzt, Versicherer erhalten Zugriff auf die vom Fahrzeug erhobenen Daten und können diese auch verarbeiten.

Neben der Tarifierung von Kfz-Versicherungen, steht auch der Versicherungsvertrieb vor gravierenden Veränderungen. Je mehr Fahrzeugflotten es gibt, desto weniger wird der klassische Vertrieb zum Endkunden gefragt sein. Statt des heute üblichen B2C-Geschäfts könnten Kfz-Versicherungen der Zukunft zwischen Versicherungsgesellschaften und Flottenanbietern im Rahmen von B2B-Vereinbarungen geschlossen werden. Für den Vertrieb bedeutet das, dass in Zukunft weniger, aber dafür stärker spezialisierte Sales-Experten benötigt werden.

Versicherungsunternehmen, die diese Entwicklung schon heute erkennen und sich darauf einstellen, können neben wertvollen Erfahrungen auch erste Geschäftsbeziehungen aufbauen, die sich in Zukunft intensivieren lassen. Um sich im potenziellen Wachstumsfeld der Fahrzeugflotten zu positionieren, sind schon heute geeignete Produkte notwendig. Für Versicherer lauern hier jedoch einige Fallstricke: Da sich das Geschäft mit Mobilität am Anfang befindet, ist es volatil. Bei Versicherungsunternehmen ist daher neben Flexibilität auch die Fähigkeit gefragt, bevorstehende Entwicklungen antizipieren zu können.

Digitalisierung als Schlüssel zu Neugeschäft

Um maßgeschneiderte Produkte anzubieten, müssen sich Versicherer unbedingt digital aufstellen. Dabei meint digital nicht nur eine Kunden-App oder ein umfangreiches Informationsangebot im Netz. Vielmehr müssen Versicherer mit Blick auf die Zukunft eine Infrastruktur schaffen, die große Datenmengen effizient verarbeiten kann. Versicherer, die sich selbst vor ausgewiesenen Technologieunternehmen nicht verstecken müssen, werden automatisch zu Ansprechpartnern, wenn es um die Kfz-Versicherung der Zukunft geht. Damit einher geht die Chance, langfristige Kooperationen aufzubauen.

Digital bestens aufgestellte Assekuranzen haben auch Vorteile, wenn es um die Schadenregulierung geht. Dass dieser Prozess in Zukunft weiter vereinfacht wird, liegt auf der Hand. Autos, die nach einem Unfall Rettungskräfte alarmieren, gibt es schon heute. Auch die Regulierung des Schadens könnte in Zukunft noch deutlich einfacher ablaufen. Beispielsweise, indem der Kunde Fotos des Schadens macht und diese direkt mit den zuständigen Sachbearbeitern der Versicherung teilt. Falls die automobile Zukunft von Mobility-Unternehmen bestimmt wird, sollten die Experten der Versicherung direkt in die Prozesse des Anbieters eingebunden sein. Der Kunde kommuniziert dann ausschließlich über die App seines Anbieters und bekommt dort alle notwendige Unterstützung. Auch für Versicherer ist dieser Prozess von Vorteil, da alle relevanten Daten direkt und unverfälscht zur Verfügung stehen. Gemeinsam mit Kunden und Mobility-Anbietern können Versicherer dann geeignete Lösungen finden.

Versicherer: Schon heute das Daten-Netz der Zukunft spinnen

Um auch in zehn oder zwanzig Jahren konkurrenzfähig zu sein, müssen sich Versicherer schon heute an künftigen Mobilitätskonzepten ausrichten. Welche Rolle autonom fahrende Autos oder Mobilitätsanbieter konkret spielen, ist zwar noch nicht exakt absehbar, doch sind bestimmte Details schon heute klar. Versicherer werden künftig vermehrt Tarife für Fahrzeugflotten anbieten und weniger B2C-Geschäft tätigen. Damit geht einher, dass Anbieter von Kfz-Versicherungen stärker in die Prozesse von Mobilitätsanbietern eingebunden werden und auch Zugriff auf Daten von Autoherstellern erhalten. Um dies umzusetzen, ist eine zeitgemäße IT-Infrastruktur nötig, die es erlaubt, Schnittstellen zu verschiedenen Partnern einzurichten und zu nutzen. Die Kfz-Versicherung der Zukunft ist digital und nutzt Daten, um Tarife und Service im Sinne von allen Beteiligten zu optimieren. Unternehmen, die schon heute erste Schritte in diese Richtung unternehmen, können für die Zukunft wichtige Erfahrungen sammeln und Geschäftsbeziehungen zu den Partnern von morgen knüpfen.

Über den Autor

Jonas Piela berät die Versicherungswirtschaft hinsichtlich der digitalen Transformation in seiner Rolle als Managing Director bei Jonas Piela Digital Consultants. Gleichermaßen betreibt er den Digital Insurance Podcast, für den er mit Managern aus der Branche über die Herausforderungen der Digitalisierung spricht.

Weitere Informationen

In AssCompact 09/2020, die in dieser Woche erscheint, gibt es ein Sonderthema zur Kfz-Versicherung. Sie finden es auch in unserem ePaper.

Bild: © winyu – stock.adobe.com