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4. September 2025
Die Zukunft kapitalmarktgebundener Versicherungsprodukte
Die Zukunft kapitalmarktgebundener Versicherungsprodukte

Die Zukunft kapitalmarktgebundener Versicherungsprodukte

Die Ansprüche bei der Altersvorsorge steigen. Und die Umstände in der Rentenpolitik und am Kapitalmarkt werden nicht weniger komplex. Christian Eck von BNP Paribas hat sich auf Lösungen für kapitalmarktgebundene Versicherungsprodukte spezialisiert und teilt hier seine Einschätzung zum aktuellen Marktgeschehen.

Interview mit Christian Eck, Leiter Versicherungen – Aktien bei BNP Paribas S.a., Niederlassung Deutschland
Herr Eck, bei unserem letzten Gespräch im April 24 haben Sie mehr Flexibilität von den Versicherern in ihren Produkten gefordert. Was hat sich seitdem getan?

Einer der Fokusbereiche bezüglich Flexibilität bezieht sich auf die Wettbewerbsfähigkeit von Versicherern im Angebot von kapitalmarktgebundenen Produkten gegenüber Banken und Asset-Managern. Hierbei sollten Versicherer schneller auf Marktanforderungen und Kundenbedürfnisse reagieren können. Über die letzten Monate ist erfreulicherweise eine Verbreiterung des Produktangebots zu beobachten. So werden im reinen fondsgebundenen Geschäft die Anlageklassen von Aktien und Zinsen verstärkt hin zu Private Markets ausgeweitet. Dies gibt Versicherungsnehmern die Chance, Renditen zu erwirtschaften, die weniger mit traditionellen Märkten korrelieren. Versicherer nutzen zunehmend „externe“ Garantien. Im Gegensatz zu klassischen Garantien werden dabei Kapitalmarktbausteine als Grundlage für die Versicherungspolicen eingesetzt. Als Beispiel seien fondsgebundene Policen gegen Einmalbeitrag genannt, bei denen der Versicherungsnehmer direkt von den aktuell attraktiven Kapitalmarktzinsen profitieren kann.

Dahingegen wird im Bereich der Wiederanlage und der Auswahl an Verrentungsprodukten immer noch wenig Innovatives an den Markt gebracht. Das finde ich erstaunlich, insbesondere da ein Angebot an lebenslangen und renditestarken Renten vor dem Hintergrund des überlasteten staatlichen Rentensystems dringend notwendig ist.

Ist mehr Flexibilität für Sie das „New Normal“, oder könnte sich dieser Trend auch wieder umkehren?

Ich gehe einen Schritt weiter: Mehr Flexibilität muss das „New Normal“ sein. Dies bezieht sich insbesondere auf das Produktangebot und die Vertriebswege. Nehmen Sie das Beispiel der neu aufgekommenen sog. Neobroker, also Online-Anbieter mit einem fokussierten Angebot an Kapitalmarktprodukten bei gleichzeitig extrem niedrigen Gebühren. Diese sind sehr erfolgreich in der Akquisition insbesondere von jungen Kunden und könnten in Zukunft auch in Konkurrenz zu Versicherern treten. Der Druck auf Innovation und Kosten wird sich über diese aggressiven Marktteilnehmer erhöhen.

Was halten Sie konkret von der in der Versicherungsbranche oft verteidigten, insgesamt aber umstrittenen lebenslangen Verrentung?

Ich halte die lebenslange Verrentung für einen essenziellen Baustein der Altersvorsorge, insbesondere da die Lebenserwartung steigt und die gesetzliche Rente allein nicht ausreicht, um einen adäquaten Lebensstandard im Alter zu halten.

Die im letzten Jahr zwischen BVI und DAV scharf geführte Debatte über die Fondsrente als mögliche Alternative zur klassischen Leibrente verdeutlicht die Relevanz des Themas. Aus meiner Sicht bietet sich hierbei eine hervorragende Möglichkeit, die Stärken beider Seiten einzubringen: Versicherer können als Einzige über den Ausgleich im Kollektiv lebenslange Renten darstellen. Allerdings sind die Rentenfaktoren trotz des seit Januar 2025 erhöhten Höchstrechnungszinses noch wenig attraktiv. Asset-Manager können hierbei ihre Expertise im Kapitalmarktgeschäft einbringen, um zusätzliche Performance-Chancen anzubinden.

Apropos Sicherheit: Sie gehen davon aus, dass Garantien wieder stärker in den Fokus rücken werden. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Garantieprodukte sind attraktiver geworden – dank des gestiegenen Höchstrechnungszinses müssen Versicherer weniger Kapital für das Stellen von Garantien aufbringen. Dies erlaubt entweder mehr Allokation zu Kapitalmärkten oder erhöhte garantierte Ablaufleistungen. Gleichzeitig schlagen langsam, aber sicher die höheren Marktzinsen auf die Überschüsse durch – die Gesamtverzinsung der Produkte wird attraktiver.

Im Angebot von konventionellen Einmalbeitragsprodukten haben Versicherer gegenüber Sparprodukten von Banken weiterhin kein wettbewerbsfähiges Angebot, da der Marktzins deutlich über dem Rechnungszins liegt. Um diese „Zins­lücke“ auszugleichen, bieten eine Reihe von Versicherern Einmalbeiträge mit externen und marktbasierten Garantien an.

Auch im Bereich von fondsgebundenen Versicherungen ergibt der Einsatz von Garantien Sinn. Aktienmärkte befinden sich in einer historischen Hausse – die Kursentwicklung war über die letzten Jahre gegenüber dem langfristigen Mittel überdurchschnittlich hoch. Damit wächst das Risiko stärkerer Rücksetzer. Als Anfang 2022 die Zinswende einsetzte, wurde vielen Anlegern bewusst, dass sie hohes Risiko in Form von Duration eingegangen waren – der Wert einiger Anleihenfonds brach um bis zu 30% ein. Insbesondere für Versicherungsnehmer, die kurz vor der Verrentung stehen, sind diese Risiken sehr relevant. Anstelle von klassischem Ablaufmanagement könnten Fonds mit festen Laufzeiten von acht bis zwölf Jahren eingesetzt werden, deren Rückzahlungen bei bspw. 100% oder 120% garantiert sind und die zusätzliche Performance-Chancen über Aktienindizes bieten.

Und wie sieht es bei Hybrid­produkten aus?

Bei statischen Hybriden werden die Beiträge fest auf das klassische Deckungskapital und eine Kapitalmarktanbindung aufgeteilt und sie ändern sich während der Laufzeit der Verträge nicht. Aktuell sehe ich eine „Renaissance“ statischer Hybride: Es kommen Produkte auf den Markt, die jeweils mit einem speziell ausgestalteten Hebel-Mechanismus ausgestaltet sind. Dank neuer Entwicklungen in der Kapitalmarkttechnik sind so auch bei hohen Garantieniveaus über 100% Kapitalmarktallokation möglich.

Bei dynamischen Hybridprodukten hingegen findet eine regelmäßige Umschichtung zwischen Deckungskapital und Fondsguthaben statt, bspw. unter Einsatz von Garantiefonds oder freien Fonds. Hierbei gab es in letzten Jahren nur wenige Neuproduktentwicklungen. Bei dynamischen Hybriden liegt der Fokus damit eher auf dem Verwalten von Risiken im Bestand. Die BaFin wies kürzlich, basierend auf einer Umfrage bei Lebensversicherern, auf Schichtungsrisiken und mögliche Auswirkungen auf die allgemeine, nicht fondsgebundene Kapitalanlage hin. Um ausreichend Liquidität für Schichtungen hin zu Fonds vorzuhalten, könnten Versicherer gezwungen sein, in kurzfristige und weniger rentierliche Anlagen zu investieren. Anbieter sind hierbei aktiv geworden – sie reagieren mit Anpassungen in den Schichtungsalgorithmen, dem Einsatz von weniger schwankungsintensiven Fonds sowie vorsichtiger Liquiditätsplanung und Liquiditätssteuerung.

Durch die neue ELTIF-Regulierung bekommen auch die Private Markets mehr Aufmerksamkeit. Wie wird sich das auf Versicherungsprodukte auswirken?

Die ELTIF-Regulierung sowie ein wachsendes Angebot an Fonds spielt hierbei eine große Rolle, da dadurch Private-Markets-Angebote insgesamt bekannter werden. Inzwischen sind bereits einige ELTIFs am deutschen Markt vertreten, entweder basierend auf einzelnen Anlagen wie Private Equity, Private Debt oder Infrastruktur oder im Kontext von diversifizierten Portfolios.

Aktuell sehen wir fünf Anbieter von Private-Markets-Policen am deutschen Markt. Diese setzen das Anbinden der Ziel-Investments unterschiedlich um, bspw. über Spezialfonds oder ELTIFs. Eine von uns durchgeführte Befragung von elf Versicherern gibt ein eindeutiges Bild: Für mehr als 90% der Befragten haben Private-Markets-Anlagen in der Altersvorsorge hohe Relevanz. Über die Hälfte der Häuser erwägt, mit derartigen Angeboten innerhalb der nächsten 18 Monate an den Markt zu gehen.

Vor allem jüngere Sparer sind mittlerweile viel offener für den Kapitalmarkt. Wie können die Versicherer daraus Kapital schlagen?

Versicherer begeben sich durch die Fokussierung auf Fondspolicen immer mehr in Konkurrenz zu Asset-Managern. Dieser Wettbewerb ist aufgrund ihrer hohen Kostenbasis auf Dauer nicht durchzuhalten. Gleichzeitig vernachlässigen Versicherer hierbei ihre Kernkompetenz des Risikoausgleichs im Kollektiv. Produkte mit Garantien und Kapitalmarktanbindung bieten Mehrwert und sollten im Fokus stehen. Um jüngere und kapitalmarktaffine Sparer auch zukünftig als Kunden zu gewinnen, wird es nicht ausreichen, starre Produktausgestaltungen anzubieten. Warum nicht den Kunden mittels geschickter Produktkonstruktionen entscheiden lassen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe Garantien des angesparten Kapitals eingezogen werden und wann er über das Kapital verfügen kann? Flexibilität im Angebot und Innovation in der Anbindung von Kapitalmarktkomponenten werden hierbei der Schlüssel zum Erfolg sein

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Ein Interview mit
Christian Eck