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23. März 2024
Dienstunfähigkeitsklausel in der BU: Kleine Worte, große Wirkung
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Dienstunfähigkeitsklausel in der BU: Kleine Worte, große Wirkung

In der BU-Versicherung sind verschiedene Versicherungsbedingungen üblich, die sich in ihren Klauseln und Formulierungen ähneln, jedoch nie identisch sind. Versicherungsmakler sollten ihre Beratungspflichten daher nicht vernachlässigen, wie ein aktuelles BGH-Urteil zeigt.

Ein Artikel von Kathrin Pagel, Fachanwältin für Versicherungsrecht und Partnerin in der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte PartG

In der Praxis finden wir die unterschiedlichsten Versicherungsbedingungswerke. Kleine Unterschiede, zum Beispiel in der Formulierung des Leistungsversprechens, können in der Regulierung große Auswirkungen haben, das Haftungspotenzial für Versicherungsmakler ist nicht zu unterschätzen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in einem Fall (Urteil vom 31.05.2023, Az. IV ZR 58/22) zu entscheiden, bei dem die spezielle Formulierung einer Dienstunfähigkeitsklausel (DU-Klausel) besondere Wirkung entfaltete.

Der Versicherungsnehmer war Bürgermeister einer Verbandsgemeinde, der mit Ablauf des Monats Mai 2019 aufgrund psychischer Beeinträchtigungen in den Ruhestand versetzt wurde. In der Folge beantragte er Leistungen aus seiner bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Versicherte wähnte sich aufgrund der Zurruhesetzungsverfügung gut abgesichert und erwartete sofortige Leistungen, da in seinem Vertrag auch eine DU-Klausel vereinbart war. Der Versicherer nahm die Ruhestandsverfügung zur Kenntnis und forderte darüber hinaus eine Überprüfung, ob die geltend gemachten Beeinträchtigungen beim Kläger vorlagen. Der Versicherte wollte keine weitere Prüfung und berief sich darauf, dass eine amtsärztliche Untersuchung zu der Inruhestandsversetzung geführt hatte und damit ausreichende Nachweise vorlägen. Vor diesem Hintergrund verweigerte er auch weitere vom Versicherer verlangte Untersuchungen. Der Versicherer nahm dies zur Kenntnis und zum Anlass, die versicherten Leistungen zu verweigern. Doch wer hat recht? Darüber hatte letztinstanzlich der BGH zu entscheiden.

Die Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers

Grundsätzlich darf ein Versicherer bei Geltendmachung von Versicherungsansprüchen notwendige Ermittlungen durchführen. Für den Versicherungsnehmer bestehen entsprechend innerhalb der Grenze des „Notwendigen“ Mitwirkungspflichten. Wo diese Grenze konkret zu ziehen ist, muss jeweils im Einzelfall betrachtet und individuell beurteilt werden.

Der zwischen den Parteien vereinbarte Vertrag enthielt zunächst einmal Berufsunfähigkeitsbedingungen mit der Definition der Berufsunfähigkeit. Enthalten war in den allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeit zunächst eine Definition, vergleichbar wie in vielen anderen Bedingungswerken:

„§ 2 (1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens 6 Monate ihrem vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – nicht mehr nachgehen kann und in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausübt, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. …“

„(3) Ist die versicherte Person 6 Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen …, so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.“

Zusätzlich enthielt der Vertrag nachfolgende DU-Klausel:

„Ergänzend zu § 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung gilt als vereinbart: Alternativ zu der Voraussetzung für bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit, dass die versicherte Person ihrem zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr nachgehen kann, reicht es bereits aus, wenn die versicherte Person als Beamtin/Beamter (…) infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig ist und dazu wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit (i. S. d. §§ 44 Abs. 1, 1 BeamtStG und § 26 Abs. 1, 1 BBG, 01.05.2011 (…) in den Ruhestand versetzt oder entlassen worden ist.“

„Alternativ“ zur Berufsunfähigkeit – Dienstunfähigkeit genügt?

Ein typischer Versicherungsnehmer erwartet wohl generell bei Vereinbarung einer DU-Klausel eine zusätzliche Absicherung bzw. eine Besserstellung gegenüber „normaler Berufsunfähigkeit“ für den Fall der Dienstunfähigkeit, zumindest also eine Erleichterung bei der Geltendmachung von Leistungen. Diese Erwartungen wurden hier nicht erfüllt. Der Versicherer ließ sich – nach Ansicht des Klägers – zumindest Zeit mit der Regulierung und forderte belastende weitere Untersuchungen.

Kleine Worte: „und dazu“

Der Kläger hatte beim Lesen der DU-Klausel erwartet, dass aufgrund der Inruhestandsversetzung und Entlassung wegen Dienstunfähigkeit eine weitere Überprüfung durch den Versicherer nicht notwendig wäre. Schließlich war in der DU-Klausel das Wort „Alternativ“ zu lesen und in der Folge die Worte „reicht es bereits aus“.

Doch weit gefehlt! Der BGH stellt hinsichtlich der Lesart der Klausel auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ab, der diese bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht.

Der BGH stellt dabei darauf ab, dass tatsächlich der Versicherer nach dem Wortlaut erkennbar die Möglichkeit habe, weitere Erhebungen zur Feststellung des Versicherungsfalls vorzunehmen. Dies leitet der BGH aus der Formulierung „und dazu“ ab. Daraus würde ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer zunächst erkennen, dass die Zurruhesetzungs- oder Entlassungsverfügung gerade „wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit“ erfolgen muss. Und dazu, als zusätzliche Voraussetzung, bedarf es dauernder Unfähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten aus gesundheitlichen Gründen. Damit genügte es für den Versicherer gerade nicht, dass das Ergebnis der Gesundheitsprüfung durch den Dienstherrn getroffen wird. Die beamtenrechtliche Feststellung (Zurruhesetzungs- oder Entlassungsverfügung) allein soll nach den vertraglichen Bestimmungen gerade für den Versicherer noch nicht bindend sein. Vielmehr will der Versicherer eine eigene Prüfung durchführen können.

Versicherungsklauseln für Beamte im Vergleich

Verträge mit Sonderklauseln sind für bestimmte Berufsgruppen zugeschnitten. Für Beamte am Markt erhältliche Klauseln können, wie hier, als weite Beamtenklauseln formuliert sein. Andere Versicherer verwenden strenge Beamtenklauseln. Während bei einer strengen Beamtenklausel die Inruhestandsversetzung als solche bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen genügt, erfordern weite Beamtenklauseln beispielsweise zusätzlich „gesundheitliche Gründe“ für die Dienstunfähigkeit.

Einige Versicherer verzichten somit mit einer strengen Beamtenklausel auf eine eigene Prüfung und stellen lediglich auf die Verwaltungsentscheidung des Dienstherrn ab. Die Prüfung eines Versicherungsfalles könnte mit der Zurruhesetzungsverfügung demnach schneller erfolgen. Eine strenge Beamtenklausel kann beispielsweise so oder ähnlich formuliert sein:

„Bei Beamten des öffentlichen Dienstes gilt die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit bzw. die Entlassung wegen Dienstunfähigkeit als vollständige Berufsunfähigkeit.“

Je nach Formulierung der Beamtenklausel kann die Prüfung des Versicherungsfalls beim Versicherer alleine aufgrund der zu prüfenden Voraussetzungen kurz oder auch besonders lang dauern. Der BGH hat durchaus gesehen, dass der Versicherungsnehmer eine Besserstellung aufgrund der Vereinbarung der DU-Klausel erwartet. Eine solche sei jedoch bereits unter anderem dadurch gegeben, dass es dem Versicherer – im Unterschied zu einer reinen Berufsunfähigkeitsabsicherung – verwehrt sei, den Versicherungsnehmer auf eine andere von ihm ausgeübte Tätigkeit zu verweisen.

Fazit

Aufgabe des Versicherungsmaklers für seinen Kunden ist die Auswahl des richtigen Versicherungsprodukts und passender Vertragsklauseln unter Beachtung des Kundenwunsches. Bei der Beratung von Beamten zur Absicherung von Berufsunfähigkeit sollte die Beratung zur Dienstunfähigkeit und Sonderklauseln nicht fehlen. Vor- und Nachteile eines Vertrages sind abzuwägen, auf mögliche lange Bearbeitungszeiten im Schadenfall muss der Kunde hingewiesen werden. Die Beratung und der erteilte Rat sollten stets gut dokumentiert werden, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen und eventuelle Haftungsfälle zu vermeiden.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Veniamin Kraskov – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Kathrin Pagel