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9. September 2023
EU-Kleinanlegerstrategie: Legislativvorschlag erhitzt Gemüter
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EU-Kleinanlegerstrategie: Legislativvorschlag erhitzt Gemüter

Die Veröffentlichung der EU-Kleinanlegerstrategie ist bereits einige Zeit her. Sie hat in der Branche für Wirbel, teils aber auch für Erleichterung gesorgt. Zwischenzeitlich ist es ruhig darum geworden. Der BVK beleuchtet den derzeitigen Stand.

Ein Artikel von Anja C. Kahlscheuer, Geschäftsführerin und Rechtsanwältin beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V.

Die EU-Kommission legte den erwarteten Entwurf zur EU-Kleinanlegerstrategie vor. Wie im Aktionsplan für die Kapitalmarktunion 2020 angekündigt, ist es das Ziel der Europäischen Kommission, die Europäische Union zu einem noch sichereren Ort zu machen, an dem die Menschen ihre Ersparnisse auf lange Sicht gut anlegen können. Das jetzt vorliegende Paket besteht aus einer Änderungsrichtlinie, mit der die bestehenden Vorschriften der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II), der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD), der Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) und der Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität 2) überarbeitet werden, sowie aus einer Änderungsverordnung, mit der die Verordnung über die Anlagepro­dukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) überarbeitet wird.

Reformpaket befindet sich in der Entwurfsphase

Vornehmlich soll die Kleinanlegerstrategie die Rahmenbedingungen verbessern, damit Verbraucher in die Lage versetzt werden, ihre Anlageentscheidungen so zu treffen, dass sie ihren Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen dabei das Vertrauen der Kleinanleger in die Kapitalmärkte stärken und ihnen helfen, bessere Ergebnisse mit den Anlagen zu erzielen.

Bevor man über konkrete Einzelheiten spricht, muss berücksichtigt werden, dass dies zunächst ein Entwurf der Europäischen Kommission ist. Nunmehr sind die beiden anderen Gremien, das Europäische Parlament und der Ministerrat, gefragt, jeweils ihre Meinungen zu diesem Entwurf einzubringen. Sobald in diesen Gremien Vorschläge vorliegen, können die sogenannten Trilogverhandlungen beginnen, in denen sich die drei EU-Institutionen gegenseitig austauschen. Es wird erwartet, dass sicherlich noch Veränderungen vorgenommen werden. Erst wenn ein einheitlicher Vorschlag vorliegt, kann über die ganze Kleinanlegerstrategie abschließend entschieden werden.

Nichtsdestotrotz ist der Grundtenor der Kleinanlegerstrategie, den Schutz der Kunden in der Finanzwelt voranzutreiben. Hieran wird sich im Wesentlichen auch nichts ändern. Über die Detailfragen wird jedoch intensiv gestritten. Zum einen in der Branche selbst, zum anderen aber auch sicherlich zukünftig in der politischen Auseinandersetzung.

Das ist der Stand der Dinge

Trotz möglicher Änderungen, die in der abschließenden Version enthalten sein könnten, möchte der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK) über den derzeitigen Stand der möglichen Regeln informieren und einen kurzen Überblick geben.

Was könnte auf die Vermittler zukommen? Worauf gilt es jetzt schon zu achten?
  • Für die reine Vermittlung von Finanzprodukten, ohne dass vorher eine Beratung stattfindet, soll zukünftig ein Provisionsverbot gelten. Nimmt ein Kleinanleger beispielsweise Kontakt mit einer Bank auf und tätigt eine Anlage, nachdem er eine persönliche Empfehlung erhalten hat, sind Vergütungen erlaubt. Wenn der Kleinanleger stattdessen eine Anlage über die Website der Bank tätigt und ein Produkt ohne vorherige persönliche Empfehlung auswählt, ist die Zahlung von Provisionen und Vergütungen nicht erlaubt.
  • Bei Finanzgeschäften, die auf Basis einer Beratung zustande kommen, will die Kommission strengere Vorgaben für den Erhalt von Vergütungen vornehmen, indem sie unter anderem die Einführung eines einheitlichen Testverfahrens und verschärfte Transparenzforderungen plant. Dabei wird zukünftig zwischen einfachen und komplexen Produkten unterschieden werden. Ein Provisionsverbot ist hier nicht vorgesehen. Gemäß Artikel 30 Abs. 5b des Entwurfes soll der Versicherungsvermittler, wenn er Beratung auf einer „unabhängigen Basis“ anbietet, keine Gebühren, Kommissionen oder Provisionen etc. erhalten. Dieses Provisionsverbot gilt nur für den Fall, dass ein Versicherungsvermittler seine Beratung als „unabhängig“ anbietet. Ein Verbot für Makler, gegen Courtage Versicherungsanlageprodukte weiterhin zu vermitteln, ist damit nicht bezweckt und wurde deshalb in den Auslegungshinweisen der Kommission klargestellt. Gleiches hat auch Nico Spiegel, Legal Officer bei der Europäischen Kommission, unlängst noch einmal betont. Er äußerte sich dahingehend, dass die „Wortebene“ etwas unglücklich gewählt worden sei. Der Kommission gehe es aber nicht darum, die Makler zu schwächen, indem man ein Vergütungsverbot einführen wolle. Dies sei nicht geplant. Um bei dem komplexen Regelungswerk der EU dennoch mehr Klarheit und Sachlichkeit in die Debatte innerhalb der Vermittlerbranche zu bringen, hat der BVK zusätzlich noch ein universitäres Rechtsgutachten bei Professor Dr. Christoph Brömmelmeyer von der Europa-Universität Viadrina in Auftrag gegeben. Dieses soll auch als methodische Auslegungshilfe für den deutschen Gesetzgeber dienen.
  • Auch die Anlegerinformationen zu den Finanzprodukten sollen zukünftig übersichtlicher werden. Die Europäische Kommission will die Informationsblätter durch eine digitale Darstellung verändern. Über Kosten und Risiken von Anlageprodukten sollen ebenso konkrete Informationen enthalten sein, wie über die obligatorischen Risikowarnungen. Auch soll das Informationsblatt zukünftig über die Nachhaltigkeit von Anlageprodukten informieren. Abschließend ist eine jährliche Erklärung über die Anlageergebnisse sowie ein spezielles Informationsblatt für Lebensversicherungen geplant.
  • Die Europäische Kommission plant ebenfalls neue Regeln zur Bepreisung von Finanzprodukten, indem sie sogenannte Benchmarks festlegen möchte.
  • Des Weiteren soll die Ausbildung von Finanzberatern verbessert werden, indem die Qualifikation zukünftig durch Zertifikate nachgewiesen wird. Eine finanzielle Allgemeinbildung von Kleinanlegern soll gefördert werden.

Sollten alle diese Maßnahmen nicht greifen und die Branche die Umsetzung der geplanten Maßnahmen nicht zielführend betreiben, wird sich die Europäische Kommission vorbehalten, in drei Jahren eine Überprüfung vorzunehmen, und dann ggf. strengere Maßnahmen etablieren. Hierzu könnte letztendlich auch ein Provisionsverbot für die Branche zählen. Dies gilt es zu verhindern.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © weyo – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Anja C. Kahlscheuer