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17. April 2023
EU-Richtlinienentwurf soll vor Greenwashing schützen
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EU-Richtlinienentwurf soll vor Greenwashing schützen

Nachhaltige Kapitalanlagen erleben derzeit einen Nachfrageboom. Produktgeber betiteln entsprechend Fonds, Zertifikate und Portfolios um. Das kann für Verbraucher Gefahren bergen. Die EU hat nun einen Richtlinienentwurf zur Vermeidung von Greenwashing vorgelegt.

Ein Artikel von Dr. Christian Waigel, Rechtsanwalt und Partner bei Waigel Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB

Die Nachhaltigkeitswelle rollt. Kaum ein Fonds, Zertifikat oder Portfolio, das sich nicht in irgendeiner Weise Nachhaltigkeit auf die Fahne schreibt. Nachhaltigkeit sells. Auch die Politik leistet ihren Beitrag. Mit dem Projekt Sustainable Finance hat die EU-Kommission konkrete Maßnahmen für die Umlenkung der Finanzströme hin zu nachhaltigen Investments formuliert.

So müssen seit August letzten Jahres die Kunden nach ihren Nachhaltig­keitspräferenzen gefragt werden. Damit entsteht die Notwendigkeit, den Kunden entsprechende Produkte für diese Nachhaltigkeitspräferenzen anzubieten. Deswegen werden Fonds, Zertifikate, Portfolios und Versicherungsprodukte auch entsprechend ihrer Nachhaltigkeitswirkung umbenannt und betitelt. Der Kunde soll schon aus dem Namen ersehen können, ob er ein nachhaltiges Produkt erwirbt und sich damit gut fühlen kann.

Die Entwicklung birgt Gefahren für Verbraucher. Um die Kaufentscheidung von Verbrauchern zu beeinflussen, wird verstärkt mit den Attributen „Nachhaltigkeit“ oder „Umweltfreundlichkeit“ geworben. Bisher fehlte es an konkreten Vorgaben, die ausufernde Verwendung von umweltbezogenen Werbeaussagen (sog. „Green Claims“) zu reglementieren.

Die EU hat nun einen Richtlinienentwurf präsentiert, um die Verbraucherrechte besser zu schützen. Umgesetzt werden diese Regelungen durch Änderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UwG). Ziel ist, dass Unternehmer die Verbraucher hinsichtlich ökologischer und sozialer Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen nicht in die Irre führen. Eine sogenannte „Umweltaussage“ über eine künftige Umweltleistung soll nur getroffen werden dürfen, wenn sie klare Verpflichtungen enthält.

Neue Vorgaben an allgemeine Umweltaussagen

Verboten werden sollen künftig allgemeine Umweltaussagen bei der Vermarktung an Verbraucher, wenn diese Umweltaussage nicht nachgewiesen werden kann oder auch wenn sie zu einem gesamten Produkt gemacht wird, aber nur auf einen Teil des Produkts oder der Dienstleistung zutrifft.

Eine Umweltaussage ist eine Aussage oder Darstellung durch Text, Bilder, grafische Elemente oder Symbole, auch durch Etiketten, Markennamen, Firmennamen oder Produktbezeichnungen, in der ausdrücklich oder stillschweigend angegeben wird, dass ein Produkt eine positive oder keine negative Auswirkung auf die Umwelt hat oder weniger schädlich für die Umwelt ist als andere Produkte oder dass deren Auswirkung im Laufe der Zeit verbessert wurde.

Durch die Verschärfung sollen Unternehmen davon abgehalten werden, Verbraucher hinsichtlich ökologischer und sozialer Auswirkungen zu täuschen, indem die ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Produktes unzutreffend dargestellt werden. Das Gleiche gilt von Aussagen über soziale Nachhaltigkeit von Produkten, zum Beispiel über Arbeitsbedingungen, Wohltätigkeitsbeiträge oder den Tierschutz.

Die EU knöpft sich auch allgemeine Umweltaussagen ohne eine besonders anerkannte und hervorragende Umweltleistung vor. Allgemeine Umweltaussagen sollen verboten werden, wenn tatsächlich keine hervorragende Umweltleistung dahintersteckt oder wenn die Spezifizierung der Aussage an keiner Stelle erfolgt. Das betrifft Aussagen wie „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „öko“, „grün“, „naturfreundlich“, „ökologisch“, „umweltgerecht“, „klimafreundlich“, „umweltverträglich“, „CO2-freundlich“, „CO2-neutral“, „CO2-positiv“, „klimaneutral“, „energieeffizient“ „biologisch abbaubar“, „biobasiert“ und ähnliche Aussagen sowie weiter gefasste Aussagen wie „bewusst“ oder „verantwortungsbewusst“, mit denen eine Umweltleistung suggeriert wird oder die diesen Eindruck entstehen lassen.

Werbung mit künftigen Umweltleistungen

Der neue Richtlinienentwurf sieht zudem verschärfte Regelungen für die Werbung mit künftigen Umweltleistungen vor. Die EU bemängelt, dass Umweltaussagen, vor allem klimabezogene Aussagen, sich auf zukünftige Leistungen, zum Beispiel auf den Übergang zu CO2- oder Klimaneutralität, beziehen und die Erreichung dieses Ziels bis zu einem bestimmten Datum in Aussicht stellen. Dadurch wird bei dem Verbraucher der Eindruck erweckt, durch den Kauf des Produkts zu einer CO2-ärmeren Welt beizutragen. Durch die Neuregelung soll sichergestellt werden, dass diese Aussagen lauter und glaubwürdig sind. Sie werden nach einer Einzelfallbewertung verboten, wenn sie nicht vom Verwender durch klar vorgegebene objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele gestützt werden. Dazu soll auch ein unabhängiges Überwachungssystem dienen, dass den Fortschritt hinsichtlich der versprochenen Zielerreichung kontrolliert.

Strengere Vorgaben für die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln

Zudem soll es künftig strengere Vorgaben für die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln geben. Das Anbringen von Nachhaltigkeitssiegeln, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurden, soll verboten werden. Der Begriff des Nachhaltigkeitssiegels wird im Richtlinienentwurf definiert. Ein Nachhaltigkeitssiegel ist ein freiwilliges öffentliches oder privates Vertrauenssiegel, Gütezeichen oder Ähnliches mit dem Ziel, ein Produkt, ein Verfahren oder ein Unternehmen in Bezug auf seine ökologischen oder sozialen Aspekte oder beides hervorzuheben oder zu fördern. Wird für das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels auf ein Zertifizierungssystem zurückge­griffen, soll es bestimmte Mindestanforderungen hinsichtlich der Transparenz und Glaubwürdigkeit erfüllen.

Für Unternehmen heißt dies, dass die Verwendung selbst erstellter Nachhaltigkeitssiegel (wie z. B. Logos, Bio- oder Gütesiegel), die umweltbezo­gene Eigenschaften eines Produkts werblich hervorheben, ohne Prüfmechanismus nicht mehr zulässig sind.

Fazit: Weiterer Schritt für die Umsetzung des Green Deals

Der Richtlinienentwurf ist ein weiterer konsequenter Schritt für die Umsetzung des Green Deals. Verbraucher dürfen künftig transparentere Informationen zu den Produkten erwarten. Bei den Unternehmen wird Handlungsbedarf bestehen. Die Produktinformationen müssen künftig an den Neuvorgaben des Richtlinienentwurfs gemessen werden.

Bis die neuen Regelungen in Kraft treten, wird noch etwas Zeit vergehen. Die Richtlinie muss zunächst verabschiedet und dann vom Bundestag umgesetzt werden.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2023, S. 108 f., und in unserem ePaper.

Bild: © nmann77 – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Christian Waigel