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20. Juni 2022
Female Finance: „Um eine Sonderbehandlung geht es nicht“

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Female Finance: „Um eine Sonderbehandlung geht es nicht“

Mit gezielt an Frauen gerichteter Beratung macht Lisa Hassenzahl Karriere in dem von ihr gegründeten HFO. Sie gehört zum Vorstand des Financial Planning Standards Board Deutschland e. V. und ist Speakerin für alles rund ums Thema „Female Finance“. Auf welchem Stand sieht sie die Beratung für Frauen?

Interview mit Lisa Hassenzahl, Geschäftsführerin von YPOS Finanzplanung GmbH und HFO – Her Family Office GmbH
Frau Hassenzahl, wen beraten Sie im HFO?

Unsere Beratung richtet sich gezielt an Frauen, wobei die Finanzplanung und Fragen der Vermögensstrukturierung im Mittelpunkt stehen. Für unsere Mandantinnen sind wir die zentralen Ansprechpartnerinnen rund um alle Aspekte der Finanzplanung, der Kapitalanlage sowie natürlich auch die hiermit verbundenen rechtlichen und steuerlichen Aspekte. Insofern kommt es natürlich oft dazu, dass wir die Beratung auf die ganze Familie ausweiten, aber unser Fokus liegt auf der Beratung der Frauen. Selbstverständlich beraten wir aber auch Männer, viele Partner unserer Mandantinnen kommen nach einiger Zeit ebenfalls aktiv auf uns zu.

Und wie ist die Idee für HFO entstanden?

Die Idee einer reinen Beratung für Frauen ist ja nicht neu. In Deutschland gibt es seit vielen Jahren einige sehr erfolgreiche Frauenfinanzberatungen und das Angebot wächst stetig. Nicht weiter überraschend, denn Frauen sind eine attraktive Zielgruppe und nach wie vor sind das Angebot und vor allem die Angebotsbreite viel zu gering. Die meisten der bestehenden Angebote richten sich an jüngere Frauen bzw. verhältnismäßig kleinere Vermögensgrößen.

So entstand die Idee für HFO: Wir beraten Frauen, die aufgrund ihrer Vermögensgröße bzw. der Komplexität des Vermögens eine umfassende Finanzplanung und vernetzte Betrachtung mit rechtlichen oder steuerlichen Aspekten benötigen. In diesem Bereich gibt es für Frauen keine Angebote, aber gerade hier kommen die besonderen Anforderungen, die Frauen an eine Beratung stellen, zum Tragen.

Welche sind das zum Beispiel?

Was Frauen und Männer in Sachen Finanzen wirklich unterscheidet, ist die grundlegende Herangehensweise. Frauen haben oft ein deutlich größeres Informations­bedürfnis, möchten Zusammenhänge besser verstehen und haben vor allem den Wunsch, mit ihrer Ausgangs­situation, ihren Zielen und Herausforderungen im Mittelpunkt der Beratung zu stehen. Kurz gesagt: Frauen interessieren sich in erster Linie für ihre Finanzplanung und erst dann für konkrete Anlageprodukte, was in vielen Studienergebnissen gerne mit „Frauen interessieren sich nicht für ihre Finanzen, weil sie weniger Wertpapierdepots haben“ fehlinterpretiert wird. Mit der Finanzplanung als Ausgangspunkt zu starten, ist vielmehr eine sinnvolle Herangehensweise, die Frauen – auch das zeigen Studien – dann auch bei der Kapitalanlage langfristig erfolgreicher macht. Das Problem ist vielmehr, dass es für diesen Wunsch zu wenig Angebote gibt.

Kritiker und sicherlich auch Kritikerinnen werden sagen: „Frauen brauchen doch keine Extra-Beratung. Alle sollten gleich beraten werden.“ Was können Sie diesen antworten?

Ich höre die Frage oft in etwas anderer Form, nämlich: „Muss jede Frau zwingend von einer Frau beraten werden?“ Die Antwort hierauf ist natürlich ein klares „Nein“ und ich kann diese kritischen Stimmen auch verstehen. Andererseits zeigen sie auch, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben.

Selbstverständlich kann jeder und jede selbst entscheiden, von wem er und sie beraten werden möchte, und es gibt auch viele Frauen, die sich ganz bewusst für einen männlichen Berater entscheiden, weil sie keine Sonderbehandlung haben möchten. Hier müssen wir übrigens auch gut aufpassen, denn um eine Sonder­behandlung geht es überhaupt nicht. Angebote für Frauen, die bis zur fachlichen Fraglichkeit vereinfacht werden, sind in keiner Hinsicht hilfreich, sinnvoll und auch nicht notwendig. Wir brauchen sicher keine „rosa Produktfalle“, wie es sie in anderen Bereichen gibt.

Worum es wirklich geht, ist, zunächst einmal überhaupt Angebote zu schaffen, damit Frauen auch wirklich die Wahl zwischen einer Beratung durch einen Mann oder eine Frau haben – und zwar über alle Vermögensgrößen und Anforderungen hinweg.

Die Zielgruppe von Finanzanlageprodukten für Frauen sind bisher eher die Jüngeren. Warum sollten Berater und Beraterinnen auch auf ältere Frauen zugehen und wie könnte das gelingen?

Zunächst einmal ist es eine absolut positive und erfreuliche Entwicklung, dass das Thema „Female Finance“ mehr Aufmerksamkeit bekommt: Frauen bewusst zu machen, wie wichtig es ist, die eigenen Finanzen in die Hand zu nehmen und entsprechende Angebote zu schaffen, die Berührungsängste abzubauen. Gerade für junge Frauen ist es wichtig, nicht den alten Rollenbildern und Narrativen aufzusitzen, daher sind die Angebote wichtig.

Leider ist das Angebot für ältere Frauen deutlich geringer. Das liegt zum einen daran, dass diese Zielgruppe häufig etwas komplexere Anforderungen stellt, aber natürlich auch daran, dass sie schwerer oder gar nicht über Social Media zu erreichen ist – über diese Kanäle laufen viele der neuen Angebote. Für Beraterinnen und Berater ist diese Zielgruppe daher umso spannender und auch passender.

Hier ist es wichtig, die Wünsche und Anforderungen dieser Zielgruppe an eine Beratung zu kennen. Viele Frauen haben, auch wenn es vielleicht gar nicht berechtigt ist, Angst, im Ruhestand nicht ausreichend versorgt zu sein. Hier ist Finanzplanung einmal mehr der Schlüssel zum Erfolg, da sie die eigenen Finanzen und die Ruhestandsplanung transparent und nachvollziehbar macht.

 
Ein Interview mit
Lisa Hassenzahl