Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Generationen und Arbeitsformen – und was folgt daraus?
JP Die Lebensentwürfe differenzieren sich: von früherem Ausstieg bis längerer Erwerbsbiografie. Das hat unmittelbare Konsequenzen für die Höhe und Dauer der Absicherung – es braucht lebensphasenorientierte Lösungen und flexible Anpassungen.
HS Die Arbeitsrealitäten variieren stark. Körperlich Tätige sind häufiger und länger betroffen, Wissensarbeit erlaubt oft flexiblere Rückkehrpfade. Versicherungen müssen diese Unterschiede abbilden.
Wo liegt denn die größte Lücke zwischen Erkenntnis und Vorsorge?
JP Erstens steigt die Bedeutung finanzieller Unabhängigkeit, die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit bleibt dagegen zurück. Zweitens unterschätzen viele die Dauer eines Ausfalls. Drittens bleibt der Deckungsgrad niedrig, obwohl das Risiko klar benannt ist.
HS Das ist die Sollbruchstelle. Wer die Lücke zwischen Ersparnissen, erwarteter Hilfe und tatsächlicher Ausfalldauer nicht kennt, gerät schnell in Engpässe. Beratung sollte das Szenario mit Zahlen und Zeiträumen durchdeklinieren – vom ersten Tag bis zur realistischen Rückkehrfähigkeit.
Welche Produktmerkmale senken Hürden beim Abschluss und im Leistungsfall?
JP Klare Leistungskriterien sind der Schlüssel: Kundinnen und Kunden müssen eindeutig verstehen, unter welchen Bedingungen Leistungen fließen. Das reduziert Interpretationsspielräume und erhöht das Vertrauen.
HS Ebenso wichtig sind transparente Nachversicherungsoptionen mit klaren Anlässen, Fristen und Limits – idealerweise ohne erneute Gesundheitsprüfung. Und Gesundheitsfragen sollten verständlich, konkret und fair kommuniziert werden.
Welche Rolle spielen Vermittlerinnen und Vermittler in diesem Prozess?
HS Sie sind Übersetzer zwischen Produktlogik und Lebensrealität. Gute Beratung schafft Struktur: Bedarf ermitteln, Prioritäten setzen, sauber dokumentieren. Wer Erhöhungsmechanismen, Leistungsdefinitionen und Alternativen klar erklärt, erhöht Abschluss- und Leistungsfähigkeit zugleich.
Was heißt das ganz konkret für die Beratungspraxis?
HS Starten Sie mit dem Schadenszenario: Wie schnell entsteht die Einkommenslücke, wie lange dauert sie realistischerweise, welche Puffer existieren – und wie groß ist die Differenz? Diese Transparenz schafft Akzeptanz für belastbare Lösungen. Auf Produktebene muss klar sein, wann Leistungen fließen, wie die Absicherung später ohne neue Gesundheitsprüfung erhöht werden kann und welche Gesundheitsangaben vor Abschluss erforderlich sind.
Dazu kommt: Alters- und Berufsgruppen brauchen unterschiedliche Schwerpunkte. Wer das strukturiert adressiert, stabilisiert die finanzielle Unabhängigkeit und nach meiner Überzeugung auch die Kundenbeziehung nachhaltig.
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Seite 1 Finanzielle Unabhängigkeit und Berufsunfähigkeit
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Prof. Dr. Julia Pitters
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