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13. Juli 2020
FinVermV steht in den Startlöchern

FinVermV steht in den Startlöchern

Die Zweite Verordnung zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) tritt im kommenden Monat am 01.08.2020 in Kraft. Der Jurist und Experte in Maklerfragen, Hans-Ludger Sandkühler, gibt noch einmal einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen, die auf Finanzanlagenvermittler schon bald zukommen und erklärt, weshalb die Vorschriften unter Umständen nur von kurzer Wirkungsdauer sein könnten.

Bereits am 20.09.2019 hat der Bundesrat der Zweiten Verordnung zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zugestimmt. Die Verordnung tritt nun am 01.08.2020 in Kraft.

Zielsetzung und wesentlicher Inhalt der Verordnung

Mit der neuen Finanzanlagenvermittlungsverordnung werden die Vorgaben der MiFID II für die gewerblichen Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater umgesetzt. Dazu werden zusätzliche Wohlverhaltenspflichten für gewerbliche Finanzanlagenvermittler eingeführt und bereits bestehende Regelungen an die Vorgaben der MiFID II angepasst. Zudem wird die Finanzanlagenvermittlungsverordnung mit der neu gefassten Versicherungsvermittlungsverordnung harmonisiert. Die wesentlichen Änderungen betreffen die Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten.

Tätigkeit im bestmöglichen Interesse des Anlegers

Nach der zurzeit noch geltenden allgemeinen Verhaltenspflicht des § 11 FinVermV ist der Gewerbetreibende verpflichtet, seine Tätigkeit mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse des Anlegers auszuüben. Diese Verpflichtung wird nun dahingehend erweitert, dass die Tätigkeit des Finanzanlagenvermittlers nunmehr im bestmöglichen (!) Interesse des Anlegers auszuüben ist. Damit wird Art. 24 Abs. 1 MiFID II umgesetzt.

Vermeidung, Regelung und Offenlegung von Interessenkonflikten

Mit § 11a wird eine neue Pflicht zur Vermeidung, Regelung und Offenlegung von Interessenkonflikten und zur Ausgestaltung der Vergütungsstruktur, durch die Interessenkonflikte vermieden werden sollen, in die FinVermV eingeführt. Danach muss der Finanzanlagenvermittler angemessene Maßnahmen treffen, um Interessenkonflikte zu erkennen, zu vermeiden oder gegebenenfalls offenzulegen. Dies betrifft insbesondere Interessenkonflikte, die durch Gewährung oder Entgegennahme von Zuwendungen entstehen können. Außerdem darf er seine Beschäftigten nicht in einer Weise vergüten, die mit ihrer Pflicht kollidiert, im bestmöglichen Kundeninteresse zu handeln. Mit der Neu­regelung werden Art. 23, 24 Abs. 10 MiFID II umgesetzt.

Information des Anlegers über Risiken, Kosten und Nebenkosten

In § 13 wird die Pflicht des Finanz­anla­gen­vermittlers zur Information des Anlegers über Risiken, Kosten und Nebenkosten der Finanzanlagen neu gefasst und konkretisiert. Es bleibt aber dabei, dass Finanzanlagenvermittler zur Erfüllung ihrer Informationspflichten die Informationen verwenden dürfen, die ihnen das die Finanzanlage konzipierende Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Verfügung stellt. Das gilt allerdings nicht für Informationen über die Kosten, die bei dem Finanzanlagenvermittler anfallen. Über diese muss der Finanzanlagenvermittler eine eigenständige Information zur Verfügung stellen. § 13 setzt Art. 24 Abs. 4 und Art. 25 Abs. 6 Unterabs. 1 MiFID II um.

Einholung von Informationen über den Anleger, Geeignetheitsprüfung

In § 16 wird die Geeignetheitsprüfung neu gefasst und dadurch mit den Vorschriften des WpHG harmonisiert. Hinsichtlich der Anforderungen an die Geeignetheit und den im Zusammenhang mit der Geeignetheit geltenden Pflichten sind zudem Art. 54 und 55 der Delegierten Verordnung 2017/565/EU der Kommission entsprechend anzuwenden. Ferner werden Finanzanlagenvermittler verpflichtet, den nach § 80 Abs. 9 WpHG bestimmten Zielmarkt zu berücksichtigen und mit dem jeweiligen Anleger abzugleichen. Finanzanlagenvermittler müssen sich dazu alle erforderlichen Informationen über den Zielmarkt des Wertpapierdienstleistungsunternehmens beschaffen und die Merkmale der jeweiligen Finanzanlage sowie den Zielmarkt verstehen. Damit wird Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 6 MiFID II umgesetzt.

Offenlegung von Zuwendungen

§ 17 wird dahingehend konkretisiert, dass die Annahme und Gewährung von Zuwendungen nicht nur der ordnungsgemäßen Vermittlung und Beratung im Interesse des Anlegers nicht entgegenstehen darf, sondern sich darüber hinaus auch nicht nachteilig auf die Qualität der erbrachten Finanzdienstleistung auswirken darf. Außerdem darf die Zuwendung nicht die Verpflichtung des Finanzanlagenvermittlers beeinträchtigen, im bestmöglichen Interesse des Anlegers zu handeln. Insoweit dürfen Finanzanlagenvermittler – anders als Wertpapierdienstleistungsunternehmen – auch zukünftig Zuwendungen vereinnahmen, ohne sie durch qualitätsverbessernde Maßnahmen rechtfertigen zu müssen.

Geeignetheitserklärung

In § 18 wird das bisher zu erstellende Beratungsprotokoll durch die Geeignetheitserklärung ersetzt. Die Geeignetheitserklärung muss die erbrachte Anlage­beratung nennen und erläutern, wie sie auf die Präferenzen, Anlageziele und die sonstigen Merkmale des Anlegers abgestimmt wurde. Die Geeignetheitserklärung ist dem Anleger bei einer Anlageberatung vor Abschluss des Vertrages auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 18 Abs. 1 ist Art. 54 Abs. 12 der Delegierten Verordnung 2017/565/EU entsprechend anzuwenden, der die Anforderungen an die Geeignetheits­erklärung konkretisiert. Mit der Änderung des § 18 wird Art. 25 Abs. 6 MiFID II umgesetzt.

Aufzeichnung telefonischer Vermittlungs- und Beratungsgespräche und sonstiger elektronischer Kommunikation

Mit dem neuen § 18a werden Finanzanlagenvermittler verpflichtet, zum Zwecke der Beweissicherung die Inhalte von Telefongesprächen und sonstiger elektronischer Kommunikation aufzuzeichnen, sobald sie sich auf die Vermittlung von oder die Beratung zu Finanzanlagen beziehen. Damit steht fest, dass das sogenannte Taping für Finanz­anlagenvermittler ebenso gelten wird wie für Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Verschiedene Verbände hatten im Vorfeld die Aufzeichnungspflicht für telefonische Beratungsgespräche kritisiert und einen Verzicht darauf gefordert. Jetzt müssen sich alle Finanzanlagenvermittler damit abfinden. Vermittler mit geringen Umsätzen müssen sich fragen, ob sich der mit der Aufzeichnungspflicht ver­bundene logistische Aufwand lohnt. § 18a setzt Art. 16 Abs. 7 MiFID II um.

Ausblick

Nach der Regulierung ist vor der Regulierung. Ursprünglich war beabsichtigt, die Zuständigkeit für die Erlaubnis­erteilung und die Aufsicht über Finanzanlagenvermittler bis zum 01.01.2021 auf die BaFin zu übertragen. Allerdings gibt es im Parlament noch Gesprächsbedarf. Deswegen gerät der Zeitplan ins Wanken (AssCompact berichtete). Mit der Übertragung der Aufsicht würden die Vorschriften der neuen Finanz­anlagenvermittlungsverordnung kurzfristig schon wieder abgelöst und in das Wertpapierhandelsgesetz übertragen. Die neue Finanzanlagenvermittlungsverordnung hätte damit nur eine Halbwertzeit von wenigen Monaten, bevor sich Finanzanlagenvermittler wieder mit neuen Vorschriften auseinandersetzen müssten. Hektik und Aktionismus prägen den Gesetzgeber. Es fehlt der Blick aufs Ganze. Eigentlich unterfallen die Regelungen über Finanzanlagenvermittler den Tatbeständen der Anlageberatung und Anlagevermittlung im KWG und WpHG. In beiden Gesetzen haben aber erst Bereichsausnahmen dazu geführt, dass Finanzanlagenvermittler aus dem Anwendungsbereich der Gesetze herausgefallen sind und sukzessive gewerberechtlichen Regelungen unterworfen wurden. Jetzt die Rolle rückwärts. Zwischenergebnis: gesplittete Aufsicht für Versicherungsvermittler und Finanzanlagenvermittler. Lösung: BaFin-Aufsicht für Versicherungsvermittler. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Über den Autor

Hans-Ludger Sandkühler ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Bild: © vitaliy_melnik – stock.adobe.com

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Hans-Ludger Sandkühler