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26. September 2017
Ganzheitliche Notfallorganisation – Richtig beraten

Ganzheitliche Notfallorganisation – Richtig beraten

Viele Versicherungsvermittler befassen sich mit „ganzheitlicher Familienberatung“ oder „Generationenberatung“. Unabhängig davon, unter welchem Titel man dies macht, müssen rechtliche, organisatorische, medizinische und finanzielle Fragen einbezogen werden. Welche Art der Beratung dabei rechtens und sinnvoll ist, erklärt Rechtsanwalt Lutz Arnold LL.M., Anwaltskanzlei Arnold.

Ganzheitliche Beratung ist für den Kunden absolut sinnvoll. Jeder Berater sollte sich hier Kompetenzen aneignen. Nur auf die „Rechtslage“ in Deutschland hinzuweisen, ist dabei auch keine unerlaubte Rechtsberatung.

Rechtliche Vorsorge

Zu „rechtlicher Vorsorge“ gehören Themen wie Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Sorgerechtsverfügung und Testament und für Unternehmer zusätzlich Geschäftsvollmacht, gesellschaftsrechtliche und haftungsrechtliche Fragen. Jeder Vermittler darf bei Kunden auf die Notwendigkeit solcher „rechtlicher Vorsorge“ hinweisen und darüber mit Kunden sprechen. Nur wenn die Fragen sehr kundenspezifisch und individuell werden, dann sollte er sicher sein, hierzu nur „die allgemeine Rechtslage“ darzustellen und nicht „Rechtsberatung“ zu leisten, Ausbildung hin oder her. Entweder der Vermittler nennt oder gibt dem Kunden Standardvorlagen oder Fragebögen, die der Kunde selber ausfüllt – dann stellt sich die Frage, wie bzw. wer dem Kunden diese Zettel aktuell hält. Oder er verweist auf Anwälte bzw. Notare oder Softwareplattformen, kann dann aber nicht mit seiner eigenen Kompetenz glänzen. Ein weiterer Weg ist, dass der Vermittler die Grenze von „erlaubter“ zu „unerlaubter“ Rechtsberatung schlicht sauber einhält. Das ist der Königsweg, damit der Vermittler seine Kompetenz beim Kunden zeigen kann. Der Vermittler hält die Grenze zur unerlaubten Rechtsberatung ein, wenn er nur von sich oder von Kunden oder allgemein über das deutsche Recht und seine Rechtsfolgen berichtet und nicht konkreten Einfluss auf individuelle Formulierungen der Kunden in den Dokumenten nimmt.

Vorsicht bei Erstellung eigener Dokumente

Es kommt immer wieder vor, dass Gesellschaften und sog. „Institute“, ohne eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz zu haben, selbst individuelle Texte erstellen. Sie laufen Gefahr, dass ihre Verträge vor Gericht für nichtig erklärt werden und, falls ein Wettbewerber dies mitbekommt, auch wettbewerbsrechtlich und ggf. strafrechtlich belangt zu werden. Das gilt selbst dann, wenn diese Gesellschaften und Institute die Dokumente von Anwälten erstellen lassen und diese auch bezahlen. „Bezahlketten“ hat der BGH schon im November 2014 für unzulässig erklärt. Und auch Anwälte, die in solche rechtswidrigen Systeme eingebunden sind oder die zum Beispiel ohne Freistellung der Mandanten von ihrer anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht die von ihnen erstellten Dokumente über die Gesellschaften an die Mandanten versenden lassen, verletzen Standesrecht und das Gebot anwaltlicher Verschwiegenheitspflicht.

Organisatorische Vorsorge

Neben rechtlichen Fragen geht es auch darum, wie man Notfallvorsorge ganz praktisch organisiert. Ein Notfalldokument, das nicht gefunden wird, nützt nunmal nichts. Auch die Informationsabläufe vom Opfer bis hin zu den Angehörigen müssen im Notfall ohne Zutun des (bewusstlosen) Opfers funktionieren. Es muss daher unbedingt geregelt sein, wie die Rechtsdokumente ohne das Zutun des Verunfallten schnell und rund um die Uhr sowie weltweit zum Arzt gelangen. Hier hilft ein kleiner Notfallausweis, über den der genannte Personenkreis die wichtigsten Daten des Verunfallten sofort erhält. Dies ist über ein Login möglich, mit dem Ärzte auf Informationen zugreifen können.

Wichtig: Medizinische Daten

Dokumente müssen auch über Jahre aktuell gehalten werden. Und sie sollten nicht nur Rechtliches oder Telefonnummern von Angehörigen enthalten, sondern gerade auch medizinische Informationen. Was nützt ein Rechtsdokument, wenn der Arzt nicht weiß, dass der Patient ein Bluter ist, der gerade einen Schlaganfall hatte, ihm deshalb – wie häufig in der Praxis – standardmäßig blutverdünnende Mittel spritzt und es zu Komplikationen bis hin zum Tod des Patienten kommt?

Es muss daher klar sein, welche medizinischen Besonderheiten der Patient hat, darunter Allergien und Unverträglichkeiten, besondere Erkrankungen und Impfstatus. In einer medizinischen Vorsorge muss auch erfasst werden, welche Medikamente der Patient regelmäßig nehmen muss und welche er nicht nehmen darf. Und der Hausarzt sollte bekannt sein. Eine ganzheitliche Notfallorganisation ohne medizinische Daten und klare Abläufe macht wenig Sinn.

Der richtige Anbieter: Anwaltstempel reicht nicht

Viele Anbieter werben mit ihren „Dokumenten“ und „Notfallleistungen“ und damit um Vermittler als Kooperationspartner. Bei diesen Anbietern gibt es sehr große Unterschiede. Verbraucher sollten sich vergewissern, ob sie Dokumente mit dem Briefkopf eines haftenden Anwaltes oder Notars erhalten, wodurch die Anerkennung durch Dritte (Behörden, Ärzte, Banken etc.) enorm erhöht wird. Es sollte ersichtlich sein, welcher Rechtsanwalt die Dokumente tatsächlich erstellt hat und dass dieser nur dann gegenüber dem Verbraucher vertraglich haftet und Gewährleistung geben muss, wenn zwischen diesem und dem Anwalt ein eigener Vertrag geschlossen wurde. Ohne Vertrag oder individuelle Zusicherung entsteht keine Haftung des Anwaltes. Allein der Stempel von ihm auf Dokumenten hat keinerlei rechtliche Bedeutung. Verbraucher sollten zudem klären, ob der erstellende Anwalt im Fall des Nichtanerkennens der Dokumente durch Dritte kostenlose Ersthilfe leistet.

Zu beachten ist ferner, ob die anbietende Gesellschaft eine echte internationale Hotline besitzt, die mehrsprachig besetzt ist, oder ob sie nur eine eigene Bürotelefonnummer als „internationale Hotline“ anbietet. Dies würde an Irreführung grenzen, wenn dort nicht vielsprachig und rund um die Uhr reagiert wird. Kritisch hinterfragen sollte man immer 0800er-Rufnummern, die als „Notfallhotline“ angegeben werden, da diese Rufnummern aus dem Ausland nicht erreichbar sind.

Eigene Haftung genau prüfen

Aufgrund langjähriger Zusammenarbeit mit Vermittlern empfiehlt es sich, das Risiko der eigenen Haftung genau unter die Lupe zu nehmen. Es gilt dabei zu überprüfen, ob die kooperierende Gesellschaft den Vermittler schriftlich von einer Haftung freistellt oder ob sie ihn nur von einer Haftung für Verschulden der Gesellschaft freistellt, denn für diese hätte er sowieso nie gehaftet. Die Frage, wen der Kunde angehen wird, wenn die Dokumente nicht anerkannt werden oder sie Fehler enthalten, sollten sich Vermittler ganz besonders stellen. Wird und kann der Kunde wirklich gegen einen Anwalt vorgehen, wenn er gar keinen Vertrag mit ihm hat? Kann der Kunde eine Gesellschaft verklagen, die doch selber weder die Daten aufgenommen noch die Texte erstellt haben will? Wer bleibt demnach für den Kunden übrig, wenn dieser Anwalt und die Gesellschaft nicht haftbar gemacht werden können?

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2017, Seite 130 f.

 
 
Ein Artikel von
Lutz Arnold, LL.M.

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Paul Brandenburg am 09. Oktober 2017 - 07:37

Eine Patientenverfügung ist essentiell für die gesundheitliche Vorsorge. Leider ist ein Großteil aller in Umlauf befindlichen Verfügungen aber bekanntermaßen unwirksam. Immer wieder zeigt sich, dass nicht etwa Rechtsfragen hier dass Probleme sind. Die Unwirksamkeit ist vielmehr regelhaft Folge eines mangels an präzisen medizinischen Formulierungen.

Die Notwendigkeit einer medizinischen Beratung bei der Erstellung einer Patientenverfügung erkennt der Verfasser noch und weist sogar darauf hin. “Eine ganzheitliche Notfallorganisation ohne medizinische Daten und klare Abläufe macht wenig Sinn.” Die richtige Schlußfolgerung aber gelingt ihm nicht: Medizinische Laien haben regelhaft Schwierigkeiten damit, konkrete Situationen und medizinische Maßnahmen zu beschreiben, die sie nie erlebt haben und auch kaum einschätzen können. Zu diesen Laien gehören in den meisten Fällen auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Erforderlich ist hier die Kompetenz von Fachärzten.

Die ärztlich geleitete Erstellung der Patientenverfügung sollte der Standard sein. Eine in dieser Weise erstellte Verfügung muss selbstverständlich auch allen formaljuristischen Kriterien standhalten. Dies sicher zu stellen, ist jedoch erst der zweite Schritt. Er erfordert regelhaft keinerlei Rechtsberatung des Patienten, sondern lediglich die nachgelagerte Durchsicht eines ärztlich erstellten Dokumentes durch einen Rechtsanwalt oder Notar. Dieses „Gegenlesen“ kann entweder nachträglich erfolgen oder als vorherige Prüfung der von Ärzten verwendeten Formulierungen und Dokumentenbestandteile. Mit DIPAT gibt es einen modernen ärztlichen Anbieter, der genau nach diesem Prinzip arbeitet.

Mit freundlichen Grüßen
Paul Brandenburg

Dr. med. Paul Brandenburg
Geschäftsführer DIPAT Die Patientenverfügung GmbH
Facharzt für Allgemeinmedizin, Notfallmedizin