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16. April 2020
Gebäudeversicherung: Wann kommt die Sturmflut?

Gebäudeversicherung: Wann kommt die Sturmflut?

Wenn ein Versicherer eine Ausschlussklausel in seinen AVB vorsieht, unklare Begriffe jedoch nicht definiert, muss er damit rechnen, dass die Klausel eng ausgelegt wird. So geschehen im Fall einer Gebäudeversicherung, die nicht bei Schäden durch Sturmfluten greifen sollte. Schließlich musste der BGH ein Urteil fällen.

Wann kommt die Flut? Ist das überhaupt eine relevante Frage, wenn man 16 Kilometer von der Küste entfernt lebt? Es scheint nicht so, aber wenn man an einem Fluss beheimatet ist, der in das Meer mündet, kann dieser Schein trügen. Ein Gebäudeversicherer nahm diesen Umstand zum Anlass, um den entstandenen Schaden nicht begleichen zu müssen. Ob dies jedoch rechtens war, musste schließlich der Bundesgerichtshof (BGH) klären.

Tiefdruckgebiet über der Ostsee

In dem Fall geht es um eine Versicherungsnehmerin, die Leistungen aus ihrer Gebäudeversicherung einforderte. Anfang 2017 zog ein Tiefdruckgebiet aus Skandinavien über die Ostsee in Richtung Weißrussland. Dabei kam es durch landeinwärts wehenden Wind zu Wasserständen von bis zu 1,60 m über dem mittleren Wasserstand an der Küste.

Fluss tritt über die Ufer

Die Warnow konnte daraufhin nicht mehr wie üblich ins Meer abfließen und staute sich zurück ins Landesinnere. Am Hafenhaus von Rostock kam es dann zu einer Überflutung des Grundstücks. Am Gebäude entstanden dabei Schäden von circa 13.500 Euro.

Schäden durch Sturmflut in AVB ausgeschlossen

Die Eigentümerin wollte sich im Folgenden die Schäden von ihrem Gebäudeversicherer erstatten lassen. Dieser lehnte eine Kostenübernahme unter Verweis auf seinen Risikoausschluss Sturmflut in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ab. Daraufhin klagte die Eigentümerin auf Erbringung der Leistung.

Prozessverlauf

Das Landgericht hatte der Klägerin recht gegeben und den Versicherer zur Zahlung verpflichtet. Auch das vom Versicherer angerufene Berufungsgericht entschied zugunsten der Grundstückseigentümerin. Der Versicherer ging jedoch vor dem BGH in Revision.

Keine Definition von Sturmflut in den AVB

Auch der BGH entschied jedoch letztinstanzlich im Sinne der Anklage. Die Leistungspflicht des Versicherers sei trotz der Ausschlussklausel bezüglich Sturmfluten in den AVB trotzdem gegeben. Die AVB enthielten keine Definition, die erklären würde, was man unter einer Sturmflut zu verstehen habe. Da dies nicht der Fall sei, komme es darauf an, was ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Vorkenntnisse unter einer Sturmflut verstünde. Die von dem Versicherer vorgelegten Gutachten, die mit Klassifizierungen nach der DIN oder behördlichen Regelungen argumentierten, seien somit unerheblich, bemerkte das Gericht in seiner Urteilsbegründung.

Mittelbare Schäden durch Folgen der Sturmflut

Selbst wenn man jedoch vom Vorliegen einer Sturmflut ausgehen würde, wären die entstandenen Schäden nicht das direkte Resultat der Sturmflut gewesen, sondern nur mittelbar durch den Rückstau des Flusses entstanden. Der Schaden selbst wurde durch den über die Ufer tretenden Fluss verursacht und derartige Hochwasserschäden habe der Versicherer nicht ausgeschlossen.

Risikoausschlüsse sind eng auszulegen

Derartige Ausschlüsse müssten immer eng ausgelegt werden, da sie den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers einschränkten, erklärte der BGH. Wenn ein Risikoausschluss auch bei mittelbaren Auswirkungen von Sturmfluten greifen soll, hätte der Versicherer dies in seinen AVB so deutlich machen müssen. (tku)

BGH, Urteil vom 26.02.2020, Az.: IV ZR 235/19

Bild: © Jürgen Fälchle – stock.adobe.com