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1. September 2022
Geschäft mit Lebensversicherungen bleibt angespannt
Railway track in the evening in sunset. Panoramic view on the railroad switch.

Geschäft mit Lebensversicherungen bleibt angespannt

Noch vor zwölf Monaten herrschte unter den Lebensversicherern Einigkeit: Das Niedrigzinstief ist schlecht fürs Geschäft. Da hätte doch die Zinswende für eine Aufhellung der Stimmung sorgen können. Wäre da nicht das Problem mit der hohen Inflation, denn die knabbert nun an der Sparfähigkeit der Menschen. Doch es gibt auch positive Nachrichten.

Die Lage der Lebensversicherer, insbesondere aber das Geschäft mit Lebensversicherungen, bleibt weiterhin angespannt. Das ist das Resümee des Handelsblatt-Strategiemeeting Lebensversicherung Ende August 2022. Und doch erscheint dieses Fazit auf den ersten Blick widersprüchlich. Dazu ein Blick zurück in den August 2021. Dieselbe Veranstaltung, dieselbe Schlussfolgerung: Das Geschäft mit Lebensversicherungen bleibt für die Versicherer schwierig. Der Grund: Das niedrige Zinsniveau. Denn niedrige Zinsen machten es nahezu unmöglich, die zum Teil hohen Garantien, die die Versicherer ihren Kunden in der Vergangenheit zugesagt hatten, zu erwirtschaften.

Gesamtwirtschaftliches Umfeld gedreht, Stimmung bleibt gleich schlecht

Nun – keine zwölf Monate später – hat sich das gesamtwirtschaftliche Umfeld komplett gedreht. Materialengpässe, unterbrochene Lieferketten und der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ließen die Inflationsrate in Deutschland und vielen anderen Wirtschaftsräumen der Welt unerwartet kräftig in die Höhe schnellen. Im August nun wird die Inflationsrate in Deutschland nach vorläufigen Schätzungen wohl 7,9% betragen. Infolgedessen kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli 2022 eine Zinswende in der Eurozone an und das marktübliche Zinsniveau begann allmählich zu steigen.

Aber: Trotz Zinsanstiegs drückt die anhaltend hohe Preisdynamik nun erneut auf die Stimmung unter den Lebensversicherern. Denn der Kaufkraftverlust, den die Menschen in Deutschland derzeit erfahren, schränkt die Sparfähigkeit der Bevölkerung zunehmend ein. Kaum überraschend daher, dass bereits ein Viertel der Befragten in einer aktuellen Umfrage des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) ihre Einzahlungen in Sparverträge zugunsten finanzieller Spielräume für den Konsum einstellen mussten (AssCompact berichtete). Schlechte Nachrichten also für das Vorsorgeverhalten und damit auch für das Neugeschäft mit Lebensversicherungen.

Risiko für Stornierungen bei Lebensversicherungen steigt

Immerhin: Mit den steigenden Zinsen hat sich zumindest die Finanzstabilität der Versicherer entspannt. Die Versicherungsaufsicht Bafin hat daher nur noch rund 30 statt 40 Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht. Bei den Lebensversicherern sind es rund 15 statt 20 Unternehmen. „Doch auch im aktuellen Zinsumfeld gibt es erhebliche Herausforderungen für die Branche“, sagte nun Bafin-Versicherungsaufseher Dr. Frank Grund beim Handelsblatt-Strategiemeeting Lebensversicherung. Neue Probleme entstünden nun dadurch, dass auch andere Geldanlagen insgesamt wieder attraktiver würden. Grund sieht daher das Risiko steigen, dass Verbraucher ihre Lebensversicherungen vermehrt stornieren könnten. Möglich seien daher ein rückläufiges Neugeschäft und eine höhere Anzahl an Beitragsfreistellungen. „Ein gutes Liquiditäts- und Risikomanagement sind in dieser Situation besonders wichtig“, mahnte der Bafin-Exekutivdirektor laut handelsblatt.de.

Lebensversicherer haben die Herausforderungen erkannt

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Den Aussagen der Expertinnen und Experten auf dem Handelsblatt-Strategiemeeting zufolge hat die Branche die Herausforderungen erkannt. Guido Bader, Vorstandschef der Stuttgarter Lebensversicherung, verwies während einer Diskussion laut handelsblatt.de darauf, dass die Lebensversicherer ihren Kunden weiterhin gute Angebote machen könnten. In der langen Niedrigzinsphase haben sich viele Anbieter von klassischen Lebensversicherungen, die mit einer 100-prozentigen Beitragsgarantie ausgestattet waren, nämlich verabschiedet. „Trotz steigender Zinsen werden Garantien nun kein Revival erleben“, meinte Bader. Eine kurzfristige Anhebung des Höchstrechnungszinses von aktuell 0,25% sei unwahrscheinlich. Versicherte könnten zudem nicht mit schnellen und deutlichen Steigerungen der Überschussbeteiligung rechnen. Produkte mit abgesenkten Garantien und Fondspolicen, bei denen Chancen auf eine höhere Rendite bestehen, haben sich daher laut Bader bewährt. Zudem könnten die Anbieter im Vertrieb damit punkten, dass sie Privatanlegern den Zugang zu renditestärkeren Anlageklassen ermöglichen. Denn Versicherer würden auch in alternative Kapitalanlagen wie Private Equity investieren, zu denen Privatanleger anders meist keinen Zugang hätten.

Stimmung der Versicherungswirtschaft hat sich merklich abgekühlt

Insgesamt aber hat sich die Stimmung der deutschen Versicherungswirtschaft dennoch erheblich abgekühlt. Laut Konjunkturumfrage, die das Ifo-Institut für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) erstellt hat, bewerten insbesondere die Lebensversicherer ihre aktuelle Geschäftslage deutlich schlechter als im Vorquartal. „Auch der Anteil der Lebensversicherer, die in den nächsten Monaten eine negative Geschäftsentwicklung für wahrscheinlich halten, hat sich im Sommer mit 22% gegenüber dem Frühjahr mehr als vervierfacht“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Das Geschäft mit Lebensversicherungen bleibt also für die Versicherer trotz Zinswende weiterhin angespannt. (as)

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