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24. Januar 2023
Großstädte als Verlierer am Immobilienmarkt?

Großstädte als Verlierer am Immobilienmarkt?

Immer mehr Menschen verlassen die Metropolen und wandern ins preiswertere Umland ab: Diese Flucht aus der Stadt verstärkte sich von 2018 an innerhalb von nur drei Jahren um rund 20%. Diese und andere Bewegungen auf dem Immobilienmarkt analysieren PropTech-Unternehmen mithilfe künstlicher Intelligenz.

Ein Gastbeitrag von Christian Crain, Geschäftsführer von PriceHubble Deutschland

Die Wohnungsmärkte in den Großstädten stehen unter enormem Druck. Waren es 2018 noch 47.000 Menschen, die aus den Top-7-Städten vor die Tore der Stadt zogen, waren es drei Jahre später schon fast 60.000. Experten gehen davon aus, dass sich dieser Trend durch die Krise im Wohnungsbau und die weiter steigende Nachfrage nach Wohnraum in diesem Jahr erneut verschärfen wird. Dabei wird unerheblich sein, ob es sich um den Miet- oder den Eigentumsmarkt handelt.

Der immer teurer werdende Wohnraum mit stark steigenden Nebenkosten ist für die meisten Menschen der wichtigste Grund, dem pulsierenden Stadtleben den Rücken zu kehren, denn selbst in weniger attraktiven städtischen B- und C-Lagen steigen die Kaltmieten jedes Jahr konstant um 8 bis 9% laut einer Analyse des Forschungsinstituts Empirica Regio. Der Wunsch nach einem ruhigeren Wohnen in einer grünen Umgebung ist inzwischen weniger wichtig als die Kostengründe.

Immobilienprojekte werden schwerer zu kalkulieren

Bei der Kalkulation von Immobilienprojekten muss nicht nur das Thema Stadtflucht berücksichtigt werden. Ebenso einfließen müssen in die Wirtschaftlichkeitsberechnung die Inflation auf Rekordniveau sowie der extreme Anstieg der Bau- und Rohstoffkosten. Bayerische Baufirmen etwa haben ihre Preise 2022 im Schnitt um 25 bis 30% erhöht, wie die Bauinnungen im Freistaat Anfang November berichteten. Und niemand kann sagen, wie lange Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine mit all seinen wirtschaftlichen Folgen noch andauert. Ein weiteres, ganz entscheidendes Element für den Immobilienmarkt ist aber die Anhebung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank.

Die aktuellen Entwicklungen haben zu einer Wende am Immobilienmarkt geführt: Nachdem die Preise jahrelang nur einen Weg – und zwar steil nach oben – kannten, sieht man schon jetzt einen deutlichen Seitwärtstrend oder sogar sinkende Preise. Eine aktuelle Analyse von PriceHubble zeigt, dass die Preise für neue Eigentumswohnungen in Hamburg seit Mitte des Jahres 2022 rund 10% gefallen sind, für den Bestand sind es 11%. In München sind die Preise für neue Wohnungen nur leicht um rund 8,5% gestiegen, Bestandswohnungen sind dagegen um knapp 10% günstiger geworden. Aufgrund des regelrechten Booms der vergangenen Jahre kann man dennoch nicht von preiswertem Wohnraum sprechen.

Können Immobilienprojekte noch seriös kalkuliert werden?

Ohne den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Big Data ist in der komplexen Situation eine saubere und seriöse Berechnung von Immobilienprojekten kaum noch möglich. Dazu müssen zu viele Parameter berücksichtigt werden. Doch mithilfe von Algorithmen und künstlicher Intelligenz lässt sich der statistische Wert einer Immobilie so ermitteln, dass die Treffsicherheit sehr groß ist. Die Nutzung statistischer Bewertungsmodelle wurde vergangenes Jahr von der European Banking Authority in ihre Richtlinien aufgenommen.

Für eine solche statistische Wertermittlung ist es nötig, möglichst viele Daten und Datenquellen in die Kalkulation einzubeziehen. Modelle von Immobilienspezialisten umfassen heute mehrere hundert Faktoren, um einen Marktpreis zu bestimmen, der in der aktuellen Situation am wahrscheinlichsten ist. Dieser Marktpreis wird durch die veränderten Rahmenbedingungen im Vergleich zum Vermarktungspreis deutlich an Bedeutung gewinnen. Der Finanzdienstler MLP beispielsweise setzt auf eine solche KI- und Big-Data-basierte Lösung.

Müssen ursprüngliche Projekt­berechnungen verworfen werden?

Die Erstellungskosten im Immobilienbereich haben sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. Aber es gibt noch eine andere dramatische Veränderung: Wegen der Inflation und der allgemeinen wirtschaftlichen Verunsicherung muss auch genau analysiert werden, ob die ursprünglich anvisierte Käuferschicht durch steigende Hypothekenzinsen und Inflation noch erfolgreich anzusprechen ist. Die Nachfrage vor allem nach mittel- bis hochpreisigen Objekten wird sich aufgrund des Wegbrechens eines Teils der Käuferschaft ausdünnen.

Laut Immobilienverband IVD Süd in München deutet sich an, dass sich der Markt gedreht hat. Die Zeiten, in denen in den Städten zum Verkauf stehende Wohnungen und Häuser den Maklern quasi aus den Händen gerissen wurden, sind vorbei. Die Anzahl der im Markt befindlichen Immobilien ist deutlich gestiegen. Das bedeutet, es wird wieder etwas mehr Aufwand nötig sein, den richtigen Käufer für das richtige Objekt zu finden, und es muss wieder genauer geprüft werden, welcher Kaufpreis am Markt zu erzielen ist. Gegebenenfalls müssen Finanzierungen neu verhandelt werde; dies sollte auf einer sicheren Datengrundlage für das Projekt passieren. Je mehr Daten rund um ein Projekt vorliegen, desto exakter lässt sich nicht nur der kurzfristige, sondern auch der langfristige Wert darstellen.

Erforderliche Daten für eine Projektkalkulation

PriceHubble arbeitet mit einem eigenen Automated Valuation Model (AVM). Dieses automatisierte Bewertungsmodell kann durch mathematische Prognosealgorithmen und mithilfe von Big Data Analytics und künstlicher Intelligenz mehr als 400 immobilienbezogene Faktoren eines Objekts auswerten und den Marktpreis einer Wohnimmobilie an jedem erdenklichen Standort in Deutschland ermitteln. Dabei werden nicht nur die Kerndaten der Immobilie wie Lage, Größe, Anzahl der Zimmer und Ausstattung berücksichtigt, sondern auch sozioökonomische Daten der Nachbarschaft, Infrastrukturdaten, Erreichbarkeiten, Vergleichsobjekte oder Bauvorhaben in der Umgebung. Dieses AVM kann den statistisch wahrscheinlichsten Markt- und Mietpreis in Echtzeit ermitteln. Geprüft werden kann zusätzlich mit einem Building Simulator, welche Preise für welche Wohnungsgrößen erzielbar sind.

Anhand einer Objekt- und Standortanalyse lässt sich prüfen, ob die Zielgruppe am Standort die gleiche bleiben wird. Damit kann auch eine prognostizierte Wertentwicklung für die kommenden 18 Monate ermittelt werden. In Zeiten unter Druck stehender Immobilienmärkte ist eine detaillierte und umfangreiche Datenanalyse rund um Immobilienprojekte und Immobilienbestände unumgänglich. (tk)

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © David pix123 - stock.adobe.com; Porträtfoto: © PriceHubble

 
Ein Artikel von
Christian Crain