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10. Februar 2021
Gut beraten können in schwierigen Marktphasen

Gut beraten können in schwierigen Marktphasen

Kompetenz und Kommunikation in der Krise: In unsicheren Zeiten sind Finanzberater besonders gefragt. Wer seine Kunden souverän durch ein unsicheres Umfeld navigiert, schafft Vertrauen. Wie das geht, erklärt Lorand Soha, Sales Executive Deutschland und Österreich bei Vanguard.

Krisen an den Kapitalmärkten sind nicht nur für die meisten Anleger eine Heraus­forderung. Sie bringen auch Finanzberater in eine schwierige Situation. Denn sie müssen ihre Kunden noch intensiver als üblich betreuen. Es geht darum, Vertrauen zu schaffen, Zuversicht zu vermitteln und gleichzeitig das Portfolio zu schützen. Insbesondere gilt es, Anleger vor reflexartigen Reaktionen auf ungünstige Marktentwicklungen zu bewahren. Denn diese sind selten förderlich, wenn es darum geht, langfristige Anlageziele zu erreichen.

So stehen Anleger, die im März zu Beginn der Corona-Krise übereilt aus dem Aktienmarkt ausgestiegen sind, heute in aller Regel schlechter da, als wären sie investiert geblieben. Zwar erholen sich die Börsen längst nicht immer so schnell wie in diesem Jahr. Dennoch gilt grundsätzlich, dass sich häufige Strategiewechsel infolge kurz- und mittelfristiger Marktentwicklungen fast nie auszahlen.

Damit Anleger auch in schwierigen Marktphasen Kurs halten und Turbulenzen trotzen, müssen ihre Berater die emotionalen Impulse verstehen, denen ihre Kunden ausgesetzt sind, wenn die Kurse fallen. Drei wesentliche psychologische Faktoren sind die Angst vor Kontrollverlust, die Überbewertung negativer Nachrichten und der sogenannte Rückschaufehler („Ich habe es ja schon vorher gewusst“).

Verstehen Finanzberater diese Verhaltensmuster ihrer Kunden, können sie gezielt Einfluss nehmen und sie ermutigen, an der gemeinsam entwickelten langfristigen Anlagestrategie festzuhalten.

Kontrollverlust: Vertrauen ist gut

Unberechenbare Situationen sorgen oft für ein Gefühl des Kontrollverlusts. Daraus entsteht schnell ein unmittelbarer Handlungsimpuls. Denn wer reagiert und etwas tut, gibt sich das Gefühl, das Heft des Handelns in der Hand zu behalten – unabhängig davon, wie sinnvoll die Reaktion tatsächlich ist. Bei der Kapitalanlage heißt das: Fallen die Kurse, wollen viele Anleger ihre Portfolios unmittelbar neu ausrichten. Auch wenn das selten eine gute Idee ist, sollten Berater diesen Impuls ernst nehmen und den Drang zu handeln nicht komplett ignorieren.

Gute Argumente dafür, den eingeschlagenen Kurs unverändert weiter zu verfolgen, werden nicht selten auf Unverständnis stoßen. Umso mehr kommt es darauf an, die Handlungsimpulse in eine Richtung zu lenken, die die langfristigen Anlageziele nicht gefährdet.

Bisweilen lässt sich das bereits durch eine Änderung des Blickwinkels erreichen. Wer Marktkorrek­turen passiv aussitzt, stellt sich schließlich gleichzeitig aktiv gegen die aktuell vorherrschende Marktmeinung. Damit geht ein Gefühl von Handlungsfähigkeit einher, das Berater noch unterstützen können, indem sie positives Feedback geben und einen Austausch mit anderen Anlegern fördern. Denn auch gegenseitige Bestätigung befördert das Gefühl, nicht im falschen Boot zu sitzen.

Reichen weder ein derartiger Perspektivwechsel noch der Verweis auf die Vorteile aus, die sich fast immer ergeben, wenn der Anleger an seiner langfristigen Ausrichtung festhält, sollten Berater die psychologischen Faktoren hinter dem Wunsch des Anlegers nach Veränderung respektieren. In diesem Fall gilt es, bei einer Neuausrichtung des Portfolios so behutsam wie möglich vorzugehen, um die vereinbarten Langfristziele nicht zu gefährden. Außerdem sollten Finanzberater mögliche Konsequenzen für den Fall aufzeigen, dass sich die Märkte ein weiteres Mal anders entwickeln als erwartet.

Negative Nachrichten: Einordnung hilft

Wenn die Kurse an den Finanzmärkten abstürzen, verfallen die Medien gern in Schwarzmalerei. Für viele Anleger sind entsprechende Negativschlagzeilen nur schwer auszuhalten – insbesondere wenn sie bereits Verluste erlitten haben. Eine Flut negativer Nachrichten bestärkt die ohnehin erhöhte Risikowahrnehmung der Anleger weiter – weitestgehend unabhängig von der Faktenlage. Folge ist häufig ein übereilter Ausstieg aus dem Markt. Berater sind in diesem Fall gefragt, die Nachrichten für den Anleger richtig einzuordnen. Manchmal reicht schon ein kleiner Anstoß, um ihn von einem ausgewogeneren Nachrichtenkonsum zu überzeugen. Auch ein Verweis auf frühere Marktkorrekturen und das entsprechende Medienecho kann hilfreich sein.

Darüber hinaus gilt es, die tatsächlichen Auswirkungen negativer Nachrichten auf die persönliche finanzielle Situation des Anlegers zu beleuchten. Inwieweit Veränderungen am Markt ihr Leben tatsächlich beeinflussen, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Finanzberater können ihre Kunden vor einer übertriebenen Personalisierung der Marktentwicklung bewahren, indem sie sie daran erinnern und darauf hinweisen, dass kurzfristige Kursverluste die lang­fristigen Ziele nicht gefährden.

Rückschaufehler: hätte, hätte, Fahrradkette

Tatsächlich weiß niemand, was morgen an den Märkten passieren wird. Neben Anlegern und ihren Beratern haben auch Aktienstrategen und Chefvolkswirte den Corona-Crash so wenig vorhersagen können wie etliche Marktkorrekturen zuvor. Im Rückblick allerdings haben sich viele Entwicklungen vermeintlich klar angedeutet, und viele Anleger wollen bereits im Voraus gewusst haben, wann der Dax die Talsohle erreicht, welche Fonds besonders gut laufen werden und an welchen Märkten man die höchsten Renditen erzielen kann.

Diese Sichtweise ist auf das aus der Psychologie bekannte Phänomen des Rückschaufehlers („Hindsight Bias“) zurückzuführen und stellt Berater vor eine ernste Herausforderung. Denn weil Anleger die Marktentwicklungen im Nachhinein genau kennen, stellen sie häufig die Empfehlungen infrage, die ihr Berater in un­sicheren Zeiten ausgesprochen hat. Hätten sie nicht stattdessen in die Top-Performer investieren können?

Hier gilt es, frühere Anlageentscheidungen gemeinsam mit dem Kunden angemessen und wo nötig kritisch zu bewerten und in einen Zusammenhang zu den formulierten langfristigen Anlagezielen zu setzen. Vollständig lässt sich der Hindsight Bias niemals ausschalten. Finanzberater, die ihren Kunden frühzeitig erläutern, dass Enttäuschungen ebenso zur Vermögensanlage gehören wie ein gewisses Maß an Unsicherheit, erleichtern ihnen aber den Umgang mit zwischenzeitlichen Verlusten und entsprechenden Emotionen maßgeblich.

Entscheidend ist auch hier, den Kunden an die Hand zu nehmen und ihm glaubwürdig zu erklären, dass kurz- und mittelfristige Marktentwicklungen seine langfristigen Anlageziele nicht gefährden. Tatsächlich bieten gerade schwierige Marktphasen die Gelegenheit aufzuzeigen, dass alternative Ansätze nicht zielführender gewesen wären, und das Bekenntnis zur gewählten Anlagestrategie zu erneuern.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2021, Seite 58f., und in unserem ePaper.

Bild: © Shutter B – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Lorand Soha