AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
8. Juni 2020
Haftung bei Grenzfällen zwischen Versicherung und Kapitalanlage

Haftung bei Grenzfällen zwischen Versicherung und Kapitalanlage

Der Grenzbereich zwischen Versicherungen und Kapitalanlagen kann rechtlich gefährliches Terrain sein. Hier landet man bei der Vermittlung eines Versicherungsprodukts, welches eigentlich als Kapitalanlage dient, schnell in der persönlichen Haftung. Worauf Vermittler bei derartigen Produkten achten müssen, erklärt der Fachanwalt Prof. Dr. Thomas Zacher von der Kanzlei Zacher & Partner.

Bei der Vermittlung von Produkten, die sich im Grenzbereich zwischen Versicherungen und Kapitalanlagen bewegen, ist haftungs- und steuerrechtlich besondere Vorsicht geboten. Ein Beispiel aus den letzten Wochen, das sich tatsächlich in etwa so zugetragen hat: Ein Kunde, ca. 40 Jahre alt und erfolgreicher Unternehmer, möchte einen sehr namhaften Betrag mittelfristig „parken“. Er geht davon aus, dass er jedenfalls große Teilbeträge in den kommenden Jahren benötigen wird, ohne schon den genauen Zeitpunkt zu kennen, da für ihn ein größeres Vorhaben ansteht. Die Sicherheit hat für ihn absolute Priorität. Zugleich ist er aber verschreckt von den auch von seiner Hausbank in Ansatz gebrachten Negativzinsen. In Zeichen der Corona-Krise ist er sich auch nicht mehr sicher, ob ein solcher Betrag alleine bei einer Bank sicher aufgehoben ist, da er von der begrenzten Höhe der Einlagensicherungen bei Banken gehört hat. Mehrere neue Bankverbindungen gleichzeitig zu diesem Zweck möchte er aber auch nicht eröffnen, zumal er auch dort zum Teil „mit Strafzinsen“ rechnen muss.

Fondsgebundene Kapitallebensversicherung – Eine sichere Geldanlage?

Sein Versicherungsmakler, der ihn und sein Unternehmen umfassend und langjährig betreut, schlägt ihm als Alternative eine Kapitallebensversicherung gegen Einmalzahlung vor, die fondsgebunden auf einer durchaus konservativen Anlage­­strategie basiert. Die Kapitalzahlung nach Ablauf in Höhe des Einzahlungsbetrages ist garantiert, die Überschüsse nicht. Er erläutert seinem Kunden, dass Lebensversicherungen bisher über alle Krisen hinweg eine sehr stabile Geld­anlage gewesen wären und im Zweifelsfall auch noch sicherer als Banken wären, die schon im einen oder anderen Fall in die Knie gegangen wären. Außerdem könne er immerhin trotz der konservativen Anlage mit einer moderaten Rendite rechnen, auch wenn die Prognosewerte derzeit nicht „in den Himmel wüchsen“. Bei der von ihm empfohlenen Versicherung wären auch Kapitalentnahmen während der Laufzeit möglich. Was nicht benötigt würde, bliebe eben sehr sicher angelegt, zumal der Kunde für die allgemeine Lebenshaltung die als Einmalzahlung anzulegende Summe tatsächlich nicht benötige.

Gehen wir davon aus, dass Letzteres tatsächlich aufgrund der erfreulichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden und seines Unternehmens zutrifft. Lassen wir darüber hinaus einmal außer Acht, dass sich unser Versicherungsmakler mit seinen Aussagen zur relativ größeren Sicherheit von Lebensversicherungen gegenüber Banken und mit seinen Prognosen über die langfristige Renditeentwicklung im Vergleich zwischen fondsgebundenen Lebensversicherungen und Bankprodukten zumindest auf ein dünnes Eis begeben hat, auch wenn er seinem Kunden – pflichtgemäß – die Unterlagen des Versicherers zur prognostizierten Wertentwicklung der Lebensversicherung bei verschiedenen Szenarien ausgehändigt hat.

Haftungs-„Fettnäpfchen“ Kapitalentnahme

Trotzdem ist unserer Versicherungsmakler hier gleich in mehrere „Fettnäpfchen“ getreten, die seine persönliche Haftung begründen und gegebenenfalls auch seinen Versicherungsschutz in diesem Fall tangieren könnten. Der erste Fehler liegt schon darin, dass er – zumindest missverständlich – seinem Kunden dargestellt hat, dieser könne „jederzeit an sein Geld kommen“. Während der Ver­sicherungsmakler damit – vielleicht – nur im Hinblick auf die lange Laufzeit andeuten wollte, dass tatsächlich während der Laufzeit bei der konkreten Versicherung jederzeit Entnahmen möglich seien, hat der Kunde dies aus seiner Sicht – und gerade bei der Abwägung gegenüber Anlageprodukten – so verstanden, dass er – zumindest notfalls – auch während der gesamten Laufzeit­zumindest „sein Geld“ in voller Höhe zurückbekommen könne und dabei keine „Strafzinsen“ zu befürchten hätte. Schon aus den Versicherungsunterlagen geht jedoch hervor, dass trotz der garantierten Ablaufleistung nach mehreren Jahrzehnten selbst unter Berücksichtigung der (nicht garantierten) Überschus­santeile über viele Jahre hinweg der Rückkaufswert deutlich unter dem eingezahlten Betrag liegt. Tatsächlich könnte der Kunde, wenn er zum Beispiel 1 Mio. Euro anfänglich eingezahlt hat, etwa nach einem Jahr 500.000 Euro „zurück­bekommen“. Aber er hätte dann nicht mehr die aus seiner Sicht verbleibenden weiteren 500.000 Euro als verbleibendes Kapital in seiner Lebensversicherung, sondern eben nur einen deutlich geringeren Betrag.

Wirtschaftliche Betrachtung eines Versicherungsproduktes

Spätestens an dieser Stelle kommt im Hinblick auf die Aufklärungspflichten der hier tatsächlich vorhandene wirtschaftliche Zweck einer Kapitalanlage ins Spiel, auch wenn es sich um ein Versicherungsprodukt handelt. Die Gerichte urteilen in ständiger, wenn auch nach wie vor etwas im Verborgenen blühenden Rechtsprechung, dass dann, wenn ein Versicherungsprodukt tatsächlich nach seinem wirtschaftlichen Gehalt als Kapitalanlage dient, der Vertrieb auch das komplette Pflichtenprogramm der Aufklärung bei Kapitalanlagen zu erfüllen hat. Eine ordnungsgemäße Vermittlung nach VVG bzw. IDD reicht alleine nicht.

„Stellt sich der Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft dar, so ist der Versicherer nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Aufklärung bei Anlagegeschäften verpflichtet“, so hat es das OLG Frankfurt in seinem Urteil vom 05.07.2013 unter Verweis auf mehrere Urteile des Bundesgerichtshofes formuliert. Fast wortgleich lautet ein Leitsatz eines Hinweisbeschlusses des Kammergerichts vom 30.01.2018 und weitere immer wieder von den Instanzgerichten erlassenen Judikate.

Vorsicht bei Versicherungen mit Kapitalwahlrecht

Besonders betroffen sind kapitalbildende Lebensversicherungen oder Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht, die naturgemäß eine besondere Nähe zu Anlageprodukten aufweisen. Kommen – wie in unserem Bespielfall – noch besondere Umstände hinzu, etwa die Einzahlung in die Versicherung durch einen Einmalbetrag in beträchtlicher Höhe und/oder die im konkreten Fall untergeordnete Bedeutung der Absicherung des Todesfallrisikos, ist man schon auf dem sicheren Weg in die Vermittlung einer De-facto-Kapitalanlage. Leider gibt es hierzu nach wie vor keinen abschließenden Katalog von Kriterien, sondern es kommt stets auf die viel zitierte „Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“ an. Hierzu gehören auch weitere objektive Umstände wie etwa die Fälle der kreditfinan­zierten Lebensversicherung oder einer objektiv so geringen Todesfallleistung, dass diese bei wirtschaftlicher Betrachtung kaum Bedeutung haben kann.

Umstände des Einzelfalls „begründen“ Kapitalanlage

Zwar treffen die anlagebezogenen Aufklärungspflichten zumindest auch den jeweiligen Versicherer als Anbieter, gerade beim Versicherungsmakler als „Sachwalter des Kunden“ ist es jedoch schon grundsätzlich nicht gesichert, dass er eine etwaige Haftung nach Kapitalanlagegrundsätzen nicht auch persönlich zu tragen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen nicht allein die Produktgestaltung selbst zur Beurteilung als Kapitalanlagen führt, sondern dies nur aufgrund der persönlichen Umstände des Einzelfalls beim Kunden geschieht, die der Versicherer als solche nicht kennen kann, sondern der Makler mit seinen Kunden bespricht. Hier kommt nicht nur eine unmittelbare Haftung des Vertriebes in Betracht, sondern gegebenenfalls auch ein Regressanspruch, wenn der Produktgeber dem Vertrieb ein individuelles Verschulden nachweisen kann.

Bezüglich unseres Beispiels gilt, dass schon die besondere Konstruktion einer fondsgebundenen Versicherung dem Kunden zu erläutern war. Nicht nur die möglichen Schwankungen der Wertentwicklung – trotz einer garantierten Ablaufleistung – waren aufklärungspflichtig, sondern auch das Risiko, dass im Hinblick auf die unterliegende Fondsanlage im Einzelfall zeitliche Verzögerungen der Realisierung des Kapitals eintreten können.

Haftung für steuerliches Konzept eines Produkts

Ähnliches gilt schließlich auch für Steuerfragen. Fonds­gebundene Lebensversicherungen stehen auch steuerlich oft auf der Grenze zwischen Versicherungsprodukt und persönlicher Kapitalanlage, wie zuletzt etwa der BFH in seinem Beschluss vom 26.03.2019 deutlich gemacht hat. Der Vermittler schuldet zwar grundsätzlich keine Steuerberatung im Einzelfall und darf sie berufsrechtlich auch regelmäßig nicht erbringen. Wenn er sich aber gerade auch auf seine besondere steuerliche Expertise in diesem Bereich bezieht oder Tipps zur Besteuerung des von ihm empfohlenen Produkts oder im Vergleich mit anderen Produkten gibt, muss er sich an diesen Maßstäben auch messen lassen. Dementsprechend kommt dann auch eine persönliche Haftung für den Fall in Betracht, in dem das steuerliche Konzept tatsächlich doch nicht funktioniert. Gerade bei Lebensversicherungen im Zusammenhang mit der betrieblichen Sphäre des Kunden lauern oftmals Fallstricke, in deren Netzen man sich als Makler nicht ohne Not verfangen sollte. Die Kooperation mit dem Steuerberater des Kunden oder gegebenenfalls einem für diese spezielle Frage passenden Steuer­spezialisten ist oftmals – für beide Seiten – der bessere Weg.

Aufklärungspflichten zu Kapitalanlagen vorher abklären

Wer Versicherungsprodukte vertreibt, sollte sich zunächst selbst stets die ehrliche Frage stellen, ob das Produkt grundsätzlich oder jedenfalls im speziellen Fall als Kapitalanlage gedacht ist oder hiermit aus der Sicht des Kunden konkurriert. Wenn diese Frage zu bejahen ist, bleiben zunächst trotzdem die ver­sicherungsvertraglichen Anforderungen zu erfüllen – aber zusätzlich ist das „Aufklärungsprogramm“ wie bei einer Kapitalanlage zu durchlaufen, soll es später kein böses Erwachen geben. Dies gilt nicht nur für die dem Kunden anzubietenden Pflichtunterlagen, sondern auch die inhaltliche Gestaltung und Vertiefung des Vermittlungsprozesses. Ist man sich nicht sicher, dies mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erfüllen und hierfür auch die entsprechende Zulassung zu besitzen, kann manchmal weniger mehr oder die Kooperation mit einem Kollegen der bessere Rat sein.

Über den Autor

Prof. Dr. Thomas Zacher ist Fachanwalt für Steuer-, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie verantwortlicher Gesellschafter der Kanzlei Rechtsanwälte Zacher & Partner in Köln.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2020 und in unserem ePaper.

Bild: © fiore26 – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Prof. Dr. Thomas Zacher