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14. Dezember 2022
Haftungsfalle Rechtsschutzversicherung?

Haftungsfalle Rechtsschutzversicherung?

Bei der Vermittlung von Rechtsschutzversicherungen kommt es im Vergleich zu anderen Sparten deutlich öfter zu Haftungsfällen des Versicherungsvermittlers. Doch woran liegt das eigentlich? Welche Fehler passieren vergleichsweise häufig und wie kann der Versicherungsvermittler diese vermeiden?

Ein Artikel von Franziska Geusen, Geschäftsführerin der Hans John Versicherungsmakler GmbH

Die Vermittlung von Rechtsschutzversicherungen gilt als eine Haftungsfalle für Makler. Betrachtet man die häufigsten Pflichtverletzungen, lässt sich zunächst festhalten, dass der Vermittler – wie in anderen Sparten auch – natürlich in Anspruch genommen werden kann, wenn es erst gar keine Rechtsschutzversicherung gibt und der Kunde glaubhaft machen kann, dass er eine solche abgeschlossen hätte. Auch die Kündigung der alten Police ohne einen darauffolgenden Neuabschluss führt zu einem potenziellen Haftungsrisiko, wie es aus anderen Sparten bekannt ist. Die Besonderheit hier: Wenn zwar ein Folgevertrag abgeschlossen wurde, dieser aber nicht direkt an den Vorvertrag anschließt, führt die erneute Wartezeit sogar zu einer weiteren Haftungsfalle für den Versicherungsvermittler.

Rechtsschutzversicherung ist ein anspruchsvolles Thema

Doch die meisten Inanspruchnahmen der Vermittler liegen in der Natur der Rechtsschutzver­sicherung. Nicht nur für Versicherungsnehmer, sondern auch für Versicherungsvermittler ist die Rechtsschutzversicherung ein anspruchsvolles Thema.

Das liegt zum einen an der Struktur der Versicherungsbedingungen, zum anderen aber auch an der Vielzahl an unterschiedlichen Leistungsbausteinen, die oft modular hinzugewählt werden können und die für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer manchmal nur schwer zu durchdringen sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass am Markt so viele unterschiedliche Bedingungswerke (von den allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) 75 bis zu den ARB 2021) existieren wie wohl in keiner anderen Sparte. Hier den Überblick zu behalten und – etwa bei Umdeckungen – eine Schlechterstellung der Kunden zu vermeiden, erfordert ein hohes Maß an Sachkenntnis und Sorgfalt. Schnell kann es passieren, dass bei der Absicherung für den Kunden wichtige Leistungsbausteine vergessen oder schlichtweg übersehen werden.

Der Umstand, dass es innerhalb nur eines Versicherungsvertrages gleich mehrere Versicherungsfalldefinitionen gibt, führt auch nicht zu einer Vereinfachung. So kommt es im Schadensersatzrechtsschutz auf das Kausalereignis an, im Beratungsrechtsschutz auf die Änderung der Rechtslage und in den übrigen Fällen auf den Verstoß gegen Rechtspflichten.

Hinzu kommt, dass es im Laufe der Jahre immer wieder dazu kam, dass einzelne Klauseln innerhalb von Rechtsschutzbedingungen von Gerichten für intransparent erachtet wurden und es in der Folge nicht immer einheitliche Reaktionen der Versicherer hierauf gab. Daher wird im Folgenden anhand typischer und realer Fälle aus der Schadenabteilung der Hans John Versicherungsmakler GmbH ein Blick in die Praxis geworfen.

Der fehlende Baustein

Der Versicherungsnehmer und spätere Anspruchsteller betrieb eine Praxis für Physiotherapie. Bereits 2017 schloss er nach Beratung durch einen Versicherungsmakler, M1, eine Firmenrechtsschutzversicherung ab. Zwei Jahre später erfolgte dann ein Betreuerwechsel, Maklerin M2 übernahm fortan die Beratung des Kunden in Versicherungsangelegenheiten und initiierte unter anderem eine Aktualisierung des Rechtsschutzvertrages. Diese Deckung wurde dann ein gutes Jahr später erstmals benötigt.

Was war passiert? Der Versicherungsnehmer hatte für seine Praxisräume von einer Leasingfirma einige hochwertige Fitnessgeräte erworben, die jedoch regelmäßig ausfielen und repariert werden mussten. Der Versicherungsnehmer beabsichtigte, Mängel- und Gewährleistungsrechte gegenüber der Leasingfirma geltend zu machen, und forderte hierfür Rechtsschutz von seiner Versicherung ein. Die Rechtsschutzversicherung lehnte jedoch ab und verwies – zu Recht – darauf, dass der Vertrag des Versicherungsnehmers keinen Vertragsrechtsschutz für Hilfsgeschäfte beinhaltete. M2 sah sich hierfür in der Verantwortung, da ihr bei Anpassung des Vertrages die Anschaffung hochwertiger Fitnessgeräte durch den Kunden bekannt war. Dies sah auch der eingeschaltete Vermögensschadenhaftpflichtversicherer so und regulierte, erbrachte also die Leistungen, die bei korrekter Vertragsanpassung eigentlich die Rechtsschutzversicherung erbracht hätte.

Versäumnis bei der Erweiterung bestehender Versicherungen

In einem weiteren Fall ging es um eine Firmen- und Privatrechtsschutzversicherung, die dem Maklerkunden ebenfalls 2017 vermittelt worden war. In den Versicherungsschutz inkludiert waren zunächst betrieblich genutzte Fahrzeuge. Privatfahrzeuge waren nicht vorhanden. Anfang 2022 bat der Ver­sicherungsnehmer seinen Versicherungsmakler, M3, dann allerdings um eine elektronische Versicherungsbestätigung (eVB) für ein privat erworbenes Wohnmobil. Dem kam M3 zwar auch nach, allerdings versäumte er, den Rechtsschutzvertrag um den „Privat-Verkehrsrechtschutz“ zu erweitern, was sich als fatal erwies, als sich herausstellte, dass das Wohnmobil mit schwerwiegenden Sachmängeln behaftet war und der Rechtsschutzversicherer die Übernahme der Kosten für einen eingeschalteten Rechtsanwalt ablehnte. Zwar wurde der Versicherungsschutz umgehend erweitert, für den bereits eingetre­tenen Schaden brachte das jedoch natürlich nichts mehr. Auch hier erklärte sich der Vermögensschadenhaftpflichtversicherer bereit, „die Leistungen zur Verfügung zu stellen, welche der Geschädigte bei Abschluss von einer Rechtsschutzversicherung erhalten hätte“.

Die fehlende Anschlussversicherung

Der dritte Fall ist schnell erzählt: Der Kunde einer Maklerin, M4, hatte von seinem Rechtsschutzver­sicherer schadenbedingt eine Kündigung erhalten und M4 damit beauftragt, einen Folgeversicherer zu finden. Anfangs gestaltete sich die Suche schwierig, schlussendlich gelang es aber tatsächlich, ein Angebot zu erhalten. Der Kunde stimmte dem Angebot per E-Mail zu. Diese Mitteilung ging im Büro von M4 jedoch unter, auch aufgrund eines Krankheitsfalls. Bemerkt wurde das Versäumnis erst 19 Monate später, als der Versicherungsnehmer sich in einer Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber befand und Arbeitsrechtsschutz benötigt hätte. Auch dieser Fall wurde von der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung anstandslos reguliert, wobei ersparte Rechtsschutzprämien für 19 Monate, der fiktive Selbstbehalt des Versicherungsnehmers in Höhe von 150 Euro sowie der Selbstbehalt von M4 in Höhe von 1.500 Euro in Abzug gebracht wurden. Letztlich zahlte die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung hier rund 3.500 Euro.

Bei Abschluss und Umstellung zweimal hinzuschauen

Es ist jedem Vermittler also nur anzuraten, beim Abschluss und bei der Umstellung einer Rechtsschutzversicherung zweimal hinzuschauen, sich Unterstützung durch fachkundige Kollegen zu suchen oder dem Kunden im Zweifel alle möglichen Rechtsschutz-Bausteine anzubieten. Eine gänzliche Enthaftung ist natürlich nie möglich. Im Fall der Fälle schützt dann die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2022, S. 46 f., und in unserem ePaper.

Lesen Sie auch: Hier liegen die größten Haftungsrisiken für Makler

Bild: © anatolir – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Franziska Geusen

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Patrik Spengle… am 13. Dezember 2022 - 10:53

Ein sehr interessanter und aufschlussreicher Artikel von Frau Geusen.

Als langjähriger Versicherungsmakler sind mir die benannten Schadenfälle alle bekannt, weil ich solche RS-Fälle schon selber bei meinen Kunden hatte. 

Bisher musste ich meine Vermögensschadenhaftpflicht aber nicht in Anspruch nehmen, denn entweder hatten meine Kunden den passenden Rechtsschutz oder aber hatte ich ihnen bei Vertragsabschluss gesagt, was in einer Rechtsschutz nicht versichert ist bzw. nicht versicherbar ist.

Und damit möchte ich den Punkt auch einmal auf  Rechtsanwälte lenken. 

In meinen 28 Jahren als selbständiger Versicherungsmakler wird von allen Seiten, auch von den eigenen Berufsverbänden immer nur an uns Maklern getadelt und Lücken in der Beratung ausfindig gemacht.

Gerade in den letzten Jahren ist bei meiner Kundschaft festzustellen, dass Rechtsanwälte sich nicht in Rechtsschutzversicherungen auskennen.

Sie kennen weder Inhalte von Rechtsschutzverträgen, noch wissen RA nicht den Unterschied, wenn etwas nicht versichert ist oder nicht versicherbar ist. Ich ging bisher immer davon aus, dass ein RA in seinem Studium auch Kenntnisse zur Rechtsschutzversicherung vermittelt bekommt. Was scheinbar nicht der Fall ist. 

Wenn ein Kunde einen RA kontaktiert, wird er erst einmal auf das Vorhandensein einer RS-Versicherung gefragt. Der RA stellt eine Deckungsanfrage bei dessen RS-Versicherung. Und wenn dann der RS-Versicherer den Fall ablehnt, weil sein Rechtsstreit z. B.  nicht versicherbar ist, ist der Versicherungsmakler daran schuld. 

Fazit: Ein RA sollte wissen, wenn eine Sache nicht versicherbar ist. Aber ein RA ist ein Wirtschaftsunternehmen und verdient mit jedem Schreiben Geld.

Der Versicherungsmakler ist letztendlich derjenige, der den Kunden womöglich falsch beraten hat und der RA ist "aus dem Schneider".

Es gilt nur zu hoffen, dass wie die Tage veröffentlicht, die Rechtsschutzversicherungen das Monopol der Rechtsanwälte kippen wollen.

Patrik Spengler

Versicherungsmakler

 

Gespeichert von Bert Heidekamp… am 13. Dezember 2022 - 21:14

Sehr geehrter Herr Sprengler,

da gebe ich Ihnen recht, dass viele Anwälte die ARB-Inhalte nicht kennen (z. B. auch bei unterstellten Vorsatz). So teilen mir VN immer wieder mit, dass RA bereits bei Mandatsannahme erzählten, dass „der Fall nicht versicherbar sei und auch nicht ist“ und erst nach Rücksprache mit uns eine Deckungszusage durch den VR erhielten.  In einem Fall war der VN nicht nur überrascht, sondern war so berührt, dass er weinte (weil der zu erwartende Kostenberg für seine Rechtsdurchsetzung und Verteidigung sonst nicht ausgereicht hätte).

Das zu den Reaktionen, wenn Anwälte Pauschalaussagen treffen. Aber es gibt auch gute RA. Zu vergessen ist aber auch nicht, dass eventuell man auch RA in Haftung nehmen kann, wenn dieser Falschentscheidungen zum Nachteil des VN getroffen oder bestimmte Ansprüche nicht geprüft hat.

Aber auch bei Maklern ist ein sehr unterschiedliches Kenntnis-Niveau vorhanden, leider. Einige Beispiele sind oben im Artikel ja benannt.

Aber kritisch ist die Aussage zu sehen, dass allgemein der Makler haftet soll, wenn der VN keine RSV hat und dies nicht dokumentiert wurde. Das kann so nicht pauschalisiert werden. Es kommt eben auf den Maklerauftrag an. Hat der Makler einen „allgemeinen Vertrag“ geschlossen, könnte die Aussage stimmen. Hat der Makler jedoch einen Makler-Einzelauftrag vereinbart, muss er nicht für fehlende Versicherungsprodukte haften, sofern diese nicht Bestandteil des Auftrages ist.

Tipp 1: Einige wenige RS-Versicherer bieten zu dem einen sehr ausführlichen und detaillierten ARB-Vergleich des gleichen Versicherers an. Diesen kann man beispielsweise bei einem Tarifwechsel (z. B. wegen Aktualisierung, Anpassung) mit zur Dokumentation nutzen.

Tipp 2: Zum Thema über die Verwendung von Online-Vergleichen, Ratings und deren Folgen für Kunde und Vermittler findet man hier ein interessantes Video vom 22.11.2022, eine Aufzeichnung der Kanzlei Michaelis:  
https://award.versicherung/vertrieb/seminare/kanzlei-michaelis